WendeBlätter 2020, Ausgabe 40

Editorial

Die Magie der Zahl 40 soll nicht dazu verführen, die 40. Ausgabe der Wendeblätter 2020 vom 01. Juli 2022 auf 40 Seiten zu bringen. Dass wir den üblichen Umfang von 20 Seiten um ein Geringes überschreiten, ist durch die Sommerpause gerechtfertigt, die nächste Ausgabe (Nr. 41) erst für Ende August / Anfang September vorgesehen.  

Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Das gilt auch für die WendeBlätter. Was dem einen zu kompliziert erscheint, ist dem andern vielleicht zu einfach gedacht. Jedenfalls wollen die WendeBlätter dieses eine nicht sein: Information im herkömmlichen Sinne, insofern haben sie mit der beklagten „Fülle der Infor-mationen“ wenig zu schaffen. Es geht um die Reflexion von Bewusstseinszuständen unserer Gesellschaft, wie sie in den Ereignissen 2020/22 offenbar geworden sind und sich in früheren Strömungen vorbereitet haben – um eine Reflexion philosophischer, theologischer und literarischer Art.

Ziel ist es, den inneren Zusammenhang von Dingen zu entdecken, die man für gewöhnlich getrennt voneinander betrachtet, sofern sie in ihren Folgen überhaupt wahrgenommen werden.

Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts (der Tanz um das Goldene Kalb der Vernunft), Jalta im Februar 1945 (der Beginn der Globalisierung), Humanismus und Emanzipation (der Kult der Ich-Verwirklichung um jeden Preis, der Mensch als Gott), die 68er Bewegung, der Feldzug gegen das Leben im Mutterleib, Gender und der Transsexismus (die Verfemung der traditionellen Familie), die 5G-Mobilfunktechnik (als smarte Militärtechnologie), Political Correctness (Sprache unter der Zensur), Klaus Schwabs „Great Reset“ und die Ideologie des Globalismus, Geoingeneering (der bewusste Eingriff in das Klima der Erde), Genmanipulation, die Anbetung künstlicher Intelligenz, der Ukrainekonflikt und nicht zuletzt: das Versagen von Christen im Komplott mit dem Geist der Zeit, dazu die propagandistische Verfemung von Glaube und Kirche – all das (vgl. zu diesen Themen die früheren WB-Ausgaben) verbindet sich mit dem, was wir 2020/22 erfahren mussten.*

* Ein Schelm, der Arges dabei denkt und hinter all dem ein gezieltes Programm, eine Agenda vermutet. Manches mag „irgendwie“ geschehen (selbst bei achtbaren Wissenschaftlern wie Harari findet man dieses Adverb der Unbestimmheit) … Aber was ist nun wirklich Zufall in der Geschichte, was göttliche Fügung und wo stecken menschliche Agendarien, Handlungsprogramme dahinter?  Das sind Fragen, denen man nachgehen sollte.

Gert Zenker                                                                         Schlegel, am 11. Juni 2022

Der Homo sapiens und das Glück. Bemerkungen zu Professor Y. N. Hararis Universalgeschichte*

* Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit. Aus dem Engl. v. Jürgen Neubauer, München: dtv, 2013, 526 S. – Y. N. Harari, geb. 1976, 2002 in Oxford promoviert, ist Professor an der Hebrew University of Jerusalem und Mitglied der israelischen Akademie der Wissenschaften. Ein Schwerpunkt seiner Forschung betrifft die Universalgeschichte. Die hebräische Originalausgabe seines Buches „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ ist 2011 erschienen, die englische Original-ausgabe von „Homo Deus“ 2015 und 2016.

„Es ist ein Kultbuch“ – so kündigt der Klappentext das erstgenannte Buch an. Von welchem Kult hier die Rede ist, werden wir sehen. Am Anfang der Betrachtung steht immer die Achtung vor einem Autor und seinem geistigen Werk, was die Erkenntnis nicht ausschließt, dass auch in Hararis beein-druckender Sicht von Universalgeschichte salopp gesprochen: nur mit Wasser gekocht wird und es hier nicht anders zugeht als in anderen geistigen Tanzschulen auch.

Globale Weltkultur?

Steigen wir bei einer beliebigen Stelle ein, die beim ersten Aufschlagen der Kurzen Geschichte ins Auge sticht: „Welthandel, Weltreiche und Weltreligionen führten irgendwann fast alle Sapiens* in jedem Winkel des Planeten in die globalisierte Welt von heute. Der Weg war steinig und kurvenreich, doch auf lange Sicht war der Übergang von vielen kleinen zu wenigen großen Kulturen und schließlich zu einer Weltkultur unvermeidlich“ (S. 289).           * Lies: alle [homines] sapientes.

Wir haben sie also schon, die unvermeidliche Weltkultur. – Welche Kultur ist hier gemeint?  Ist der Begriff hier überhaupt angemessen, meinte „Kultur“ nicht einst etwas Hohes von geistiger, künstlerischer und – ethischer Qualität? Ob wir das erreicht haben oder mit fortschreitender Globalisierung je erreichen werden, ist mehr als fraglich.

Weltentstehung in vier Urdaten

Gehen wir an den Anfang der Kurzen Geschichte. Hier spricht Harari über die Entstehung von „Materie, Energie, Raum und Zeit in einem Ereignis namens Urknall“  (vor rund 14 Milliarden Jahren), über die Verbindung von Materie und Energie zu Atomen („etwa 300 000 Jahre später“), von der Verbindung bestimmter Moleküle zu Organismen (vor 4 Milliarden Jahren) und schließlich vom Beginn des Aufbaus „von noch komplexeren Strukturen namens Kulturen“ durch den Homo sapiens („vor gut 70.000 Jahren“). – Damit ist jeweils das Urdatum von Physik, Chemie, Biologie und Geschichte bezeichnet (vgl. S. 11).

Erstaunlich, mit welcher Sicherheit Harari hier in großem Wurf und in flüssiger Erzählung verfährt, so als wäre er selbst dabei gewesen, wie er Dinge benennt und mit Zeitangaben versieht, die doch allesamt reichlich hypothetisch sind. Nun, ein Anfangsdatum muss es geben für das Ganze, und hinter die Enstehung von Materie fragt man nicht zurück, das haben auch die Kommunisten tunlichst vermieden. Man hätte ja auf Gott kommen können. Die Materie selbst war ihr Gott. 

Drei große Revolutionen

Eine Struktur muss die Weltgeschichte haben, Harari sieht sie in den „drei großen Revolutionen“, welche die menschlichen Kulturen prägten: 1. in der kognitiven Revolution, die des menschlichen Bewusstseins (vor 70.000 Jahren), 2. der  landwirtschaftlichen Revolution (vor rund 12.000 Jahren) und 3. der wissen-schaftlichen Revolution. „Und die wissenschaftliche Revolution, die vor knapp 500 Jahren ihren Anfang nahm, könnte das Ende der Geschichte und der Beginn von etwas völlig Neuem sein“ (S. 11). Dies ist eine Grundthese des Buches.

Die Ausrottungsfeldzüge des Homo sapiens

Nun ist der Mensch, der Autor von Revolutionen, „ein ziemlich unauffälliges Tier“ (so die Kapitelüberschrift von Teil 1 des Buches). „Ob es uns gefällt oder nicht, wir gehören der großen und krawalligen Familie der Menschenaffen an“, konstatiert  Harari (S. 13). Die Rede ist vom Homo sapiens, wie wir uns selbst bezeichnen, das ist der weise, der wissende Mensch, oder wie andere meinen: „das vernunftbegabte Tier“ (Robert Merle) oder die Krone der Schöpfung. Harari sagt es frei heraus: „Der Homo sapiens ist nicht gerade für seine Tolerenz bekannt“ (S. 29) Was dazu führte, dass er andere Menschenarten verdrängte oder schlichtweg ausrottete. Den Neander-taler zum Beispiel vor rund 30.000 Jahren. Der Homo sapiens ist also keinesfalls der Hüter seiner Brüder (vgl. S. 23–31). Dies alles berichtet Harari, des hypothetischen Charakters seiner Aussagen durchaus bewusst, in flüssiger Erzählung.

Warum hat aber gerade der Homo sapiens den Sieg davongetragen in der langen Geschichte der Evolution? „Wenn der Homo sapiens die Welt eroberte, dann vor allem dank seiner einmaligen Sprache“ (S. 31). – Am Anfang war das Menschenwort? Die Eroberung der Welt kann aber nur eine partielle sein, wenn wir mit Wittgenstein bedenken, dass die Grenzen unserer Sprache, in den wir befangen sind, die Grenzen unserer Welt bedeuten.

Reden über das, was es nicht gibt

Und wozu dient nun die hochgeschätzte Sprache des Menschen vor allem? Zum Austausch von sogenannten Informationen, mit anderen Worten: „der Verbreitung von Klatsch und Tratsch“, und dies bis auf den heutigen Tag (vgl. S. 35/36).

Über diese menschlich-allzuäffische Kommunikation hinaus hat der mit Sprache begabte Mensch aber noch eine höhere Fähigkeit: „Das Einmalige ist, dass wir uns über Dinge austauschen können, die es gar nicht gibt“ (S. 37). Das betrifft aus Hararis Sicht die biblische Schöpfungserzählung, die Rede vom Himmel, den Mythus vom Nationalstaat und anderes mehr (vgl. S. 37), das Heilige Abendmahl nicht ausgenommen (vgl. S. 45). Alles in einem Topf.

In kleineren Menschenhorden (bis 150 Glieder) gelingt das Zusammenleben einigermaßen. „Größere Gruppen sind instabil.“ Riesenreiche werden durch eine  fiktive Sprache zusammengehalten, sprich durch gemeinsame Mythen, durch Dinge wie Recht, Gesetz und Humanität, „die nur in den Köpfen der Menschen existieren“. Der Staat ist eine Art Glaubensgemeinschaft, „Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht – sie existieren nur in unserer kollektiven Vorstellungswelt“ (vgl. S. 39/40).

Ergo – so interpretieren wir – ist auch der Globalstaat nur ein Myhus. Er existiert gar nicht, wird uns aber als notwendig und unumgänglich eingeredet von seinen Priestern und Diakonen.

Genmutationen I: Der Quantensprung

„Irgendwie“, schreibt Harari, ist es dem Homo sapiens vor rund 45.000 Jahren gelungen (hier wieder eine retro-prophetische Zeitangabe), das offene Meer zu überqueren und bis nach Australien zu gelangen. Um  diese Zeit haben die kognitiven Fähigkeiten des Homo sapiens, blickt man auf sein handwerkliches und kulturelles Handlungsvermögen, einen „Quantensprung“* gemacht. Ob es nun „zufällige Gen-mutationen“ oder „reiner Zufall“ war, lässt Harari offen (vgl. S. 33 / 34).

* Quantensprung: in der Teilchenphysik ein plötzlicher Übergang von einem Quantenzustand in einen anderen, wenn die Elektronen von einem Energiezustand zu einem höheren übergehen. Synonyme: Durchbruch, Paradigmenwechsel, Revolution. Es gibt auch den Quantensprung zurück, dabei wird Licht freigesetzt.

Genmutationen II: Die Sache mit dem Genom oder Das letzte Wort 

Wer etwa meint, dass ich an dem Thema, was uns 2020/22 bedrängt hat und fortwährend beschäftigen wird, vorbei rede, der wird jetzt eines Besseren (oder Schlimmeren) belehrt. Die Frage ist, und da geht es mittein hinein in die schnöde Gegenwart, „ob ein Unternehmen Patente und Urheberrechte an DNA-Sequenzen besitzen kann“ (S. 47). Eine ernste Frage, die an die Nieren geht, an die Substanz.

Das 1990 von der amerikanischen Regierung ins Leben gerufene „Human Genome Project“ hat sich in den Kopf gesetzt, die gesamte DNA des Homo sapiens zu entschlüsseln. Natürlich ganz uneigennützig und nur für humanitäre Zwecke der Heilung … Die nüchterne Art, wie Harari die Dinge benennt, gibt zu denken: „Kann eine juristische Fiktion Eigentümer unseres [menschlichen] Genoms sein? Heute beantworten die Gerichte diese Frage mit Nein. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“ (ebd./Hervorhebung G. Z.).

Da wissen wir, was uns erwartet. Das letzte Wort spricht immer (sieht man vom Theologischen ab) die Macht, nicht das Recht – ein teuflischer Forscherdrang, nicht das Humanum.

Nota bene zur Ethik der Forschung

Es geht ein Gerücht, dass Einstein der Wissenschaftswelt nicht alles offenbart hat, was er wusste. Für bestimmte Erkenntnisse war die Menschheit einfach nicht reif genug, die Gefahr des Missbrauchs zu groß. Das Angebot, Staatspräsident Irsraels zu werden, hat er abgelehnt, seinen geistigen Nachlass jedoch der Hebräischen Universität in Jerusalem übereignet. Einstein hatte noch ein ethisches Bewusstsein, eine tiefe Religiosität und – mit ihr verbunden – die Demut eines redlichen Wissenschaftlers. Nicht dieses moderne (mordende), vom militärisch-industriellen Komplex beförderte, Forschen auf Teufel komm raus.*

* Der Xenobot, millimeterklein, den man jetzt erfunden hat und in den menschlichen Organismus einführen will (vorgeblich zum Zwecke der Heilung), ist „kein traditioneller Roboter und keine bekannte Tierart, sondern eine neue Spezies“, ein Tier, das man am Computer konstruiert und dann ins Lebens setzt. Finanziert werden solche Projekte vor allem von der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), der Forschungsabteilung des Pentagon, mit deren Unterstützung man auch den ersten Corona-Impfstoff  an Menschen getestet hat. DARPA ist überall zur Stelle, wo es um neue Waffentechnologie geht (vgl. Johann Leonhardt: Pac-Man lebt in unserem Körper. –In: Compact 6/2022, S. 39–41). 

Genmutationen III: Körper und Geist

Ohne Genmutation, ohne Veränderung im Erbgut, ist die Entwicklung zum Homo sapiens nicht denkbar, das Wie der Genmutation bleibt freilich auch in Hararis Buch ungeklärt. Und wo es vom Körperlichen ins Geistige geht, wird es ganz schwierig.   Dass der Homo sapiens die höchste Form des Menschen sei, ist ja auch nur eine Hypothese. Harari räumt ein: „Wir können einem Neandertaler natürlich nicht in den Kopf schauen, um zu sehen, was er dachte“ (S. 51). – Wer weiß, vielleicht war ja der Neandertaler intellektuell oder ethisch die höherstehende Spezies …

So beeindruckend Hararis Buch auch sein mag – wenn ein Mathematiker in Hararis Kurzer Geschichte einen wissenschaftlich fundierten Lösungsversuch für die großen Fragen der Menschheit sieht, steht er auf schwankendem Boden. Nachdem Harari auf der ersten Seite seines Werkes sehr selbstbewusst und forsch an die Darlegung seines Narratives ging, treten bei der Reflexion der „kognitiven Revolution“ doch Dinge auf, die zur Bescheidenheit zwingen: „Leider gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse über das Leben unserer steinzeitlichen Vorfahren“ (S. 60). „Es wäre vermessen zu glauben, dass wir das Leben [und Denken] der Jäger und Sammler anhand der wenigen Gegenstände rekonstruieren könnten, die sie hinterlassen haben“ (ebd.). Möglicher-weise sind sie glücklicher gewesen als wir.

„Für sich genommen waren die Jäger und Sammler die klügsten und geschicktesten Menschen der Geschichte“ (S. 68), mit vergleichsweise geringer Arbeitszeit, idealer Kost und niedrigem Infektionsrisiko vielleicht „die erste Wohlstandsgesellschaft“ auf Erden (vgl. S. 69–72).

Genmutation IV: Vom Zufall zur  Machbarkeit

Einst galt bei der Veränderung des Genoms die Evolution oder das Zufallsprinzip, jetzt sind wir so weit, dass wir die Gene manipulieren, neue Genome zielgerichtet produzieren können. Eine große Versuchung, der wir nicht standhalten. Alles, was machbar ist, wird gemacht, zumal, wenn militärische Interessen dahinter stehen. Der Gipfel: die Verbindung von Mensch und Maschine, oder der Ersatz des Menschen durch die künstliche Intelligenz (darauf kommen wir noch).

* Als Genom wird der einfache, die Erbmasse darstellende Chromosomensatz einer Zelle bezeichnet. Das menschliche Genom setzt sich aus Millionen Basenpaaren und mehr als 30.000 Genen zusammen.

Der Traum vom Weltreich I: Pax Romana …

Nachdem wir uns mit mit der Kognitiven Revolution (Teil 1 von Hararis Kurzer Geschichte der Menschheit) befasst haben, überspringen wir den 2. Teil: „Die Landwirtschaftliche Revolution“ und wenden uns dem 3. Teil zu, der „Die Vereinigung der Menschheit“ thematisiert. Hier geht es u. a. um den „Geruch des Geldes“, den „Traum vom Weltreich“ und „Das Gesetz der Religion“.

Mit dem Traum vom Weltreich sind wir wieder – in der Gegenwart. Auch wenn Imperien in der Geschichte meist „mit Blutvergießen, Krieg, Versklavung, Verschleppung und Völkermord“ einhergingen und der „Anmaßung, die ganze Welt zum Wohl aller Menschen regieren zu wollen“ (vg. S. 237/239) – Imperien funktionieren letztlich, meint Harari, sie einen die Menschen kulturell durch einen gemeinsamen Wertekanon.

Die Römer brachten den besiegten Völkern die Pax Romana (den Römischen Frieden), so wie der Westen heute die Dritte Welt mit Demokratie und Menschenrechten zu beglücken sucht, indem er Drohnen und Bomber schickt (vgl. S. 242). 

Der Traum vom Weltreich II: „Das neue globale Imperium“

Kein Wunder, dass Harari, der von der zweifelhaften Voraussetzung ausgeht, dass Imperien grundsätzlich funktionieren, auch die neue globale Weltordnung für funktionabel hält, wobei er allderings zwischen dem Vielleicht der Gewalt und dem Vielleicht einer friedlichen Lösung steckenbleibt. Biotechnik, künstliche Intelligenz etc., was fangen wir, fragt Harari, mit unseren „göttlichen Schöpferkräften“ an?

„Es ist kaum vorstellbar, wie die Menschheit ohne globale Kooperation mit diesen Herausforderungen fertig werden soll. Bleibt nur die Frage, wie diese Ko-operation zustande kommen soll. Vielleicht ist dies nur durch blutige Auseinandersetzungen und die Gründung eines neues Imperiums möglich. Vielleicht finden die Menschen aber auch eine friedliche Möglichkeit …“ (S. 252).

Wir wollen hier mit Begriffen nichts verschleiern. – Kooperation ist etwas anderes als eine von Herrschaftsmächten im „Great Reset“ fabrizierte globale Weltordnung, die man uns als einzige Möglichkeit aufzuzwingen sucht und die den Spott Voltaires zumindest ebenso verdient wie einst „die beste aller möglichen Welten“ des Optimisten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716).

Objektive Erkenntnis*                      * So der Titel eines Buches von K. R. Popper (1973).

In der Physik gibt es keine objektive Wahrheit, ebensowenig in der Mathematik, der Chemie, der Biologie, der Geschichtswissenschaft oder – der Theologie, sofern alles menschliche Erkenntnisbemühungen sind. Objektive Wahrheit erreichen sie nicht, bestenfalls Annäherung. Auf der anderen Seite wäre es töricht, die Natur- und Geisteswissenschaften gering zu schätzen. Die Rationalität und alles Erkenntnis-vermögen, auch Hararis Intelligenz, ist selbst ein Teil der guten Schöpfung Gottes. Und es ist erstaunlich, was Menschen in Wissenschaft und Forschung zu leisten vermögen. Nur dass alles eben auch in der Gefahr des Missbrauchs steht (G. Z.).

Das Komplott mit der Machbarkeit

Menschen haben Mühe mit dem Makrokosmos (am Ende erweist sich noch die Mondlandung 1969 als ein bloßes Narrativ), aber im Bereich des Mikrokosmos ist die Forschung weit vorangekommen. Dem Laien bleiben nur zwei Möglichkeiten, den so-genannten Spezialisten zu glauben oder – ihnen an gewissen Punkten, wo sie in fraglichem Dienste stehen, gründlich zu misstrauen.*

* Aus meiner Sicht ist dieses Misstrauen im Blick auf die zeitgenössische Virologie und Gentechnik durchaus angebracht. Ich mache daraus keine Theorie. Ich weiß, was Gentechnologie heute vermag, wie sie in pflanzliche und tierische Organismen eingreift. Inwieweit in geheimen Laboren die Experimente an Menschen vorangeschritten sind, davon habe ich keine Kenntnis. Aber ich weiß, dass es dies gibt, weiß auch, dass man genmanipulierendes Material ohne Weiteres per Impfung einspritzen kann. Und ich bin auf der Hut. Das ist alles.

Hoch problematisch das unselige Komplott von Forschung und Technik, von Erkenntnis und Machbarkeit, wo Zwecke den Erkenntnisfortschritt diktieren:

Lassst uns den neuen, allseitig manipulierbaren Menschen schaffen. Eine Intelligenz, die uns gleich sei oder noch mehr als wir! Lasst uns das Erbmaterial verändern, alle erdenklichen Mutationen des Lebens ausprobieren, auf die Gefahr hin, dass uns das Ganze aus dem Ruder kommt, uns über den Kopf wächst zum Verderben.

„In den Laboratorien in aller Welt erfinden Wissenschaftler neue Lebewesen. Straflos brechen sie die Gesetze der natürlichen Auslese und lassen sich von den ursprünglichen Eigenschaften eines Organismus nicht aufhalten“ (S. 486). – Das ist die Situation.

                                               24. Juni 2022 (G. Z.)

Der Eine und die vielen Götter

Harari definiert Religion „als ein System von menschlichen Normen und Werten“ auf der Basis von „übermenschlichen Gesetzen“ und billigt ihr zu, auf diesem Wege einen entscheidenden Beitrag zur „Vereinigung der Menschheit“ geleistet zu haben. Aber letztlich ist Religion auch für Harari nur der „Inbegriff für Ausgrenzung, Hass und Streit“ ( S. 254).* Damit liegt er voll auf der Linie des atheistischen Zeitgeistes, der den Glaube und Kirche auf moralische und soziale Dienstleistung reduziert und ansonsten verwirft.

* Vgl. insgesamt Kap. 12: Das Gesetz der Religion, S. 253–288.

Gegen die „Hirnwäsche durch die monotheistischen Religionen“ (S. 258) hebt Harari die Vorteile des Polytheismus, der Vielgötterei hervor. Über den vielen Göttern, an die man sich wenden kann, steht ein oberster Gott, der am Ergehen der Menschen kein Interesse hat: „Die höchste Macht des Universums hat keinerlei Vorlieben und interessiert sich nicht für die Wünsche, Sorgen und Nöte der Menschen“ (S. 259). Teilt man das oberste Prinzip auf, erhält man mehrere Götter. „Der Polytheismus ist daher an sich tolerant und verfolgt nur selten ‚Ketzer‘ und ‚Ungläubige‘“ (S. 260). Eine fragliche These …

Der „monotheistische und missionierende Gott“ wurde von den Römern lange Zeit nicht geduldet, weil die Christen den römischen Göttern und dem Gott-Kaiser die Anerkennung verweigerten. Wirklich ermordet wurden in den ersten drei Jahrhunderten bis zur Konstantinischen Ära aber „lediglich einige tausend Christen“ (vgl. S. 261) Weit größere Opfer forderten die Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten im 16. u. 17. Jahrhundert. Harari erwähnt hier die Bartholomäusnacht vom 23. August 1572, die in 24 Stunden zehntausend Protestanten das Leben kostete.

„Allein in diesen 24 Stunden töteten Christen mehr Christen als das polytheistische Römische Reich in allen Christenverfolgungen zusammen“ (S. 262).*

* Wo immer Christen zur Gewalt greifen, sich mit irdischer Macht verbünden, handeln sie gegen das Evangelium und fügen dem Ansehen von Glaube und Kirche schweren Schaden zu. Der Hinweis auf  die Schattenseiten von Kirche (als einer Form institutionalisierten Glaubens) ist unumgänglich, das einseitige Beharren auf solchen Schatten wird aber dem Wesen christlichen Glaubens als einer tief inneren, Leben spendenden Kraft des Gottvertrauens nicht gerecht. Ein Gebetslied wie Psalm 23, ca. 1000 v. Chr. von König David verfasst, tröstet die Menschen schon seit dreitausend Jahren (G. Z.).

Von den natürlichen Religionen zum Humanismus: Der Mensch als Gott

Harari hat einen sehr weiten Begriff von Religion, der ihn dazu verführt, alles in einen
Topf zu werfen. Andererseits ermöglicht ihm die Weite des Begriffs, auch moderne Ideologien als Religionen zu interpretieren. Nachdem Harari den Polytheismus (die Vielgötterei), die dualistischen Religionen (ihr Kennzeichen: der Widerstreit von Gut und Böse, Körper und Seele, Materie und Geist), den Monotheismus (als Glaube an den Einen Gott) kritisch betrachtet hat, kommt er im 12. Kapitel seiner Kurzen Geschichte der Menschheit auf den modernen Humanismus zu sprechen: „Die Anbetung des Menschen“ (S. 277–288).

Etwas unscharf mutet Hararis Begriff der „Naturgesetz-Religionen“ an; nehmen wir diese  hinzu, „… dann ist die Moderne ein neues religiöses Zeitalter, das sich durch beispiellosen Missionseifer und blutige Religionskriege auszeichnet*. Die Moderne erlebte den Aufstieg zahlreicher neuer Naturgesetz-Religionen, zum Beispiel des Liberalismus, des Kommunismus, des Kapitalismus, des Nationalismus und des Nationalsozialismus“ (S. 277). Ob man hier von Religionen oder von Ideologien redet, sieht Harari als unerheblich an.

                                                        * Eine Auszeichnung ist das wohl nicht, eher ein Kennzeichen …

Wichtig die Unterscheidung zwischen „theistischen“ und „humanisti-schen“ Religionen, erstere huldigen Göttern, letztere – dem Menschen. „Für Humanisten ist die einmalige Natur des Homo sapiens der Mittelpunkt der Welt …“ (S. 280). Nur leider kann man sich innerhumanistisch nicht darauf einigen, was der Mensch sei. Über den Begriff des Menschen wird genauso gestritten wie über den Gottesbegriff. Der Streit spaltet die Bewegung in (I) liberale, (II) sozialistische und (III) evolutionäre Humanisten (vgl. S. 280–283).

Das Ich-Selbst samt dem freien Willen ist ein Trugbild, etwas, das es nicht gibt, von dem wir nur fiktiv reden, nach Harari kann man es ebenso wenig nachweisen wie die Existenz der Seele. Die Biowissenschaften haben „im Innersten des Menschen … keine Seele gefunden, sondern nur Organe“ (S. 288). Und dennoch, wohl gerade deshalb, hat sich die Menschheit verstiegen in den gefährlichsten Humanismus, den evolutionären, der seit dem Sieg über Hitler lange Zeit tabu war und schließlich doch zum Durchbruch gekommen ist. Sein Ziel: „die biologische Aufrüstung des Menschen zum Über-menschen“, für die es bald keinen juristischen Halt mehr geben wird (ebd.). 

Der Mensch ist mit seinem Menschsein nicht zufrieden. Er überhöht sich und schafft sich ab. Wir leben in einer solchen Abschaffungsperiode. Und sind uns dessen sogar bewusst … (G. Z.).

Der Sokrates-Komplex: Ich weiß, dass ich nichts weiß – und kaum das

Sokrates brachte den Zweifel in eine von Gewissheit verformte Welt. Von nun an würde die Skepsis den Menschen verfolgen, der Schierlingsbecher, der den Philosophen tötete, kann den Zweifel nicht aus der Welt schaffen. Vor dem Satz des Descartes: Cogito ergo sum (ich denke also bin ich) oder kürzer: sum cogitans, ich bin als denkendes Wesen, steht der Satz: dubito ergo sum (ich zweifle also bin ich) oder: sum dubitans, ich bin ein zweifelndes Wesen (G. Z.).

Was ist wohl die bedeutsamste Leistung der Wissenschaft? – „Die Entdeckung der Unwissenheit“, so überschreibt Harari das 14. Kapitel seines Buches (S. 311–335). „Die wissenschaftliche Revolution war keine Revolution des Wissens, sondern vor allem eine Revolution des Unwissenheit“ (S. 306). Wir mussten erkennen, dass wir „auf die wichtigsten Fragen keine Antwort wissen“ (ebd.), oder mit einem Wortspiel ausgedrückt: Wir wissen, dass wir nichts wissen (vgl. S. 305 ff.).

Zum liberalen Humanismus gehört das Dogma von der „Einmaligkeit des Menschen“, von dem fiktive Menschenrechte abgeleitet werden, die mit der nüchternen wissen-schaftlichen Erforschung des Homo sapiens wenig zu tun haben (vgl. S. 310). „Die moderne Wissenschaft hat kein Dogma“, behauptet Harari (ebd.). Andererseits greift „selbst die Wissenschaft … immer wieder auf religiöse und ideologische Überzeugungen zurück, um ihre Forschung zu rechtfertigen und zu finanzieren“ (ebd.).

Wissenschaft steht also unter Rechtfertigungsdruck, und sie braucht Geld …

Auf das Hypothetische der Wissenschaft wird immer wieder verwiesen, darüber hinaus steht Wissenschaft, eben weil sie ein menschliches Unterfangen ist, unter dem Einfluss von Ideologien, sprich: Überzeugungs- und Gewissheitssystemen, welche die Forschung erheblich beeinflussen.

Die Tendenz, so Harari, geht in Richtung der sogenannten exakten Wissenschaften, „die deshalb exakt heißen, weil sie mit den Instrumenten der Mathematik arbeiten“. Auch Geisteswissenschaftler (Psychologen, Soziologen, Politikwissenschaftler etc.) müssen sich heute zunehmend mit Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung befassen (vgl. S. 316). – Doch selbst die Mathematik oder sagen wir: der Mathematiker als Mensch ist heute nicht frei von zeitgeistiger Ideologie, und das wirkt sich auch auf die Forschung, das Bemühen um objektive Erkenntnis aus. Zwei Experten des gleichen Fachs (etwa der Statistik) können durchaus zu unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Ergebnissen kommen (G. Z.).

Das ewige Leben als Projekt der wissenschaftlichen Revolution

Wahrheit ist heute nicht die Messlatte der Wissenschaft, meint Harari und konstatiert, in Anknüpfung an den Satz: „Wissen ist Macht“, den man häufig über historischen Schulportalen lesen kann: „Die wahre Bewährungsprobe für das Wissen ist vielmehr seine Nützlichkeit. Eine Theorie, die uns Macht verleiht, neue Werkzeuge an die Hand gibt und ermöglicht, neue Dinge zu tun, ist ‚Wissen‘“ (S. 317) Und so wird dann auch geforscht und Forschung finanziert.

Wohin führt das Ganze? Dahin, wo wir sind! „Heute sind Waffentechnologie und Wissenschaft zwei Seiten ein und derselben Münze. Eine der wichtigsten Mächte der Gegenwart ist der … militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex. Die Militärs dieser Welt initiieren, finanzieren und dirigieren einen erheblichen Teil der wissenschaftlichen Forschung und der technischen Entwicklung“ (S. 319).

Millionen werden für Gehirnforschung ausgegeben. Da geht es um die Verknüpfung von Mensch und Maschine, wie man mit einem Computer Gedanken lesen und Handlungen über das Gehirn beeinflussen kann, da geht es überhaupt um künstliche Intelligenz, um künstliche Superhirne, die viel mehr Daten speichern und in Handlung umsetzen können als das menschliche Hirn, da geht es nicht zuletzt auch – um das ewige Leben.

Religionen warten auf einen Erlöser. Jetzt scheint es, als könne der Mensch aus eigener  Kraft den Tod besiegen. „Das wichtigste Projekt der wissenschaftlichen Revolution ist das ewige Leben für den Menschen“ (S. 237), da haben Gentechniker schon einiges erreicht, wenn sie das Leben von Würmern um das Sechsfache verlängern können, warum dann nicht auch das Leben des Homo sapiens? (vgl. S. 325–330: Das Gilgamesch-Projekt).

Alles zum Wohle oder zum Nutzen des Menschen? Solche Fortschrittsgläubigkeit ist gefährlich. Harari schreibt: „In Wirklichkeit wird die Wissenschaft allerdings weniger vom ‚Nutzen der Menschheit‘ geleitet“, im Vorder- und Hintergrund stehen die „Interessen von Wirtschaft, Politik und Religion“* (S. 331).

* Vor allem die Interessen des Kapitalismus, einer Religion mit blutwenig geistiger Substanz. Ihr Gipfelpunkt: ein globales Imperium, in dem nichts anderes gilt als der Nutzen und das Interesse der Macht. Wer in Klaus Schwabs „Great Reset“  humanistische Ideale sucht, wird enttäuscht sein, auch

Gott spielt keine Rolle mehr in Schwabs nüchternem Machtkalkül. Da hat er freilich die Rechnung ohne den Wirt gemacht …

Revolution ohne Ende

Bei Harari ist alles „Revolution“, gegen die inflationäre Verwendung des Begriffs möchte man lieber von Entwicklung sprechen, auch wenn die Dinge heute sehr schnell aufeinander folgen. Wenn die gegenwärtige Ordnung keine Ordnung mehr ist, wir uns „in einem Prozess permanenter Revolution“ befinden, in einer Situation, wo als     „einzige Konstante die Veränderung“ gilt (vgl. S. 445), fragt man sich, wie hier je Ruhe hineinkommen soll. Zumal in der Moderne keine Revolution des Denkens oder des ethischen Handelns zu bemerken ist.

Stillstand inmitten einer permanenten technischen Revolution. Oder Rückgang?

Das Märchen vom Frieden

Wenig überzeugend ist Hararis Rede vom „Frieden in unseren Tagen“ (S. 447 ff.). Durch Krieg und Gewalteinwirkung kamen im Jahre 2000 etwa 830 000 Menschen weltweit ums Leben, das sind „lediglich 1,5 Prozent aller Todesfälle des Jahres 2000“. „Dieser Rückgang der Gewalt ist vor allem der neuen Stärke des Staates zu verdanken“, meint Harari (S. 448) Die Kriegsopfer seien auf „niedrigsten Stand aller Zeiten“ zurückgegangen (S. 450).

Das klingt fast so, als ob Harari sich den globalen Staat wünschte und darin die totale Befriedung des Erdballs sähe. Was ernsthaft zu bezweifeln ist …

Wie sehr sich Ideologien, oder sagen wir neutraler: verschiedene Betrachtungsweisen von Wirklichkeit, auch auf die mit exakter Mathematik betriebene Statistik auswirken, dafür mag dieser Hinweis genügen: Gesetzt den Fall, man denkt nicht radikial-feministisch und achtet das Wesen im Mutterleib als Leben, dann ändert sich Hararis Friedensrechnung gewaltig. Statistisch nachgewiesen ist, dass 50 % aller Todesfälle weltweit auf Abtreibung zurückzuführen sind. Darüber hinaus sterben Millionen Menschen jährlich schlichtweg an Armut oder, wenn man so will: an der „Religion des Kapitalismus“ (vgl. S. 374 ff.).

Das heißt: an vielfältigen Formen direkter Gewalt —

Wilde Erregung und schiere Freude: der Traum vom Glück

„Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ (vgl. Kap. 19, S. 458 ff.). Ob die Emanzipation nur positive Auswirkungen auf das Glücksempfinden hat, ist ebenso strittig wie der Versuch, das Glück am materiellen Wohlstand festmachen zu wollen. Glück kann man nicht vermessen, es ist Vermessenheit, sich heute glücklicher zu schätzen als die vor uns. „Nichts im angenehmen Leben der städtischen Mittelschicht reicht auch nur im Entferntesten an die wilde Erregung und schiere Freude heran, die eine Gruppe von Jägern bei einer Mammutjagd erlebte“ (S. 450).

Den Zustand des modernen Bewusstseins, oder wenn man so will: den Zeitgeist unserer Epoche, verdeutlicht Harari u. a. am „wechselhaften Schicksal der Institution Ehe“. Nach dem göttlichen Gebot fragt da keiner mehr, Maßstab ist der eigene Wille und das Gefühl. Christen unterscheiden sich da kaum. Wenn eine Frau oder ein Mann nach 20 Jahren Ehe anderswo höhere Erfüllung findet, warum sollte man nicht? Das eigene Ich, der gute Freund, der Therapeut, am Ende noch die Pfarrerin, fragen nur dieses: „Nun, wie fühlst Du Dich? Geht’s Dir jetzt besser?“ Harari beschreibt die Situation und lässt sie ohne ethische Wertung stehen (vgl. Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen, München 2017, S. 346–348).

Gut, dass wir die moderne Wissenschaft haben, meint Harari. Mit dem zufrieden zu sein, was man hat, dieses Glücksmittel haben Propheten und Dichter schon vor langer Zeit entdeckt. „Trotzdem ist es immer wieder schön, wenn die modernen Wissenschaften mit ihren Zahlen und Grafiken zu denselben Schlüssen kommen wie die alten Weisen“ (S. 467) – und ethisch betracht: nicht über sie hinaus. Vages Glück im Sinne eines jämmerlich-irdischen „ewigen Lebens“ wird es wohl nur für einige wenige Reiche geben, die große Mehrheit steht da außen vor (vgl. S. 469).

Das entspricht dem, was Sloterdijk über die Globalisierung sagt. Da entsteht ein Weltinnenraum mit unsichtbaren Grenzen, der von anderhalb Milliarden Globali-sierungsgewinnern bewohnt wird, während die dreifache Zahl draußen vor der Tür steht.* Wer da drin sitzt, kann leicht sagen: Kapitalismus – das ist Glück.

* Vgl. Peter Sloterdijk: Im Weltinnenraum des Kapitals. Für eine philosophische Theorie der Globalisierung, Frankfurt / M: Suhrkamp, 2005.

Das Lied vom Ende …

Welches Lied steht noch aus? Der Abgesang: „Das Ende des Homo sapiens“, das ist das letzte, das 20. Kapitel der Kurzen Geschichte der Menschheit (vgl. S. 484 ff.) Da geht es um Giraffen, die im Zuge der Evolution einen langen Hals herausgebildet haben, um besser an die hohen Bäume zu gelangen (vgl. S. 484, eine fragwürdige Theorie). Im weiteren Text stehen dann sehr nachdenkenswerte Sätze:

„In den Laboratorien dieser Welt erfinden Wissenschaftler neue Lebewesen“ (S. 486 / hier muss man nähere Auskunft verlangen*). – „Das Tier ist ein Produkt des intelligenten [sprich: gentechnischen] Designs“ (ebd.). Das alles geschieht unter dem Namen der „biologischen Revolution“. Die natürliche Auslese ist passé, hat sich überlebt. Jetzt selektiert der Mensch selbst. In der modernen Massentierhaltung sieht Harari „das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ (vgl. S. 462). Wer sich ein größeres denken will, denke an die Selektionen, die der Mensch an Menschen vornimmt.

„Die Biotechnik ist ein bewusster Eingriff auf der biologische Ebene (zum Beispiel durch die Implantation von Genen) mit dem Ziel, bestimmte Fähigkeiten, Bedürfnisse und Wünsche eines Organismus [und des menschlichen Bewusstseins / G. Z.] so zu verändern, dass sie kulturellen Vorstellungen entsprechen“ (S. 487) – oder sagen wir es doch deutlich: menschlichen Machtvorstellungen dienen. „Kultur“ ist in diesem Zusammenhang ein sehr missverständlicher Begriff, die Beschönigung eines bedroh-lichen kulturfeindlichen Geschehens.

Auch wenn die Gentechnik „eine ganze Reihe von ethischen, politischen und ideologischen Einwänden“ provoziert (vgl. S. 489) – nur munter drauf los, sich über alle ethischen Bedenken hinweggesetzt! „Hier und da werden auch Säugetiere gentechnisch verändert“, sagt Harari (S. 490). Der Mensch ist ja auch nur ein Säugetier.

Jedenfalls sind wir nicht mehr weit davon entfernt, „nicht nur körperliche Eigenschaften, sondern auch gesellschaftlich wünschenswerte Verhaltensweisen bei Mäusen (und Menschen) zu züchten“ (S. 491). Die Klammer konnte Harari getrost weglassen und sich näher erklären.

* Ich denke, wir haben einen Anspruch darauf, von Wissenden wie Harari nähere Auskunft zu verlangen, welche Art von „neuen Lebewesen“ da in verborgenen Laboren gezüchtet werden und auf welch ethischer Grundlage dies geschieht. Überhaupt wäre eine neue Ethik der wissenschaftlichen Forschung dringend an der Zeit. Schon die Experimente mit Ratten, die man in einem Glas ertränkt, um ihre Hoffnungs-Reaktionen zu untersuchen, sind ethisch höchst bedenklich (vgl. Harari: Homo Deus, S. 192 ff.). Am Ende schreibt noch irgend so ein Wissens-Schuft eine Doktorarbeit darüber … 

Vom Zugriff auf das menschliche Gehirn

Als Student der Theologie habe ich in den 70er und 80er Jahren im Zeit-schriftenlesesaal der Deutschen Bücherei Leipzig Artikel des Australischen Physiologen John Eccles (1903–1997) gelesen und mir nichts dabei gedacht … Heute ist der Zugriff auf das menschliche Hirn und auf das Genom eine unverhohlene Zielsetzung.  

Demnächst wird es möglich sein, aus dem Neandertaler-Genom den vor 30.000 Jahren ausgestorbenen Neandertaler neu zu zeugen und auf diese Weise sein Denken zu studieren. „Einige Frauen haben sich bereits freiwillig gemeldet, um die befruchtete Eizelle auszutragen“ (S. 491) Die kognitive Revolution hat „den Homo sapiens von einem unbedeutenden Affen in den Herrn der Welt verwandelt“ (vgl. S. 492). Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass er sich in naheliegender Zeit wieder zu einem unbedeutenden Affen entwickeln wird, zum Knecht eines selbstfabrizierten  technologischen Superhirns.

Wir sind auf dem direkten Wege, eine  „Schnittstelle  zwischen Gehirn und Computer“, d. h. eine direkte Verbindung zwischen Hirn und Maschine zu schaffen, die es  ermöglicht, das Gehirn direkt ans Internet anzuschließen. Ein solches Gehirn hätte dann „unmittelbaren Zugang zum kollektiven Gedächtnis der Menschheit“, das Gedankenlesen würde zu einem einfachen technischen Vorgang, die Lenkung der Gedanken ebenso.* – Ein solcher Cyborg wäre dann allerdings kein Mensch mehr im bisherigen Sinne, sondern „etwas völlig Neues“, die Auswirkungen können wir uns nicht im Entferntesten denken, sagt Harari (vgl. S. 497).

* Ein Schelm, der Arges dabei denkt und diese Dinge mit den Ereignissen 2020/22 und dem globalen Imperium in Verbindung bringt … Noch läuft alles über Propaganda, gewissermaßen von außen her. Aber natürlich will man direkt hinein ins Gehirn, die Wissenschaft arbeitet daran. Unter dem Vorwand des Humanismus, der Heilung psychischer Defekte, versteht sich. Aber um Heilung geht es hier zuletzt, dahinter steht zuerst und vor allem – Militärtechnologie (das gilt u. a. auch für das smarte 5G-Mobilfunknetz).

Das Denken selbst ist ja auch nichts anderes als eine chemische Kettenreaktion, an der Millionen von Nervenzellen (Neuronen) beteiligt sind. Für einen ehr-geizigen Wissenschaftlicher mag es außerordentlich reizvoll sein, sich da einzumischen und in irgendeinem Militärlaboratorium, einer modernen Hexen-küche, auf Teufel komm raus zu forschen … 

etc. etc.

Schöne neue Welt: Homo Deus – der Mensch als Gott

In Homo Deus, 2015/16 erstmals erschienen, führt Harari die Grundthemen der Kurzen Geschichte der Menschheit näher aus. Kap. 7 behandelt „Die humanistische Revolution“ (S. 343 ff.), Kap. 8: „Die Zeitbombe im Labor“ (S. 431 ff.). – Begnügen wir uns an dieser Stelle mit zwei Andeutungen:  (1) „Dass Organismen Algorithmen* sind und Giraffen, Tomaten und Menschen nur unterschiedliche Methoden der Datenverarbeitung“ – das ist nach Harari die „gängige wissenschaftliche Lehre“ (vgl. S. 565).  (2) „Experimente, die an Menschen durchgeführt wurden, deuten darauf hin, dass sie sich ähnlich wie Ratten manipulieren lassen“ (S. 440).

* Algorithmen: Verfahren zur schrittweisen Umformung von Zeichenreihen, Rechenvorgang nach einem bestimmten Muster; allgemein: die Vorgehensweise, die endliche Schrittfolge zur Lösung eines Problems oder eines Problemkomplexes.

So sieht sie also aus: Die schöne neue Welt. Wenn das kein Alarmzeichen ist … Ich stelle erneut die Frage: Welche Experimente führt man durch, an wieviel Menschen, auch an Kindern? Mit welcher Zielsetzung und welchen Resultaten? Gibt es verbind-liche ethische Vorgaben? – Hier wäre eine klare Antwort zu fordern. Vielleicht ist solche „Wissenschaft“ (Wissens-Schuftigkeit), die an Ratten ausprobiert, was sie mit Menschen vorhat, infolge ihrer Ethik-Abstinenz gar nicht in der Lage, hier eine Antwort zu geben. Schriftsteller haben da tiefer nachgedacht, wie es zu finden sei: das menschliche Glück. Denn um dieses Thema geht es letztlich immer wieder. 

Über „1984“, den Roman von George Orwell (Nineteen Eigthy-Four, London: Secker & Warburg, 1949) hinaus verweisen wir auf die dystopischen, eine dunkle Zukunft prophezeienden  Romane von Aldous Huxley: Schöne Neue Welt (Brave New World, London 1932), Jewgeni Samjatin: WIR (fertiggestellt 1920) und des 1967 geborenen Steffen Pichler: Der Goldene Frühling (Frankfurt/M: ZEIS, 2019), ein Roman, der auf das Jahr 2038 blickt. Auch das Drama von Elias Canetti: „Die Befristeten“ (1964) gehört in diese Reihe. Welche Programme in der Gegenwart praktiziert werden, beschreibt u. a. unter Clemens Aldenbrock in seinem die Realitiät des Bösen offenbarenden Buch: Aufgewacht (Fulda 2020). Mit dem Globalisierungsbestseller von Klaus Schwab: The Great Reset (Die Große Zurücksetzung, 2020) schließt sich der Kreis. Es zeugt wohl kaum von intellektueller Zurechnungsfähigkeit, wenn jemand versuchte, all diese Werke mit dem Hinweis „Verschwörungstheorie“ ad acta zu legen.*

* Einige der o. g.  Bücher sind in früheren Ausgaben der WendeBlätter 2020 besprochen worden: vgl. WB Ausg. 23 v. 17. April 2021, S. 26–32 (Huxley),  WB Ausg. 25 v. 15. Mai 2021, S. 17–19 (Samjatin), WB Ausg. 27 v. 17. Juni 2021, S. 10–14 (Canetti),  WB Ausg. 24 v. 01. Mai 2021, S. 17 bis 21 (Aldenbrock), WB Ausg. 20 v. 01. März 2021, S. 16–23 (Klaus Schwab). 

Schlussbetrachtung I – III zu Prof. Y N. Hararis Universalgeschichte

(I) Der Fatalismus des Analytikers oder Verantwortunglose Götter

„Der Konsumismus hat gesiegt. Heute sind wir alle brave Konsumenten” (Kurze Geschichte, S. 424). Eines Tages wird der Homo sapiens verdrängt werden von  höher stehenden Superhirnen künstlicher Intelligenz. Punkt.

Harari ist Analyst wie Sloterdijk. Er führt uns klar vor Augen, wohin der Homo sapiens geraten ist, in welchem geistigen Zustand er sich befindet, was seine Versuchungen sind und wie die Gesellschaft aussieht, in der wir leben. Bedenklich bei alledem Hararis Fatalismus gegenüber der sogenannten „wissenschaftlichen Revolution” und ihren Auswüchsen, dieser Grundtenor: das ist nun mal so, das können wir nicht ändern.

Was in der Kurzen Geschichte und, so weit ich sehe, auch in seinem Buch „Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen” fehlt, sind Visionen eines anderen Weges, ist der Versuch einer ethischen Setzung. Hier wird der Leser alleingelassen. Die Schluss-bemerkung der Kurzen Geschichte (S. 508) ist geradezu läppisch:

„Gibt es etwas Gefährlicheres als unzufriedene und verantwortungslose Götter, die nicht wissen, was sie wollen?“

Was will Harari denn selbst? Unter diesen Göttern, die nicht wissen, was sie wollen, ist Harari gewiss einer der klügsten Köpfe. Aber was hilft alle Klugheit, wenn man nicht weiß, was man will? – Niemand kann die Zukunft voraussagen. Was die Laborversuche, die Züchtung von Lebewesen betrifft, weiß Harari mit Sicherheit mehr als er uns mitteilt. Umso dringender wäre hier zumindest die Andeutung einer Wissen-schaftsethik, die klare Positionierung des Universalgeschichtlers. Aldous Leonhard Huxley (1894–1963) wusste – in seinem Gewissen –  mehr als Harari.

Will man einen Menschen und sein Gedankengebäude näher kennen lernen, sollte man darauf achten, wovon er gar nicht oder nur andeutungsweise spricht. In Hararis Analyse der gegenwärtigen Geschichte der Menschheit fehlen mehrere gewichtige Themen, auf die er sich nicht einlässt oder nicht einlassen will. Wenn es „dreierlei Arten“ von Ressourcen gibt: „Rohstoffe, Energie und Wissen“*, so steckt in und hinter dem verborgenen Wissen, dass ein einzelner oder eine selbsternannte Elite nicht preisgibt, eine ungeheure Macht.

* Vgl. Homo Deus, S. 330.

(II) Wie hältst Du es mit der Religion?

Zur Universalgeschichte gehört die Religion als Rückbindung (re-ligio) an eine Höhere Kraft, den Schöpfer des Universums und allen Lebens. Wer den Homo sapiens verstehen will, muss ihn auch als Homo religiosus sehen, als einen Menschen mit einer tiefen Sehnsucht nach dem Umgreifenden, dem Grund allen Seins.*

* Für den Philosophen René Descartes (1596–1650) war das Vorhandensein des Gottesgedankens im menschlichen Bewusstsein, d. h. die Tatsache, dass der Mensch als ein endliches Wesen den Gedanken des Unendlichen überhaupt zu fassen vermag, schon fast ein Gottesbeweis.

Theologisch hat Hararis Kurze Geschichte der Menschheit wenig zu bieten, offenbart einen flachen Gottesbegriff, eine dünne Theologie, die über die gängige Religionskritik kaum hinauskommt. Der Marxist Walter Hollitscher (1911–1986) hatte die Entstehung des Glaubens „aus den waldursprünglichen Verhältnissen der Unwissenheit“ erklärt. Harari geht kaum tiefer. Auch kann man in der Wesensbeschreibung von Glaube und Religion nicht bei der bloßen Gleichung Religion = Gewalt und Irre-führung stehenbleiben.

Für Harari ist alles Religion: das Christentum, der Humanismus, der Kapitalismus. Nahezu unterschiedslos. Da wird unter der Hand die Botschaft des Neuen Testaments mit der Profitgier des Imperialisten in einen Topf geworfen. Mit der Gleichung Religion = Ideologie schwimmt Harari im Fahrwasser Voltaires: écrasez l’infâme, rottet die Ruchlose aus.  Vielleicht ist dies das religionslose Zeitalter, von dem Dietrich Bonhoeffer gesprochen hat.

Keine Religion mehr, oder genauer: kein Glaube an eine höhere Kraft – das kann nicht die Losung sein. Was wäre das für eine Zukunft?! Religionslosigkeit ist ja selbst eine Religion – mit Geboten, Priestern und Altären. Aus dem Zirkel kommen wir nicht heraus.

Hararis System steht in der Gefahr einer kalten, alternativlosen Analytik, die mit der Abweisung von Religion als Machtkonstrukt auch den substantiellen Glauben als schlichtes Gottvertrauen, ja den Gottesbegriff selbst (als das Höchste, was ein Mensch zu denken vermag) verwirft. Es ist gar nicht so lange her, da galt zumindest noch „Das Prinzip Hoffnung“ …

(III) Am Ende nur rhetorische Fragen …

Sehr unzufrieden bin ich mit dem Schluss von Homo Deus (S. 608). Auch wenn man selbst ratlos ist, sollte man ein solch gewichtiges Buch nicht mit rhetorischen Fragen schließen lassen. Wir wenden Hararis Fragen in folgende Aussagen, man mag sie Erkenntnisse oder Bekenntnisse nennen: 

(1) Selbstverständlich sind Organismen mehr als mathematische Algorithmen, das Leben lässt sich nicht auf Datenverarbeitung reduzieren.

(2) Zweifelsohne ist das menschliche Bewusstsein wichtiger als irgendeine künstliche Intelligenz.

(3) Wenn „hochintelligente Algorithmen“ uns irgendwann „besser kennen als wir uns selbst“, dann ist die freie Gesellschaft und das Alltagsleben in höchster Gefahr. Videant consules, ne quid res publica detrimenti capiat. Die Konsulen mögen zusehen, dass die Republik keinen Schaden nehme – und dunkle Kräfte sich nicht der Wissenschaft bemächtigen.

Davor bewahre uns Gott, der Eine, der uns besser kennt als jedes irdische Superhirn, er hat uns den Verstand gegeben und schaut in unser Herz. Harari singt das Lied vom Ende der traditionellen monotheistischen Religionen, mithin auch des Christentums. Darin haben schon andere vor ihm geirrt. 

Jesus Christus spricht: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mt 24, 35). 

05. – 14. Juni 2022               

Expertise oder Propaganda?

Corona: Neue Infektionswellen drohen. Der Expertenrat fordert eine vorausschauende Vorbereitung. Es wird mit drei Szenarien für den Herbst gerechnet.”*

* Sächsische Zeitung. Die Tageszeitung für Pirna, Sebnitz u. das Umland [seit 1946] v. 09. Juni 2022, S. 1. Entdeckt im Supermarkt der sogenannten „Informationen” …

„Welle”: das assoziiert nicht etwa das sanfte Plätschern des Meeres, oder die leicht stürmische See (etwas, worauf Menschen sich  freuen angesichts des bevorstehenden Ostseeurlaubs), eher eine Sturzflut. Dazu noch im Plural. Dass „Infektionswellen” quasi als Personen selbst drohen, liegt in der Redewendung. Im Grunde kommt die Drohgebärde jedoch eher von Menschen her. Man sollte sich von ihr nicht leichthin infizieren, nicht anstecken lassen.

Das sind mir vielleicht Experten, oder sollte man sagen: bestallte Propheten, die in ihrer Vorausschau (wahrscheinlich ist das Ganze nur ein Vor-Programm) gleich von drei Szenarien sprechen. Als ob eine Inszenierung nicht genügte. Lieber drei, das hält besser und macht mehr Angst. – „Für den Herbst” natürlich. Im Sommer lässt man uns aufatmen, schenkt uns das 9-Euro-Ticket, um die dicht gedängte Menschenmasse dann gleich als Argument neuer Infektionen zu gebrauchen.

Ja, man will uns vorbereiten. Und im Stillen rechnet man schon – den Profit. Diese Schlitzohren, man möchte lächeln, wenn es nicht so bitter ernst wäre. Und ein Professor der Mathematik vertraut diesen „Experten”? Mit solchem Vertrauen verlässt er allerdings den Bereich der „exakten” Mathematik, wechselt in ein sehr menschliches Feld über, wo man mit seinem Vertrauen – und auch der hohen Rationalität – schnell zur Beute der Propaganda werden kann.

Wem soll ich folgen: diesem Professor, der mir erklärt, noch nie seien Impfstoffe so gründlich geprüft worden wie die gegen Corona („das ist mathematisch evident”), oder dem anderen Professor der Mathematik: Peter Dierich in Zittau, der als Statistiker beharrlich nachweist, was an den Zahlen der Propaganda nicht stimmt, wo vertuscht, manipuliert und buchstäblich gelogen wird?

Als Philosoph vertraue ich – dem Skeptiker.

10. Juni 2022

              

Corona: ein globales Kaffeekränzchen von Milliardären?

* Die Krone (als Schmuck und Zeichen der Würde, auch eine Währung), der Kranz (Dornenkrone, Siegeskranz), der Hof (die Sonnencorona), im übertragenen Sinne: der Kreis, das Kaffeekränzchen …

Die Gefahren der Moderne: das Komplott „gottgleicher Technologie mit größen-wahnsinniger Politik”, „das gefährliche Potenzial künstlicher Intelligenz”, der soge-nannte Klimawandel (eine Hypothese, die mittlerweile als absolut Wahrheit verkauft wird) und, wir ergänzen: das Milliardengeschäft mit Corona – was steht dahinter, wer ist dafür verantwortlich? „Eine kleine Clique von Milliardären, die insgeheim die Welt regieren? Aber solche Verschwörungstheorien funktionieren nie, weil sie die Komplexität des Systems unterschätzen” (vgl. Y. N. Harari: Homo Deus, München 2017, S. 577/578).  Umso besser „funktionieren” (ich denke bei diesem Begriff immer an die sozialistischen Funktionäre) die Beschwichtigungstheorien und die Angst-szenarien, aus denen sich gewaltige Profite schlagen lassen. Immerhin spricht Harari von einem „System”. Das meint ein Ordnungsprinzip, eine Gesellschaftsordnung, auch eine Herrschaftsform, ein Geflecht (ein Fangnetz) von Beziehungen.

Vom Hitler-Stalin-Pakt (Aug. 1939) durfte in sozialistischer Zeit bei Gefahr der Inhaftierung niemand reden. Solche Nachrichten verbreitete nur der „Klassenfeind”, den Begriff Verschwörungstheorie hatte man damals noch nicht zur Hand. Die nach dem 08. Mai 1945 eröffneten NKWD-Speziallager Buchenwald, Sachsenhausen, Mühlberg, Bautzen (etc.) waren im Bewusstsein des DDR-Bürgers nicht existent, davon zu sprechen hatte schwere Folgen. Die Massengräber auf dem Karnickelberg in Bautzen, wo die Opfer des NKWD-Speziallagers, bekannt als „Gelbes Elend”, ver-scharrt wurden, standen unter strenger Geheimhaltung.*

1950 wurde das Speziallager Bautzen der Volkspolizei der DDR übergeben. 1956–89 befand sich das eigentliche Stasi-Gefängnis für Politische nicht im Gelben Elend, sondern inmitten der Stadt, nahe dem Justizgebäude (heute Gedenkstättte: Bautzen II). Nur wenige wussten davon.   

Ja, Systeme sind komplex. Zu ihrer Komplexität gehört, dass sie eigene Schattenseiten leugnen, bemänteln, verschweigen, ihre Entdeckung verhindern wollen. Vielleicht greift ja doch eine gefährliche Clique mit skrupellosem Machtwillen nach der Welt-regierung. Diese Clique ist selbst hochkomplex, Minderwertigkeitskomplexe scheint sie nicht zu kennen. Sind es Bilderberger, Freimauerer, Mafiosi, Pharmabosse,  Glieder des World Economic Forum, Zionisten oder noch andere und alle zusammen? Die Spitze der Pyramide liegt verschleiert im Nebel globaler Propaganda …

10. Juni 2022

Die Gilde der Faktenchecker

Sie checken nach einem bestimmten Muster, d. h. sie prüfen die Fakten daraufhin, ob sie mit der herrschenden Ideologie und Propaganda* übereinstimmen. Wenn nicht, dann ändert man eben notfalls die Fakten, sprich: die Wirklichkeit. Wer dem nicht folgt, für den hält man Schlagworte bereit, die ihn herabsetzen und ausgrenzen. Das alles läuft nach dem üblichen Schema: wir die Klugen, Ihr die Dummen, wir die Guten, Ihr die Bösen. Wir sehen die Wirklichkeit richtig, Ihr seht sie falsch.

Dass man sich all diese Dinge vice versa (wechselseitig) vorwerfen kann, ist einleuchtend. Den Ausschlag gibt, auf wessen Seite die Macht steht. Das ist der entscheidende Punkt. Denn wem dient die regierungskonforme Faktencheckerei im Netz? Doch nicht etwa der „objektiven Wahrheit“, an die ohnehin niemand glaubt. Sie dient einer globalen Politik, die mit dem Selbstbewusstein gepanzert ist: wir haben die Macht, handeln nach unseren Zwecken, drücken diese durch, ganz gleich, was das Volk dazu sagt.

Das ist Demokratie heute.

* Ideologie: ein Gedankengebäude, wie man die Welt und den Menschen sieht bzw. gern sehen möchte. Propaganda: die Art und Weise, wie man die Ideologie unter die Menschen zu bringen sucht, ihnen aufzwingt, was sie denken und glauben sollen. Zwei penetrante Propagandasysteme haben wir in Deutschland hinter uns, gegenwärtig sitzt uns das dritte im Nacken.   

27. Mai 2022

Dank Euch …

Auf einem großflächigen Werbeträger am Rande der Straße zum Grenzübergang nach Polen lese ich: „Dank Euch Geimpften. – Impfen hilft!“ – Wer das wirklich glaubt, dem soll es gestattet sein, dies als Bekenntnis zu verkünden. Verlangt werden muss allerdings, dass unmittelbar daneben, in gleicher Größe, ein anderer Werbeträger stehen darf: „Dank Euch Ungeimpften – Impfen schädigt die Gesundheit!“ Das wäre Demokratie.

Alles andere ist blanke Propaganda.

23. Juni 2022

Milde Mittel der Überzeugung … Notiz für einen katholischen Bischof

Ein katholischer Bischof erklärt, er wolle sich dafür einsetzen, dass auch Nichtgeimpfte behandelt werden – „trotz ihrer großen Schuld“ … Möge einst auch solch ein Bischof beim Jüngsten Gericht Gnade finden vor unserem Gott. Trotz seiner großen Schuld.

„Ich sehe, dass der Staat im Moment noch mit dem milden Mittel der Überzeugung versucht, die Verantwortung beim Einzelnen zu belassen. Ich halte es ethisch aber vertretbar, eine Impfpflicht einzuführen“, bekennt Herr Timmerevers, katholischer Bischof in Dresden. Wer sich nicht impfen lässt. gefährde andere und mache „unser gesellschaftliches Solidarsystem kaputt“, dies sei „Egoismus mit Scheuklappen für die Not der Anderen.“ Immerhin sagt er auch, dass in medizinischen Notfällen der Impfstatus keine Rolle spielen dürfe. „Vorrang hat immer die Person, die dringender eine Behandlung benötigt. Dabei muss aber egal sein, ob die Person geimpft oder ungeimpft ist.“ Menschenwürde gelte nicht nur für Geimpfte.* – Welche Gnade, angesichts von böswilligen Bestrebungen, Nichtgeimpften im Coronafall die Behandlung zu verweigern.

* Heinrich Timmerevers im Interview der Dresdner Neuesten Nachrichten (Quelle: katholisch.de vom 22 Nov. 2021).

Im November 2021 hatten sich mehrere katholische Bischöfe für eine Impfung gegen das Coronavirus ausgesprochen, je regelrecht dafür geworben, so der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Argumentiert wurde mit Verantwortung: „Wir tragen nicht nur Verantwortung für uns selbst, sondern auch dem Nächsten gegenüber.“ Herr Bode verstieg sich gar bis zu der Aussage, die Impfung sei eine „moralische Verpflichtung für jeden“. Nicht viel anders der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke.

Fassen wir zusammen: Nichtgeimpfte ermangeln der Nächstenliebe, sind egoistisch und verantwortungslos, tragen Scheuklappen, verhalten sich unsolidarisch, handeln unmoralisch, letztlich asozial. – Wie sagten Sie doch gleich, Herr Timmerevers: „Jede Stigmatisierung ist die Schaufel, um den Graben des anderen* noch tiefer zu graben. Genau das brauchen wir im Moment am wenigsten.“             * Lies: zum anderen.

02. / 03. Juni 2022                    

Meine Großmutter väterlicherseits war Katholikin, mein Großvater Protestant. So ist mir die Ver-bindung zum katholischen Glauben immer wichtig gewesen, d. h. ich habe zu gewissen Zeiten sowohl im evangelischen als auch im katholischen Chore mitgesungen. Jetzt, 2020/22, sehe ich mich schwer getäuscht – von beiden Konfessionen. 

Jesus als Waffenlieferant? Brief an einen Pfarrer im Verkündigungsdienst

Verehrter Bruder, ich wollte Ihnen ein Gedicht lesen (WB Ausg. 39, S. 20), die Politik war Ihnen wichtiger. Schließlich sprachen wir über die Ukraine …

„Das ist meine Meinung, dabei bleibe ich“, sagten Sie beim Abschied an der Pfarrhaustür. Meine Meinung – Ihre Meinung, das kann so nicht stehenbleiben. Meinungen haben praktische Folgen, da geht es buchstäblich um Leben oder Tod. Ich kann Ihnen Ihre Meinung nicht lassen, muss Sie im Gegenteil dringend ermahnen, sich als Pfarrer an die Friedensbotschaft des Neuen Testaments zu halten. Waffen töten, und nicht nur lauter kleine Putins, sondern Menschen. Und fortgesetzte Waffenlieferungen verlängern diesen Krieg, töten immer mehr Menschen.

Würde Jesus zu Waffenlieferungen raten an die Ukraine? Niemals! „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“ (Mt 26, 52). Putin allein der Böse, Selenskyj mit der NATO und den Amerikanern im Rücken der Gute? So einfach sind die Dinge nicht.

Wenn Sie dem Putin alles Böse zuschreiben – für mich ist auch Selenskyj kein ehrenwerter Mann. Und den Amerikanern, die hinter der NATO stehen, kann man noch weniger trauen. Wer hat die ersten und bisher einzigen Atombomben abgeworfen und nach 1945 unzählige völkerrrechtswidrige Kriege geführt? Die Amerikaner, die sich als Herren der Welt aufspielen. Und die NATO ist mit ihren Raketen immer näher an die russische Grenze herangerückt.

Ich will das alles nicht näher ausführen. Aber ich möchte in der gegenwärtigen Situation dringend vor jeder Art von politischer Predigt warnen. Die Gefahr des Irrtums ist viel zu groß. Eine Predigt, die den Hass auf Putin unterstützt, macht sich zum Knecht der Propaganda. Geschrieben steht: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich …“*   

Politiker plädieren für Waffenlieferungen, ein Pfarrer, ein Musiker, eine Lehrerin (etc.) schließen sich an. „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ – Folgen Sie nicht der Propaganda, lieber Bruder, auch nicht Ihrer vorgefassten Meinung. Bleiben Sie der Friedens-botschaft des Neuen Testamentes treu. Ich rate dringend dazu. Wir wollen doch nicht wieder die Waffen segnen …                                                           * Vgl. Röm 12, 2.         .

Magna cum cura – mit großer Sorge grüßt Sie  

Ihr  G. Z.                                                                                 19. Mai / bearb. 11. Juni 2022  

Woher der Wind …

Fahnen im Winde erstarrtes Wehen
auf den Kirchtürmen Rathausdächern und niederen Datschen
Welches Wetter heute welche Zeit
Die Fahne leistet ihren Dienst
bietet dem Winde
den geringsten Widerstand
Ratlos schwankt sie und kreist im kleinen Winkel
träge um sich selbst

Wetterfahnen millionenfach
unsichtbar auf den Bergen den Dächern
dieser Welt erzittern
im Sturme

Ein Hahn der nicht mehr kräht sein Morgenlied
vergessen hat und ein Hirsch
auf dem Brauhaus im starren Sprunge
Ein Anno Domini im Zeitstrom
verflossen

Wind verfängt sich in den Zelten wo wir
für kurze Zeit wohnen
auf dem Campingplatz Erde
im Zeitenwetter wimmeln wuseln uns drehen 
o tempora o mores!
als wollten wir an diesem Orte
ewig leben …

Und ein kleiner kluger Windfang
atmet mir ins Ohr:
Sag mir doch woher weht der Wind
und wohin?
Und was wird sein
in ein paar Jahren wenn wir
nicht mehr sind —

Sebnitz, am 16. Juni 2022 (G. Z.)

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