(1)
In einer Zeit der Dekadenz, des allgemeinen geistigen Verfalls und des Niedergangs auch von Kirche in Deutschland richten wir uns in großer Sorge an die uns anvertrauten Gläubigen. Innerhalb von nur zehn Jahren (2015–24) haben wir Großkirchen acht Millionen Mitglieder verloren, je vier Millionen auf evangelischer und katholischer Seite.
* Die Statistik belegt, dass die Mitgliederzahlen der Evangelischen Kirche von 2015 (ca. 22 Mio) bis 2024 (ca. 18 Mio) innerhalb weniger Jahre um vier Millionen gesunken ist. Der Mitgliederschwund in der Katholischen Kirche von rund 24 Millionen im Jahre 2015 auf knappe 20 Mio im Jahre 2024 zeigt ähnliche Ergebnisse.
(2)
Setzt sich die stetig fallende Linie fort, wird von der Kirche, wie wir sie kennen, in wenigen Jahrzehnten nur wenig bleiben. Aber wir wissen, dass Mitgliederzahlen allein nicht maßgebend sind. Auch wenn in naher Zukunft nur ein paar Hunderttausend standhafter Christen übrig blieben, wird aus ihnen wieder, von unten her, lebendige Gemeinde und Kirche wachsen, das ist gewiss.
Jesus Christus spricht: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen” (Mt 24, 35).
(3)
Dem Verfall der Zahl entspricht der geistige Verfall, der aus der Anbiederung an den Zeitgeist der Gottferne und schrankenlosen Selbstverwirklichung resultiert. Jesus Christus spricht: „Wer mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach” (Mt 16, 24). Wir gemahnen unsere Gläubigen, insbesondere unsere Theologen, dringend daran, diesem ihren Hirten treu zu bleiben und sich von allen zeitgeistigen Ideologien fernzuhalten.
„Stellt euch nicht dieser Welt gleich”, folgt nicht ihrem Schema (Röm 12, 2).
(4)
Ihr, die Ihr unsere Kirche verlassen habt oder noch austreten wollt. Wir fragen: wohin? Ins Humanistische, allgemein Menschliche? In die Esoterik? In Wetter-Ideologien? Zu Glaube und Kirche gibt es auch im modernen Abendland keine Alternative. Keine der herrschenden Ideologien und Quasireligionen ist in der Lage, die Bibel, christlichen Glauben und Kirche wirklich zu ersetzen. Darwinistische Sozialentwürfe, Huma-nismus, Transhumanismus, globales Denken etc. können dem Menschen nicht die Heimat geben, die er mit Kirche verloren hat.
(5)
Wir ermahnen unsere Pfarrer vor Ort und unsere Theologen an den Universitäten und Hochschulen, in Verantwortung vor Gott und ihrem Gewissen biblische Inhalte treu weiterzugeben, sie nicht ins Welthafte zu verfälschen und in allem das Kreuz, die Auferstehung Christi und das christliche Bild vom Menschen als einem Gottge-schaffenen, kostbaren Wesen nicht anzutasten.
(6)
Es ist nicht Aufgabe der Predigt, eine Partei und deren Programm zu loben und die andere zu verurteilen. Parteikämpfe, Klimaideologie, Genderismus, Impfempfeh-lungen und Ähnliches gehören nicht auf die Kanzel. Das Evangelium muss unterscheidbar bleiben von dem, was in der Zeitung steht oder vom Fernsehen gesendet wird. Kirche ist keinem politischen System, keinem Meinungsgefüge verpflichtet.
(7)
Ein guter, am Evangelium orientierter Prediger sollte die in Politik und Medien unablässig gebrauchten Schlagworte meiden, sie zeugen keine Wahrheit. Was in Wahrheit geschieht, woher die wirkliche Gefahr kommt, erfahren wir aus den Groß-medien zuletzt. Wie unser Glauben und Denken, muss auch unsere Sprache von der Welt unterscheidbar sein. Kirche ist nicht die Fraktion irgendeiner Partei. Die Anbiederung an Herrschaftssysteme kommt für Christen und Theologen ebensowenig in Frage wie im Allgemeinen die Anbiederung an den Geist der Zeit.
(8)
Im Hinblick auf die in der modernen Zeit ins Uferlose gewachsene Macht der Medien, die Massen propagandistisch zu beeinflussen, ihr Denken zu formen, rufen wir alle Menschen in diesem Land, insbesondere Christen und Theologen zu einer bewusst kritischen und distanzierten Haltung den Medien gegenüber auf. Die in den Staats-medien verkündeten Sichtweisen und Urteile sind für Christen und Theologen im Pfarrdienst nicht bindend und stets an dem zu messen, was die Bibel unter Wahrheit und Gerechtigkeit versteht.
Jesus Christus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben …” (Joh 14, 6). – „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; ohne mich könnt ihr nichts tun” (Joh 15, 5).
(9)
Wir erinnern an die Thesen der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 (Ev. Gesangbuch Nr. 810) und warnen dringend vor einem neuen Deutschchristentum, das falschen Führern folgt und sich deren fragtwürdige Ideale zu eigen macht. Den Menschen von heute die Botschaft zu sagen, bedeutet nicht, sich dem Zeitgeist immer mehr anzugleichen. Solche Anbiederung erhöht nicht die Attraktivität von Kirche, führt nicht zu steigenden Mitgliederzahlen, bringt keinen geistigen Gewinn, bedeutet im Gegenteil die Preisgabe der geistigen Substanz des Evangeliums. So gibt Kirche ihr Kostbarstes her und spielt ihre Gläubigen zeitgeistigen Ersatzreligionen in die Hände, verrät die ihr Anvertrauten an fremde Mächte, liefert sie aus.
(10)
Wehe euch, die Ihr nur Mietlinge seid und nicht wahrhaft Hirten der Gemeinde (vgl. Joh 10, 12). Ändert Euern Sinn. Sitzt nicht den Wölfen in Schafspelzen auf, die Euch mit falschen Bildern von menschlichem Glück, von Wahrheit und Gerechtigkeit locken. – Ihr, die Ihr so kritiklos die Demokratie preist, gebt Acht, dass sie nicht unter der Hand ins Despotische gerät. Synoden sind Versammlungen von grundsätzlich verführbaren, in ihrem Denken medial vorgeprägten Menschen, das sollten wir nicht vergessen. Eine Synode kann nicht entscheiden, was als Glaubensinhalt, als Inhalt der Verkündigung gelten darf und was nicht. Am Ende befinden Synoden noch darüber, ob Gott sei oder nicht sei. Hier überschreit Demokratie ihre Kompetenz.
(11)
Wer das sündhafte Wesen des Menschen leugnet, die zehn Gebote relativiert, das Sühnekreuz und die Auferstehung Christi, die Botschaft des Paulus und das Wort der Propheten aus der Botschaft tilgen will, muss sich fragen, ob er sich noch als Christen-mensch versteht. Christlicher Glaube ist Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Christus. Daran halten wir fest und wollen Grundaussagen der Bibel nicht dem modernen Relativismus beugen, uns auch von denen nicht entmutigen lassen, die sich am Niedergang von Kirche freuen, ihn steuern.
(12)
Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen hat unbestreitbar eine Zukunft. Auch hier in Deutschland. Kirche steht und fällt mit der Treue zum Evangelium. In der bedrängenden Situation der Gegenwart wird man Kirche vor allem daran messen, wie deutlich und öffentlich wahrnehmbar Bischöfe und Pfarrer im Gemeindedienst sich für den Frieden und gegen Aufrüstung einsetzen – in klaren Worten, kompromisslos, ohne politische Rücksichten.
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder” (Ps 98,1). – Erheben wir uns aus unserer Lethargie, unserer Verblendung, unserer ängstlich geduckten Haltung. Gehen wir aufrecht den von Christus vorgezeichneten Weg. Wir haben in der Zeit der Krise 2020/22 jämmerlich versagt und gestehen unsere Schuld. Verzweifeln wir nicht, Gott ist barmherzig, er kann uns vergeben, der Kirche einen neuen Anfang schenken.
„Lebt jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden” (2 Kor 5, 17).
Gert Zenker Sebnitz, am 15./19. Mai 2025