WendeBlätter 2020, Ausgabe 42

Hölderlin: Hyperion an Diotima

„Ich bringe mich mit Mühe zu Worten. Man spricht wohl gerne, man plaudert, wie die Vögel, solang die Welt, wie Mailuft, einen anweht; aber zwischen Mittag und Abend  kann es anders werden, und was ist verloren am Ende? Glaube mir und denk, ich sags aus tiefster Seele dir: die Sprache ist ein grosser Überfluss. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie die Perle im Grunde des Meers.“

Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. Bd 2: Gedichte. Hyperion. Briefe 1794 – 1798, hg. v.  Friedrich Seebass, Berlin: Propyläen, 1943, 3. Aufl., S. 236.

Ganz ungeschützt: Leben aus dem Schatz der Gedichte …

Freie Rezitation* aus Gedichten von Andreas Gryphius: „Mein sind die Jahre nicht“ („Betrachtung der Zeit“) und „Der schnelle Tag ist hin“ („Abend“), aus Hölderlins Hyperion: „Ich bringe mich mit Mühe zu Worten” und Novalis: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren”.

Aus Wilhelm Müllers Winterreise, vertont von Schubert, dem Gedächtnis neu eingeprägt: „Fremd bin ich eingezogen” („Gute Nacht”), „Der greise Kopf”, „Die Krähe“, „Der Leiermann“. Des Weiteren Rilke: „Das ist die Sehnsucht“, „Wie soll ich meine Seele halten“ („Liebeslied“), „Herr: es ist Zeit“ („Herbsttag“) und Nietzsche: „Oh  Mensch! Gib Acht“, „Die Krähen schrei’n“ („Der Freigeist“) und ein Gedicht von 1876: „Es geht ein Wandrer durch die Nacht“.

Dazu eigene  Gedichte (nur das erste kann ich auswendig), ein Text, den ich 1971/72 geschrieben habe, mit 18 Jahren, kurz vor dem Abitur, eine Art politischer Lyrik, gültig bis heute: „Niemand weiß, wie lange noch …” (vgl. WB Ausg. 4 v. 25. April 2020, S. 12). Schließlich vier Gedichte, die im Mai – Juli 2022 entstanden und in den WendeBlättern 2020, Ausg. 39 – 41 veröffentlicht sind: „Kind in Deinem Gesicht”, „Woher der Wind”, „Singspiel Zukunft“ und „Heimkehr“.

* NB: Einem Menschen, der aus dem finsteren Tal  der Sprachlosigkeit kommt, macht das Rezitieren Freude – und anderen auch … Im Folgenden Auszüge aus dem Ostsee-Tagebuch 2022.

19. Aug. / 12. Sept. 2022

Sandburg Leben

Vollendung der Sandburg Leben am Meeressaum. Und dann die Güte-Kontrolle mit ihren Erwägungen, was man hätte besser machen können …

Dort schwimmt ein alter Schriftsteller (P. G., er schreibt nicht mehr), hier liege ich und schreibe mein Ostsee-Tagebuch. In der Sandburg neben uns spricht eine junge Dichterin mit ihren Geschwistern. Die Schrift stellt sich – dreifach quer. Die Wunde am Barréefinger heilt zusehends. Aber für Streckübungen ist es noch zu zeitig.

Viele urlaubsfrohe Menschen hier, aber manche laufen herum mit einem Gesicht, als wären sie höchst beleidigt über ihre eigene Existenz, als würden sie ihr Dasein als eine herbe Zumutung empfinden.

20. Juli/12. Sept. 2022

Vom Leben im Zelt*

Wir alle leben ja nur in Zelten, mehr oder weniger komfortabel, haben auf dem großen Campingplatz Erde keine bleibende Stadt (vgl. Hebr 13, 14). Und es wird einem nicht an jeder Campingecke des Lebens gefallen, man richtet sich eben so gut als möglich ein.

Das verstehe ich – und gebe zu bedenken, dass Millionen Menschen auf dieser Erde weit weniger komfortabel wohnen als wir im Urlaubszelt, unter dem Regenbogen in Nonnevitz.

27. Juli/14. Sept. 2022                                     * Aus einem Geburtstagsbrief.                                

Flaschensammeln  

Flaschensammeln mit Heinrich. Das Geld liegt am Wege. Die Flaschen lassen uns früh aufstehen. – Und das ist ein Segen!

11. Aug. 2022

Individuum und Kollektiv

(1) Das Kollektiv Dein Zuhause, wo du dich be-findest? Ich misstraue allem Individualismus (allem „verwirkliche Dich selbst“) – und auch dem Kollektivismus  Wohin also? Creatio Dei sum. Ich bin (als) Gottes Geschöpf. Das ist meine Identität. Da bin ich eins mit mir. Einzigartig und Gemein-Wesen zugleich, zur Gottgemeinschaft berufen.

(2) Ich dachte immer: Schriftsteller unter sich [Theologen, Lehrer, im Gesundheits-wesen Tätige etc.] sind eine große, eingeschworene Gemeinschaft. Weit gefehlt. Sie sind ein abgeschworenes Kollektiv, eine wilde Ansammlung, ein Sammelsurium mit sich selbst und untereinander zerfallener Individuen. Weder das Kollektiv noch das eigene Ich ihr wirkliches Zuhause.

(3) Lat. legere: lesen im Doppelsinn (lesen und sammeln). Colligere (cum + legere): miteinander etwas lesen oder sich versammeln. Demnach ist Kollektiv ein Sammelsurium von Menschen, die einer gemeinsamen Idee folgen oder sich eine solche einreden lassen.– In welchem Buche liest das Kollektiv und in welchem das Individuum, das Unteilbare, Untrennbare, Einzigartige? 

(4) Welcher Wahn ist schlimmer: der kollektive oder der individuelle? Kranke Individuen sind imstande, ganze Gesellschaften in einen kollektiven Wahn zu versetzen, sie in einem Wahn zu halten, den Wahn für ihre Zwecke zu missbrauchen. Das Ich bei Fichte (Die Bestimmung des Menschen, 1800): das Individuum als Bollwerk gegen das Kollektive, den kollektiven Wahn.

(5) Wenn mir der Individualismus nicht gefällt, und der Kollektivismus auch nicht – wohin dann? Zwei mögliche Antworten: 

(a) Mich als Gottes Geschöpf (creatio Dei) zu begreifen, bewahrt mich sowohl vor dem Individualismus (dann drehe ich mich nicht mehr nur um mich selbst, erkenne eine höhere Verantwortung), als auch vor der Verführung durch irgend einen kollektiven Wahn, eine kollektive Psychose.

(b) Der zweite Ausweg: die Familie. Die Familie nenne ich nicht Kollektiv. Sie ist der Ort, wo ein Mensch ein Zuhause finden kann, sofern Familie weder der Ideologie des  Kollektivismus noch des Individualismus verfällt und sich so zugrunde richtet.

20. Juli/12. Sept. 2022

Denkfalle Gewissheit. Ein Hinweis …

Wer sich einmal hineinbegeben hat in ein Überzeugungsgefüge, kommt so leicht nicht aus ihm heraus. Dies hindert den Dialog und spaltet die Gesellschaft. Gibt es einen Weg heraus aus der Befangenheit oder müssen wir uns damit abfinden, dass jeder auf seiner Meinung beharrt und wir einander nicht verstehen?

Dies hat mich den ganzen Sommer über beschäftigt: wie es sein kann, dass Menschen in der Krise 2020/22 – und weit davor – in derart verfestigte, gegensätzliche, schier unversöhnliche Gewissheiten geraten konnten, aus denen es kaum ein Entrinnen gibt. Das Resultat dieser Überlegungen ist ein längerer Beitrag vom 27. Aug. 2022, der unter dem Titel „Denkfalle Gewissheit. Eine theologische Reflexion” in der Zeitschrift ViER, Heft 6, Nov./ Dez. 2022 erscheinen wird.*

* Das Thema Gewissheit ist in der vorliegenden 42. Ausgabe der WendeBlätter 2020 mehrfach  angedeutet. 

13. Sept. 2022

Homophobie

Eine Sechzehnjährige belehrt ihren Vater aus ihrem Wortschatz, den ihr die Propaganda eingeflößt hat: “Weißt Du nicht, was Homophobie ist?!” … Da kann ich nicht anders und setze meine Erklärung hinzu. Homo, hominis (mit kurzem, offenem O) – der Mensch. Griechisch fobeomai, fobesomai … (ein mediales Verb, ich spreche die ganze Stammform): sich fürchten.

In der Bibel steht: Du sollst Gott fürchten und nicht die Menschen. Ich habe Gottesfurcht, alle Menschenfurcht, die uns packt, ist nichtig. – Es gibt Begriffe, das Unwort „Homophobie” gehört dazu, die man nicht gebrauchen, nicht nachplappern sollte, weil sie  von Militärpsychologen vorgeprägt sind, die unser Bewusstsein in eine bestimmte Richtung lenken wollen. Die Sprache der Medien ist – gestrickt, ein ausgeklügeltes Netz von Desinformation und Irreführung.

[Eine Strandnachbarin wird aufmerksam, deutet auf Victor Klemperers LTI. Ich bringe ihr WB Ausg. 40 v. 01. Juli 2022 und WendeBlätter Jg. 3, 1992, Heft 1 (das gelbe) mit Texten von Victor Klemperer, Uwe Grüning, Peter Gehrisch, Michael Zorr (u. a.) und Grafiken von Andreas Dress.]

23. Juli/14. Sept. 2022

Gottes Wesenheit religionsphilosophisch

Auf dem Suche nach dem Spirituellen, dem Sieg des Geistigen, die Erkenntnis: Die Wahrheit (Griech. aletheia, das Unverborgene), die Erkenntnis (gnosis), das Leben (zoeh) ist eine Person. Nein, nicht die Maske (Lat. persona) des Seins, sondern eine ENTITÄT, eine Wesenheit: Höchstes Sein (summum ens), das Umgreifende, die Erstursache (prima causa), der Urgrund des Seins – Begriffe, die Gott, das Höchste, was ein Mensch zu denken vermag, philosophisch umschreiben.

Ein Mensch ist weit mehr als seine bloße Existenz, als bloßes existere („Hinausstehen ins Sein” / Heidegger), er ist ein lebendiges, beseeltes Wesen (ens animale). Ebenso ist Gott mehr als bloße Existenz, in IHM das Leben, in höchster Qualität und Vollkommenheit. Gott – das große, lebendige DU (Marin Buber), das im Gebet mit sich reden lässt.

Vom Sein des Menschen à zum Wesen des Menschen. Vom bloßen Sein Gottes à zum Wesen Gottes. Das Alte Testament schaut auf den Ursprung und auf das Präsentisch-Irdische (wie man hier auf Erden gute Tage hat unter Gottes Gebot), das Neue Testament auf das Jetzt und auf das Eschaton, das Kommende, die Überwindung des Todes, das Ende der Zeit  …

Ab-Wesenheit Gottes

Ein tautologischer Begriff (ein Widerspruch in sich). Der wesenhafte Gott kann nicht ab-wesend sein. Man kann ihm auch nicht die Existenz absprechen, ihn nicht aus Raum und Zeit entfernen. Das ist so, als wollte ich zu einem Menschen sagen: „Du existierst für mich nicht!” Deshalb bleibt er doch in seinem Wesen Mensch. So wie Gott auch dann, wenn man seine Existenz bestreitet, wesenhaft Gott bleibt. Summum ens (Höchstes Sein ). Summa vitae (Summe allen Lebens).

Dass kein Gott sei – eine gewagte Hypothese mit weitreichenden Folgen … Die Weigerung, Gott zu denken: der Fall ins Nichts.

23. Juli / 14. Sept. 2022

Rücken-Training

Mein Gehampel frühmorgens am Strand ist Rückentraining, Training des aufrechten Gangs. Wenn ich heute nichts mache, nicht gegenhalte, gehe ich morgen krumm. Das gilt, körperlich und geistig, für die ganze Gesellschaft.

24. Juli/14. Sept. 2022

Denkmuster der Torheit

Erstaunlich, wie lange völlig geistlose Denkmuster sich halten, welch zähes Leben sie haben. Das geht nur – mit Macht. Ich rede von einer Geistlosigkeit oder schlicht: Torheit (um nicht Dummheit zu sagen), von der auch das Heer der Intellektuellen betroffen ist. Schafe mit höherem Bildungsgrad, und dennoch (gerade deshalb?) gefügige Herdenwesen. Intelligenz schützt vor Torheit nicht.

Verstehen (Lat. intellegere), das ist im Umgang mit den Medien: zwischenein, das heißt zwischen den Zeilen der Propaganda lesen (inter + legere). Wer dies nicht kann, mag er Professor sein, verharrt in törichter Propaganda. Im Wettbewerb solcher Torheit läuft der Arbeiter neben dem Professor, der einfache Kirchenchrist neben dem Bischof, der Journalist neben dem Schriftsteller.

Schuld am Fortbestand der Torheit ist der zeitgeistige Relativismus, der Gutes und Böses, Kluges und Dummes, Tiefes und Flaches gleichgeltend nebeneinander stehen lässt, beides als gleichwertig behandelt. Mit anderen Worten: Du kannst jede Meinung haben über Gott und die Welt, und sei Deine Sicht noch so beschränkt, man wird Dich hören, noch das Dümmste gelten lassen.

Darauf bauen Ideologen … Sie machen ein Riesengeschäft mit solcher Torheit …

25. Juli 2022/ 24. Sept. 2022

Salbungsvoll am 6. Sonntag nach Trinitatis

Eine Predigt nach dem Ohmschen Gesetz. Stark im Zeitstrom, das ist: Spannung im Verhältnis zum Widerstand. Geht der Widerstand gegen Null, steigt die Spannung ins Maßlose, am Ende ist die Leitung tot.

Eine „starke” Predigt im einschläfernden Tonfall – eine schwache Predigt. Worte in weichem Klosettpapier …

25. Juli/18. Aug. 2022

Erkälteter Verstand

Leute, die bei unbedeutenden Erkältungskrankheiten, Husten, Mandelentzündung und dergleichen sofort ihre Hilfe beim Arzt suchen, noch ehe  sie die natürlichen Hausmittel versucht haben, sind eine leichte Beute der Corona-Gesundheits-Prediger und Maßnahmen-Verkünder. Da verliert auch mancher Coronakritische den Kopf, lässt sich testen und vergisst plötzlich alles, was er über die Unzuverlässigkeit der Tests und die Unbestimmtheit des Testgegenstandes weiß, greift zu dem erstbesten Schluss, unterwirft sich dem eilfertigen Stempel: „Corona!”   

Der Mensch braucht so etwas Festes, Greifbares, eine Gewissheit, und sei sie auch noch so irrig.  Die Krankheit muss einen Namen haben, fragwürdig nur, wenn es immer derselbe ist und andere Krankheiten gänzlich darunter verschwinden. Auch eine Art von Heilung —

Welches natürliche Hausmittel haben wir gegen den Coronawahn? – Den gesunden Menschenverstand, sofern der nicht auch schon angekränkelt und fünfmal geimpft ist …

27. Juli/13. Sept. 2022

Silvanus Litoralis*

                                                      * Bei den Römern als Gott der Meeresküste verehrt.

Als Nichtgeimpfter beim Deutschen Roten Kreuz. Wechsel zum Nachtdienst im betreuten Wohnen. Die alten Leute stürzen nachts, weil sie am Tage zu wenig trinken. Silvanus meldet jede Impfnebenwirkung, jeden Impfschaden beharrlich nach oben – als Einziger von etwa 30 Mitarbeitern. Der Lehrling geht drei Wochen krumm nach der Impfung, ist kränker als die Hausinsassen, andere tragen gravierende gesundheitliche Schäden davon. – Das Impfen als Akzellerator, die Alten sterben schnell, die Jüngeren langsam …

29. Juli/14. Sept. 2022                                       

„Das ist die Sehnsucht …“ (Rilke)

„Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit.” – Die Sehnsucht schweigt dem Ewigen entgegen, auf der Suche nach dem Einen Wort, dem Logos (der Weltformel) …

29. Juli/19. Aug. 2022

Relativismus der Gleichgültigkeit

Nur als Beispiel. Eine fünfköpfige Familie am Waldessaum hinter dem Zeltplatz: Vater, Mutter, drei Kinder. Vier von der Familie spielen gelangweilt mit dem Handy. Wenn das nicht krank ist …

Kommt ein Relativierer daher. Lass sie nur, das musst Du verstehen. Und weiter geht’s auf dem falschen Wege. Das Paritätische, die Behauptung der Gleich-Gültigkeit ist das Problem. In der relativistischen Weltsicht steht das Törichte gleichberechtigt neben dem Klugen, das Rohe neben dem Sanften, das absolut Geistlose neben dem Geistvollen, die Lüge gleichberechtigt neben der Wahrheit, der Teufel gleich-gültig neben Gott.

31. Juli/19. Aug. 2022

Genderismus einmal anders

Lügner – Lügnerin. Ideologe – Ideologin. Dieb – Diebin.

Globalisierer – Globalisiererin. Verführer – Verführerin.

Heuchler – Heuchlerin. Rechthaber – Rechthaberin.

Ohrenbläser – Ohrenbläserin.

Despot – Despotin …

Mit bloßem Wechsel des Artikels:

der Machtbesessene – die Machtbesessene, der Skrupellose – die Skrupellose.

Der Plural ist ohnehin weiblich.

Nur mit weiblichem Artikel: die Gier nach Macht, die Lüge, die Täuschung,

die Torheit, die Widervernunft, die Skrupellosigkeit (etc. etc.).

31. Juli/16. Sept. 2022

Von der Not des Puppenspielers

Vor sich fernsehverödete Kinder, die man erst einmal zur Ruhe, zur Aufmerksamkeit bringen muss. Es gibt Familien, wo der Fernseher den ganzen Tag läuft. Was bleibt da dem Kinde anderes übrig, als wegzuhören, innerlich abzuschalten.

Was die Eltern ganz äußerlich mit dem Fernseher nicht schaffen …

Krippenspiel

Wer das Ganze am Heiligen Abend nur wie eine Theatervorstellung nimmt und nicht versteht,  dass er über das bloße Zuschauen hinaus als Hirt, als Mensch, der sich nach Erlösung sehnt, selbst mit an der Krippe steht – wie soll der irgendeinen höheren Zusammenhang begreifen?!

Er weiß ja gar nicht, was da gespielt wird …

02. Aug./16. Sept. 2022

Bettina” (ein Film)

Geb. 1947. Flugblätter 1968 (gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings). Ver-urteilt zur Haft. Bewährung in der sozialistischen Produktion. Als Berufssängerin BRD-Reisevisum für drei Jahre (ganz anders die Schicksale der Schriftsteller Ulrich Schacht und Siegmar Faust). Irgendwann zur Ausreise genötigt. Liebe zu einem Politiker (Oskar Lafontaine), der Stalins Lieblingslied auf Georgisch sang, was sie beeindruckte. Bettina W. hat ihre eigenen zehn Gebote, ihr Gott, zu dem sie sich bekennt, ist der Sinn des Lebens. Das bekannteste ihrer Lieder: „Sind so kleine Hände …” (aus Protest hat sie es lange nicht gesungen) – ein Lied auch für die Ungeborenen? Oder widerspricht das Bettinas Bild der Frau?

Fünfzig Prozent aller Sterbefälle weltweit durch Abtreibung. Das wusste der Mann aus Dresden nicht …

Wo das Gespräch zum Gerede wird …


Der unmaßgebliche Austausch von „Meinungen”, der bloße  Schlagabtausch einerseits – andererseits, ping – pong, heißt das Gespräch? Und wohin führt es? Das Verharren im Geschwätz des Relativismus bringt keine Wahrheit.

Totalverweigerung?

Die Totalverweigerung gegenüber einem System (Fernsehen, Handy, Computer, Massentierhaltung, Lebensweise, Zeitgeist, gängige Denkmustern etc.) hat wenig Chancen, ist eine Illusion. Aber immerhin ist Verweigerung an bestimmten ausgewählten Punkten einen Versuch wert … Der Widerstand beginnt mit solcher Verweigerung …

03./19. Aug. 2022

Gehirn als tabula rasa?

Wortfetzen, die ich auffange am Strand – ich mache mir einen Reim darauf: „hart erkennen“ – weich erkennen, „Erkenntnisse durchziehen“ – Wodurch denn? Durch das eigene Hirn? Sofern es dem Inhalt nach noch das eigene ist … „Wenn man ein bisschen bewusst an eine Sache herangeht …” Sofern das Bewusstsein nicht schon schwer deformiert ist von außen her … Schließlich raffe ich mich auf: „Ich bewundere Eure Konversationsenergie am frühen Morgen. So viel rede ich die ganze Woche nicht.“ Eine Frau spricht von der Festplatte Gehirn. Wir bekommen die Hardware mit, sagt sie, das Gehirn als tabula rasa, die Software müssen wir hinzutun.

Das menschliche Hirn, denke ich, ist weit mehr als eine Festplatte, sie ist Teil der Schöpfung. Und das Hirn ist nicht leer bei der Geburt. In ihm von allem Anfang an der Gottesgedanke (das war für Descartes fast ein Gottesbeweis, ein stichhaltiges Argument für die Existenz Gottes).   „Auf meiner Festplatte war kein Gottesgedanke“, sagt die Frau gegen Cartesius. „O doch“, entgegne ich, „Du hast ihn ausradiert …“

3./4. u. 19. Aug. 2022

Einem Agnostiker ins Ohr, ins Herz gesprochen

Mit dem Gottvertrauen gewinnst Du alles, verlierst Du nichts. Du verlierst auch Deine Freiheit nicht, Du findest sie. Verwirfst Du den Gottesgedanken, wirfst Du das Kostbarste weg, was ein Mensch denken und hoffen kann.

04./19. Aug. 2022

Süßsauer

Das süßsaure Lächeln des liebenswerten, stillen Gastkindes beim Tischgebet. Wir leben in einer Gesellschaft, wo Eltern ihren Kindern, was den Gottesgedanken betrifft, leider oft nichts mit auf den Weg geben als ein paar Vorurteile gegenüber Glaube und Kirche. So machen sie dem Kinde das innewohnende Gottvertrauen kaputt und wissen gar nicht, was sie ihm damit nehmen, was sie anrichten in der kindlichen  Seele …

05./19. Aug. 2022

Klima

Selbst wenn wir zuverlässige und lückenlose Daten hätten über das Wetter in den zurückliegenden zweitausend Jahren Menschheitsgeschichte (meines Wissens haben wir sie nicht), hätten wir nur einen minimalen Bruchteil der Erdgeschichte erfasst, was ein schlüssiges Urteil über „Klimawandel” nicht zuließe. Es bleibt bei der bloßen Hypothese: „Es wird wärmer …“ Bedenklich, wenn solche Hypothesen zum Dogma werden und die Politik bestimmen. Dahinter die Frage: „Cui bono?“ – wem nützt eine solche Hypothese. Wer zieht einen Nutzen daraus?

Umweltschutz braucht es, ohne Frage, das ist etwas anderes. Ich denke da zuerst an den Plastikmüll in den Meeren. Hier sollte man beginnen, Großtechnik einsetzen,  hohe Summen investieren zur globalen Beräumung des Mülls. – Zur Entsorgung geistigen Mülls bedarf es anderer Technik …

05. Aug. 2022 / 14. Sept. 2022

Gewissheit

Gewissheit kann je nach Gegenstand lebensfördernd oder tödlich sein. Massengewissheit innerhalb eines Machtsystems:  die Blut- u. Boden-Ideologie der Nazis („Volk ohne Raum”), die Selbstgewissheit der Arbeiterklasse, die Corona- u. Impfideologie – strukturell, im innersten Wesen, ihrer Intensität und Starrheit nach dieselbe Gewissheit. Noch das höchste Ideal ist korrumpierbar. Auch die Glaubens-gewissheit des Christen, die als Gott-Vertrauen über alles Irdische hinausgeht, steht immer in Gefahr, sich ins tödlich-Dogmatische zu verirren oder sich im Strom der Zeit gleichgültig treiben zu lassen, im Strudel fremder Gewissheiten ihre Identität zu verlieren.

05. Aug./14. Sept. 2022

Zweierlei Bekenntnis*

Zwei Professoren: der eine impfgläubig, der andere das ganze Gegenteil. – Vertrauen in Wissenschaft??

09./19. Aug. 2022             * Lat. professio, ionis, f.: ein öffentliches Bekenntnis.

Atomversuche und  moderne Kosmologie in einem Abwasch …

Eine Fernsehsendung spätabends auf ARTE beim Jesus-Döner am Schwalbennest auf Wittow / Rügen. Vorgeführt wird der erste Atombomben-Test am 16. Juli 1945 in den USA  und der Abwurf der ersten Wasserstoffbombe am 06. Aug. 1945 auf Hiroshima. Mit einem Schlag siebzigtausend Menschen verbrannt.

Dann, ohne Kommentar und Überleitung, die Erkenntnisse der modernen Kosmo-logie … Der Determinismus und die Erkenntnis: das Weltall hat einen Anfang (wer denkt da nicht an die prima causa, die Erstursache allen Seins). Einsteins Relativitätstheorie und seine Friedensmission. Die Unschärferelation* (etc.).

* Aussage der Quantenphysik, dass zwei Messgrößen eines Teilchen (z. B. sein Ort oder sein Impuls) nicht gleichzeitig genau bestimmbar sind. Nach Heisenberg (Aufsatz von 1927) gibt es zwei Unschärferelationen: Ort-Impuls und Energie-Zeit.

ARTE zeigt riesige Anlagen, kilometerlange Rohre der Lichtbeschleunigung. Nachweis des Wellencharakters des Lichts („Licht in hoher Energie ist eine Welle”). Dann die Hawkins-Strahlung der schwarzen Löcher, in denen Sterne verschwinden, auch  alle Information verdampft. Neue Erkenntnis: die Informationen bleiben an den Eintrittsrändern erhalten. Das Gleichnis der verbrannten Zeitung – aus der Asche, dem Rauch kann alle Informationen wiedergewonnen,  sogar der Zeitungstext rekonstruiert werden. Das ist möglich, sagt ein Wissenschaftler.

Also gibt es doch, wie ich schon vor Jahrzehnten vermutet habe (es war mehr als eine Spinnerei), Abdrücke vergangener Ereignisse in der Wirklichkeit Es geht nur darum, ein Verfahren zu finden, sie wieder sichtbar zu machen.

06./07. u. 19. Aug. 2022

Gelangweilt

Zwei Jungens am Strand, offenbar Brüder, zwischen zehn und zwölf Jahre alt, spielen im Morgensonnenschein schlechtgelaunt mit ihren Handys und öden sich an. Kein Blick auf das Meer, ins Wasser werden sie jetzt nicht gehen. Gelangweilt wenden sie sich voneinander ab und trotten dem teuren Semmel-Frühstück zu, das ihre Mutter für sie bereit hält.

09. /19. Aug. 2022

Putin

Putin –  der abgrundtief Böse, der Alleinschuldige an der Krise weltweit? Geistlos, solche Einseitigkeit zu verbreiten, töricht, sie zu glauben. Allgemeine Teuerung, Energiekrise nur aufgrund des Ukrainekonflikts? Die Welt ist größer, Globalismus versucht, sie klein zu machen.

Törichter Europazentrismus der Nachrichten. Wie ich es umgekehrt erlebt habe 1988 in St. John’s/Neufundland und 2009 in Nain/Labrador. Da kam in den Nachrichten Europa kaum vor …

06. Aug./14. Sept. 2022

Gottesbegriff

Gott – das höchste Sein (summum ens). Der Grund allen Seins. Prima causa (Erstursache, nicht geworden, keinem Prozess unterworfen).

Wir denken alle viel zu gering von Gott, achten die Höhe des Gottesbegriffs nicht. So wie Gott im Anfang durch sein Wort alles geschaffen, ins Leben gesetzt hat,  kann er – am Ende der Zeit – mit einem geheimen Wort* alles Kriegsgerät dieser Erde verdampfen lassen. Im  Bruchteil einer Sekunde.

* Vgl. Novalis: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren …”

09./19. Aug. 2022

Die Stasi-Komödie (ein Film)

War nichts. Ebenso könnte man aus einem Mord eine Komödie machen. – Die Stasi, das war kein Spaß …

09./19. Aug. 2022

Störtebeker in Ralswiek

Eine wabernde, schwatzende, ins Theatergatter drängende Menge. Ein Ameisenhaufen. Ein wimmelndes drei Stunden-Lager. Die Menschheit konzentriert zur Masse. Massenurinale. Alle versorgt, bespaßt, kanalisiert auf dem Wege zum Bühnenraum unter freiem Himmel. Das Bad in der Zuschauermenge braucht eine geistige Dusche danach …

Theater fürs Volk. Theologisch blutwenig Substanz, und das für mehrere tausend Zuschauer täglich. Die Quintessenz: Himmlische Wesen helfen Dir nicht, es liegt alles in Deiner Verantwortung. – Nun ja, aber ohne ein himmlisches Wesen keine echte Verantwortung, keine letzte Instanz … Vom Atheismus einigermaßen unangetastet: die Trauungsszene. Ein Mann neben uns ist zu Tränen gerührt. Zu Wort kommen, leicht verändert, Passagen aus dem Hohen Lied der Liebe (aus dem ersten Korintherbrief im 13. Kapitel); die allermeisten im Publikum wissen nicht, dass hier die Bibel zitiert wird. Wir werden zu solcher Ignoranz erzogen, sie ist Teil des Globalisierungsprogramms.

Als Prise ein Hauch Feminismus. Ein sächselnder Zwerg. Dazwischen Lippis Lieder als willkommene Abwechslung. Der Mönch in dem Stück ist, wie in so vielen Filmen auch, mehr oder weniger der Trottel. Nun ja,  Gott ist nicht humorlos, versteht mehr Spaß als wir denken, auch wenn er mit sich nicht spaßen lässt, sobald eine bestimmte Grenze überschritten ist. Das Stück bleibt im Rahmen, hält einigermaßen Balance. Muß auch sein, es sind ja doch auch Christen unter den Zuschauern, da kann man sich offene Blasphemie, die mancher gerne hätte, nicht leisten.

In der Pause – beim Anstehen in der Schlange (alles drängt nach Erfrischung) – ein turtelndes Liebespaar. Sie ist gewiss schon über dreißig, ein schöne Frau. Und sie liebt ihn … Ich erstehe mir eine heiße Schokolade, in Block II (Reihe 14, Sitz 30 – 36) nippt  die ganze Familie an dem Stückchen Liebe.

Bei der Abschiedsszene stürzt das weiße Pferd des Störtebeker, geht auf die Knie wie im Gebet. Nach dem imposanten Feuerwerk – Riesenleuchter am Himmel – das ruhige Licht der Sterne … Rückfahrt mit dem Schiff, eine Stunde bis zum Hafen Breege. Ankunft um Mitternacht.

Wer hat das Stück „Im Angesicht des Wolfes“ überhaupt geschrieben? Im Programmheft steht die Autorin Anna-Theresa Hick unter ferner liefen, an 20. Stelle. Autorenschicksal …

11. Aug./14. Sept. 2022

Sch‘ma, Völker dieser Erde … 

Hört genau hin, was sie Euch versprechen und wie sie es halten, fragt, was das für Impfstoffe sind, wie lange und wie gründlich man sie geprüft hat vor ihrer Anwendung, ob deren Produzenten sie für sich selbst und ihre Familien nehmen, prüft, wer ein Interesse an Maske, Test und Nadel hat, wer uns den Lappen über das Gesicht und das Denken legen will, millionenfach, wer da Profit macht und wer am Ende das Nachsehen hat.

Schaut genau hin auf die Verquickung von Pharma- und Finanzkartell, fragt nach dem Woher des Virus und den Wirkungen der „Impfung“, nach den Bestandteilen der Impfstoffe* – und Ihr werdet von diesen Leuten nichts, aber auch gar nichts mehr annehmen, weder irgendwelche Substanzen noch ihre Worte …

* Darunter Zellmaterial von abgetriebenen Kindern …

11. Aug./14. Sept. 2022

Begegnung

Und immer wieder Begegnungen auf dem Campingplatz Erde. Musik und Gesang aus dem Nachbarzelt der Ergotherapeutin und ihrer Familie. Flöte, Geige und Gitarre. Was wir kaum zu Advent und Weihnachten schaffen, obwohl jeder bei uns ein Instrument spielt.

Zum Dank mein Gedicht: „Kind in Deinem Gesicht …“ (vgl. WB Ausg. 39 v. 01. Juni 2022, S. 20). Was es ausgelöst hat, ist auf den folgenden Seiten zu lesen. Das tröstet und gibt Hoffnung. Worte richten doch etwas aus in dieser Welt, auch in unserer sprachlosen Zeit, sind nicht vergeblich.

11./19. Aug. 2022

Vera Steinbrenner

Zuversicht

Sonnenaufgang

am Meer

reines Licht

spiegelt sich im weiten Blau

Kinderblick

offenherzig

reine Wahrheit

Zuversicht

Cogito ergo sum

Muss ich denken, um zu sein?

Ich bin

weil ich bin.

Einfach hier.

Einfach jetzt.

Genieße das Sonnenlicht am Morgen

Höre Vögel jubilieren

und singe mit

Wellen schlagen ans Ufer

Ich atme

Ein. Aus. Hier. Jetzt. Ich. Bin.

Was wird morgen

Hilft’s sich zu sorgen?

sich auf’s Denken

zu beschränken?

Was wird morgen

aus den Sorgen

von heute?

Machen!

Lachen!

Atmen!

Leben!

Sein und sich geben!

Sein um zu sein

nicht allein

nur im Augenblick

des Kindes

Umgeben von Licht

Durchdrungen von Kraft

die Zuversicht schafft

Genieße das Licht

auf meinem Gesicht

Das Rauschen des Meeres

als wär’ es

das erste Mal.

Ich singe.

Ich atme.

Ich bin.

Weil ich lebe.

Hier.

Jetzt.

Nonnnevitz, 04. 08. 22

Inspiriert durch „Kind, in Deinem Gesicht” von G. Z., morgens, bei Sonnenaufgang. – Vera Steinbrenner ist Ergotherapeutin in Gotha.

„Putins Krieg …“ unter dem Kirchenzelt

Normalerweise wäre ich da nicht hingegangen, aber irgendwie hatte es mich gepackt. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs in Wiek, las dort dreiviertel acht abends von der Veranstaltung und bin spontan rüber nach Altenkirchen gefahren. Unweit der Kirche, um 1200 erbaut (ich gehe durch den Kapitänsfriedhof, am Grabe Kosegartens vorüber), ein offenes Zelt, es sind vielleicht hundert Zuhörer da. Die Vorrede des Pfarrers habe ich verpasst, aber ich komme rechtzeitig zum Beginn des Vortrags. Die Frau am  Kassen-Büchertisch erlässt mir die fehlenden fünfzig Cent des Eintritts. Ein ehemaliger Botschafter spricht über „Putins Krieg …“ Was wollte man bei dieser Überschrift schon erwarten. Nun höre ich mir das Ganze an. Da ist die Rede von Putins „großrussischem imperialen Reflex“, von seinem „besonderen Blick auf die internationale Ord-nung“ und groß und breit von seiner Persönlichkeit überhaupt, die im Vortrag des Politikers ganz schlecht wegkommt („einmal KGB, immer KGB“). Was die Nato-Ostweiterung betrifft, habe es das Versprechen, dass sie nicht stattfindet, nie gegeben, das sei ein Mythos. Zur Verstärkung seiner Aussage beruft sich der Vortragende auf die hohe Politik, Gorbatschow habe ihm das in einem Gespräch gesagt.

„Politisch korrekt betrachtet“ (!) sei Putin ein mit Komplexen und Verschwörungs-gedanken gegenüber dem Westen belasteter autokratischer Führer, der in Russland alles allein entscheidet. Dann fällt dieser Satz: „Ich wünschte, wir [ja, er sagte WIR*] wären so raffiniert, wie er glaubt.“ Putin ein Propagandist, aggressiv nach innen und außen, ein Herrscher mit kolonialen Ambitionen, mit der Sowjetunion sei das letzte Kolonialreich zusammengebrochen. – Eine steile Behauptung, wenn man auf die Geostrategie, die Kolonialpolitik der Amerikaner der letzten acht Jahrzehnte sieht. Bei näherer Betrachtung ist die BRD auch nur eine amerikanische Provinz mit einem Prokurator.  * Vgl. Jewgeni Samjatin: „WIR“ (Roman), 1920 geschrieben, dt. Ausgabe: Köln 1958.

Der Botschafter plädiert für das Recht der Nationalstaaten auf Unabhängigkeit und freie Bündnisentscheidung. Man könne die kleinen Staaten nicht allein lassen gegenüber dem Aggressor. Der Pfarrer hat ja kürzlich bei seiner Ukraine-Predigt  sinn-gemäß auch gesagt: „Ob wir Waffen liefern oder nicht, wir kommen da ohne Schuld nicht heraus …“  Man muss sich also entscheiden zwischen Schuld und Schuld. Schlecht, wenn da ein Theologe der NATO-Propaganda folgt und den Satz Jesu außer acht lässt: „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“ (Mt 26, 52). Aber im Westen ist ja alles eitel Gold: Demokratie, Freiheit, Bürgerrechte. Der Botschafter scheint daran zu glauben, der Pfarrer auch. Nach der Krise 2020/22 wollen wir die beiden lieber nicht fragen. Kurzum: was der Vortragende unter dem Anschein von Differenziertheit da geboten hat, war die blanke NATO-Position, das Ganze letztlich eine Agit-Prop-Veranstaltung. Da konnte man gleich die Zeitung lesen … 

Nach neunzig Minuten ist es zu Ende. Die Menge klatscht lang anhaltend Beifall, der im Grunde ein Beifall für Waffenlieferungen ist. Und das unter dem Zelt der Kirche. Da braucht man frische Luft. „Gibt es Fragen?“ Ein Mediziner, wenn ich richtig gehört habe ein Professor, bringt mit weitschweifigen Worten eine kleine Kritik an. Dann meine Wortmeldung. Man will mir das Mikrofon reichen. Ich lehne ab. „Danke, ich brauche kein Mikrofon, ich spreche laut genug“, was ich dann in gebotener Kürze (innerhalb exakt einer Minute) auch getan habe:

Sie titeln: „Putins Krieg“ – ich halte das für eine Hypothese.

(1) Die Russen haben nach 1989/90 Deutschland verlassen, die Amerikaner sind geblieben. Das Rüstungsaufkommen der Amerikaner ist um ein Vielfaches höher als das der Russen. Die Amerikaner haben seit 1945 mehr als zwanzig illegale Kriege angezettelt, sich überall eingemischt, davon spricht keiner. Und wir legen den Fokus auf die Ukraine. Offen auch nach Ihrem Vortrag die Frage: Was suchen die Amerikaner in Europa und zum welchem Zweck stationiert die NATO ihre Raketen so nah an russischem Territorium?!

(2) Sie haben uns ein Psychogramm Putins* geboten. Ich glaube, dass man mit Psychologisierung der Situation nicht gerecht wird.

(3) Letzte Bemerkung und dann gehe ich, ich will Ihre Antwort nicht hören: Wir im Westen sind in Sachen Propaganda auch nicht schlecht, nicht weniger clever. Von wegen Demokratie und Freiheit … Sie sind Politiker, Sie müssen es wissen. Bleibt die Frage, ob man Ihnen vertrauen soll oder nicht. Ich vertrauen Ihnen nicht.“

Im Weggehen höre ich, wie er sagt, dass ja in einer Demokratie für gewöhnlich die Meinung des anderen angehört wird. Das habe ich in anderthalb Stunden wohl zur Genüge getan. Da steht es nach Minuten neunzig zu eins. Im übrigen gibt der Politiker mit dieser Bemerkung zu, dass es sich bei seinem Vortrag nicht um Wahrheit oder auch nur Wahrheitsähnlichkeit, Gerechtigkeit und dergleichen gehandelt hat, sondern eben nur um seine nichtssagende, belanglose Meinung.

* Im Gegenzug zur Psychologisierung Putins könnte man sagen: Amerika – das Land der verlorenen Söhne Europas. Mit einer merkwürdigen Mischung aus Heimatsehnsucht und Neid auf die europäische Kultur. Diesem Komplex ist am 13. Febr. 1945 auch Dresden zum Opfer gefallen. Hat Amerika je von offizieller Seite um Vergebung gebeten für diesen barbarischen Akt – und geopolitisch für Hiroshima und Nagasaki? Die Welt wartet auf ein solches Wort der Buße.

13./20. Aug. 2022

Determinismus*

Der Determinismus (die Erkenntnis: das Universum hat einen Anfang) drängt zur Frage nach der prima causa, der Erstursache, dem Grund des Seins, dem summum ens, dem höchsten Wesen. Nicht entstanden, nicht geworden, keiner Kausaltität unterworfen, keinem Prozess des Werdens und Vergehens, keiner Zeit, keinem Raum. Keiner Relativität. – Die Behauptung, dass Gott nicht sei, ist eine sehr gewagte Hypothese.  

* Vgl. S. 6 u. 14.

12./20. Aug. 2022

Die Kosmologie des Y. N. Harari

Hararis Kosmologie: Wissenschaft, die ihren hypothetischen Charakter bemäntelt. 

* Vgl. die Rezension „Der Homo Sapiens und das Glück. Bemerkungen zu Professor Y: N. Hararis Universalgeschichte“ in: WB Ausg. 40 v. 01. Juli 2022, S. 4 – 21. Harari ist Transhumanist und enger Berater des Great-Resetters Klaus Schwab.

12. Aug./14. Sept. 2022

Urlaubs-Zeit

Leben als Wanderung, als Reise (ein klischeehaftes poetisches Bild). Wir machen Urlaub im Urlaub und planen schon am Ende des Urlaubs den nächsten – Urlaub (congé de famille / à part de la famille): im Grund nur die Fortsetzung, die Verlängerung des Alltags, Alltag in anderer Weise, kein Tapeten-, nur ein Kulissenwechsel.

Das Meer, das Krippenspiel zu Weihnachten, der andere Mensch degradiert zur Kulisse, die ganze Um-Welt, die unter unserer Nichtachtung leidet.

12./13. u. 20. Aug. 2022

Schmetterlinge im Ohr”

Ein Film, durchaus sehenswert, wirft weitergehende Fragen auf: Was geschieht, wenn  Geschwätzige auf einen Schweiger treffen, wenn Langschläfer mit Frühaufstehern Urlaub machen, wenn ein Sprachbehinderter mit Schwerhörigen leben muss … Nach dem Urlaub habe ich den Film im Kino Neustadt/Sachsen ein zweites Mal gesehen (das erste Mal im Zeltkino in Kuhle auf Wittow/Rügen). Der Inhalt, kurz gefasst: Ein Schwerhöriger und ein stummes Kind verstehen sich – ohne Worte. Aber das ist nur die Nebengeschichte. Ich würde mir den Film auch ein drittes Mal anschauen. Mehr will ich nicht verraten.

25. Juli/20. Aug. 2022

Hermeneutik

Wenn die Liebe stirbt, stirbt das Verstehen, kommen die kalten Argumente auf, drängen sich Rechthaberei, Neid, alle Untugenden des menschlichen Ichs dazwischen. Überzeugungen, Meinungen, festgefahrene Gewissheiten, Ideologien haben ihren tiefsten Grund in der fehlenden Zuneigung, in mangelnder Liebe zum anderen Menschen

Begriffe wie „Respekt“, „Toleranz“ sind abgenutzt, gehören abgeschafft, durch andere, bewährte Worte ersetzt: Zuneigung, Liebe, Zuwendung zum anderen Menschen, Achtung, Barmherzigkeit … Wenn es um die Selbsterkenntnis und das soziale Miteinander geht, kommt man schnell zu biblischen Begriffen: Sünde und Vergebung, Barmherzigkeit, Gottvertrauen, „ein jeder achte den anderen höher als sich selbst“ (Philipper 2, 3).

„Ich habe nachgedacht“, sagt jemand. – Nachgedacht? Hoffentlich kritisch über sich selbst, über die eigene Fehlbarkeit (peccator sum) und nachsichtig mit dem anderen. Der Mensch: ein Wesen, das auf Vergebung angewiesen ist …

13. Aug./14. Sept. 2022

Auf der Suche nach Wahrheit

Reine Wahrheit, lautere Wahrheit, leise Wahrheit (Wahrheit brüllt nicht), unbequeme Wahrheit, verschiedene Wahrheiten (mit dem Plural führt Wahrheit sich ad absurdum).

Meine Wahrheit, Deine Wahrheit (auch Possessivpronomina passen nicht zu ihr). Vorläufige Wahrheit? Vorläufiges ist niemals wahr, da fehlt das Bleibende. „Fast“ oder „beinahe“ Wahrheit ist auch keine Wahrheit.  

Zeitlose Wahrheit: zeit- und raumlos, unabhängig von aller Relativitätstheorie. Tiefe Wahrheit (flach kann sie niemals sein). Helle Wahrheit – dunkle Wahrheit (Wahrheit bringt Licht in das Dunkel, steht nicht auf beiden Seiten).

Lichte Wahrheit, die eine Wahrheit. Tausend Worte, dahinter verborgen ein Wort mit Substanz. Und das kommt nicht aus meinem Munde … Der Logos, der am Anfang war. Christus.

Gewissheit – kein Abstraktrum 

Wir haben Wahrheit, Gewissheit, Gerechtigkeit, Hoffnung immer zu allgemein behandelt, als Abstrakta, im Konkreten erst gewinnen sie Gestalt.

Wahrheit muss sich prüfen lassen. Ist sie hell, ist sie lauter, öffnet sie die Augen, gibt sie uns eine Perspektive, scheidet sie sich klar vom Dunkel dieser Welt (vom gottfeindlichen Kosmos im Sinne des Johannesevangeliums) oder – bleibt sie in ihm befangen? Dann ist sie nicht die ganze Wahrheit, und eine halbe Wahrheit ist keine Wahrheit …

Entscheidend, ob einer wirklich Wahrheit will oder sich dem Strudel des Relativismus überlässt, diesem leeren Einerseits-Andererseits, in dem alle klare Erkenntnis untergeht.

13. Aug./14. Sept. 2022

Heureka

Kalte Gewissheit – warme Gewissheit, laue Gewissheit – aufrechte (stolze) Gewissheit, starre Gewissheit – lebendige Gewissheit. Heureka. Endlich gefunden nach wochenlangem Rätseln, dabei ist die Lösung so einfach: Es geht um die Adjektive, um die Eigenschaften, die Art und Weise, die Äußerungsform, die Haltung von Gewissheit. Bisher habe ich über Gewissheit viel zu abstrakt gesprochen (auch in meiner Dissertation zum Thema).

Die Frage ist: Trägt man die eigene Gewissheit und erträgt man die der anderen mit Würde und Anstand, mit offenem Herzen? – Das ist es, aber noch längst nicht auf dem Punkt. Wir sind noch auf der Suche. Soll doch jeder seine Gewissheit haben, entscheidend ist, ob sie mich selbst und den anderen belastet, bedrängt, gefangen hält, ob sie hindert oder befreit, den Weg zu höherer Erkenntnis eröffnet oder verschließt, ob sie von Güte und Barmherzigkeit getragen ist. Gewissheiten, die sich machtvoll gebärden, in steifer Rüstung daherkommen: „Das ist meine Meinung!“, taugen nichts, sind nur ein Panzer.

So soll Gewissheit nicht sein. Eher wie ein saftiger Apfel, den ich dem anderen Menschen anbiete. Willst Du? Beiß rein und sieh, ob er Dir schmeckt. Gib mir doch auch zu kosten von den Früchten Deines Gartens. Heraus aus der kalten Meinungsfabrik – ins Grün.

13./20. Aug. 2022

Der Mensch schuf Gott? (Friedrich Nietzsche)*

Der Fromme spricht

Gott liebt uns,  w e i l  er uns erschuf! –

„Der Mensch schuf Gott!“ – sagt drauf ihr Feinen.

Und soll nicht lieben, was er schuf?

Soll’s gar,  w e i l  er es schuf, verneinen?

Das hinkt, das trägt des Teufels Huf. 

* Friedrich Nietzsche: Gedichte, hg. v. Matthias Mayer, Stuttgart: Reclam, 2010, S. 40/41.

Zum Leidwesen der Kirche (Kolumne)*

                  * Vgl. die Textfassung in der Zeitung „Demokratischer Widerstand“ vom 08. Okt. 2022.

Immer wieder lesen wir in den Briefen des Neuen Testaments von der Gemeinde Christi in Not und Bedrängnis. Der Zweite Thessalonicherbrief, Kapitel 1, preist das standhafte Ausharren in Verfolgungen, spricht von Bedrängnissen, die zu ertragen sind, vom Leiden der Gemeinde als Zeichen des Gerichts. Und hier wird nicht das alte Lied gesungen, dass die Gottlosen alt, groß und stark werden (Hiob 21,7) und die Gerechten leiden müssen. Nein, am Ende werden die Bedränger Bedrängnis erfahren und die Bedrängten Erlösung (2. Thess. 1, 6–7). Darauf wollen wir, die wir Gott die Treue halten, unsere Hoffnung setzen.

Aber wo ist denn die leidgeprüfte Kirche heute und hier in Deutschland? Wo leidet die Kirche, wo ist sie in Bedrängnis? Wir dümpeln doch eher lau vor uns hin. Dass uns im Wohlleben und Jasagen das Salz kraftlos geworden ist, merkt man an allen Ecken und Enden. Es ist wie in früheren Zeiten der Unterdrückung: wer mitläuft hat wenig auszustehen. Oder er merkt es erst lange hinterher, welcher Schaden ihm entstanden ist an Leib und Seele. Es gibt zwei Arten von Bedrängnissen: den offenen Druck von außen, die Zwangsmaßnahmen einer irdischen Macht, und – Irrlehren, zeitgeistige Ideologien, die sich in Kopf und Herz eines Christenmenschen oder der ganzen Kirche einschleichen und dort von innen her wie ein Tumor wirken.

Eine Kirche, die nicht leidet an der Welt, ist suspekt, da stimmt etwas nicht. Ich denke, wir sind einem großen Irrtum aufgesessen, als sei der Weg zum Himmelreich ein Spaziergang, wo wir auf dem breiten Wege dahinschlendern, es uns wohl sein lassen, hie und da in den Kneipen des Zeitgeistes einkehren, gut Freund sind mit jedermann, uns in geistiger Bewusstseinstrübung das Wort Gottes ausreden lassen. Dann stehen wir feuchtfröhlich, zeitgeisttrunken vor dem Himmelstore, niemand hat uns angefeindet. Und plötzlich vom Himmel her eine Stimme, die uns verwundert aufschauen lässt: Sucht Ihr mich? Habt Ihr für mich gelitten, spricht Christus, Euer Leben als Opfer dargebracht?

28. Aug. 2022

Am Ort des Kormorans   

Schwarze Vögel auf den Steinen

umspült vom Salzgeschmack

des Einst und Vorüber

Breiten dem Zeitwind ihre Schwingen

sie zu trocknen

und aufzufliegen wohin wir wissen es

nicht ins Jetzt

Hinter den Wolken  der Untergang

der Sonnen

Schlaftrunken neidet die Mitternacht 

– Oh Mensch! gib Acht! –

dem Tage das Erwachen 

Zögerndes Morgenlicht findet

die Menschheit

im Schlaf.

03. Aug./12. Sept. 2022

Im Anblick des Meeres …

Wann hat mein Vater Rudolf Zenker (geb. am 20. Juli 1923, gest. am 08. Mai 2017) das Meer zum letzten Mal gesehen? – Im Sommer 2016, in Juliusruh oder Nonnevitz/Rügen.

Und wann sehe ich es zum letzten Mal? …

03./19. Aug. 2022

Sag mir das Wort                                                              

Wortquellen – Rinnsale –  Pfützen – Wortkloaken

Blutränder  missbrauchter, abgenutzter,

gehetzter Worte …

Sag mir das Wort, das befreit, vor dem ich mich verneige. Und lies in mir

nicht wie in einer Zeitung. Sag mir das Wort,

ohne den großen Rand, sag es mir ungerahmt. Sag mir das Wort,

das mich umfängt, das Eine, aus dem dunklen

Kosmos der Vielen. Sag mir das Wort, dem keiner

widersprechen kann, wenn es Licht wird – einst …

Sag mir das Wort, halte es nicht zurück,

gib ihm Klang.

Wortlos staune ich ihre Debatten an, der Zeitlauf

revoltiert, meine Uhr geht auf Kontra, ihr Armband zerrissen.

Wasch Dich, Zeit, und nicht nur

das Ziffernblatt. Die ganze Zeit geht baden, verrenkt und verliert sich

im Jetzt.

Sag mir das Wort aus dem Kräuseln des Meeres,

dem Ruf der Seevögel,

dem Goldharz, dem seltenen. Sag mir das Wort von Mund zu Ohr

und nichts dazwischen.

Sag mir das Wort, das befreit, vor dem ich mich verneige. 

09./19. Aug. 2022 (G. Z.)   

[Aus dem Ostsee-Tagebuch 2022; vgl. die Textfassung am Schluss des Beitrags ”Denkfalle Gewissheit. Eine theologische Reflexion” in der Zeitschrift ViER, Heft 6, Nov./ Dez. 2022]

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