Eingangswort
Die WendeBlätter der ersten Generation sind 1990-92 erschienen, die der zweiten Generation unter dem Namen WendeBlätter 2020 bestehen seit dem 10. April 2020 und enthalten ca. 750 Seiten eigene Texte (abrufbar von der Domain www.wb2020.de). Bei dieser 50. Ausgabe vom Juni/August 2023 nehme ich mir als Christ und Literat die Freiheit, überwiegend Theologisches zu äußern. Ich denke, dass wir in allen wichtigen Fragen der Gesellschaft, gerade was das Menschenbild und die Themen Frieden, Freiheit und Verarbeitung von Schuld betrifft, gute Theologie brauchen, dass wir hier ohne den Gottesgedanken, ohne Gottvertrauen nicht auskommen. Daran halte ich fest trotz allen Versagens von Theologie und Kirche in der Krise 2020/22. Auch Umweltschutz geht fehl, wenn wir uns nicht selbst als Geschöpfe Gottes begreifen.
Den Freidenkern unter meinen Lesern hoffe ich die Entscheidung für die Theologie in dieser 50. Ausgabe der WendeBlätter plausibel machen zu können. Zum einen habe ich als Christ unter den Bedingungen des DDR-Sozialismus keinen leichten Stand gehabt, lebte unter einem Regime, das mit seiner atheistischen Religiosität manchen Bildungsweg behindert hat – auch in der Nachwendezeit sehen wir uns, ob Freidenker oder Christ, einem atheistischen System konfrontiert, in dem nun linkes Gedankengut (bzw. Gedanken-schlecht) und Imperialismus einen Komplott eingegangen sind.
Zum anderen kann auch einer, der weder an Gott glaubt noch die Existenz des Diabolos für begründet hält, vielleicht dennoch aus einer Predigt „Zur Realität des Bösen” Erkenntnisse entnehmen, die ihn betreffen (Stichwort: Gutgläubigkeit …). Auch heute, in den Medien der deutschen Nachwende-Gesellschaft, sind wir ja, ob Freidenker oder Christ, massiver atheistischer Propaganda ausgesetzt, wobei man bemerken muss, dass zwischen einer klar am Neuen Testament orientierten Predigt und der herkömmlichen Propaganda eines Staates ein himmelweiter Unterschied ist.
Jedenfalls danke ich der verehrten Leserschaft der WendeBlätter 2020 von Herzen für die in den zurückliegenden drei Jahren erwiesene Treue und Ermutigung. Gottes Segen auch weiterhin Euch allen im Training des aufrechten Gangs!
G. Z.
Gert Zenker: Zur Realität des Bösen. Predigt zum 1. Johannesbrief, Kap. 5,
V. 19 am 18. Juni 2023 Elimgemeinde Zittau
[Eingangsvotum/Wochenspruch:]
Jesus Christus spricht: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will Euch erquicken. Mt 11,28 (Wochenspruch)
Lesung des Predigttextes: 1 Joh 5,17–19
(17) Jede Ungerechtigkeit [jedes Unrecht] ist Sünde; aber es gibt eine Sünde, die nicht* zum Tode führt.
(18) Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt, sondern die Zeugung Gottes [generatio Dei: das Gezeugtsein/die Geburt von Gott] bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an.
(19) Wir wissen, dass wir aus Gott [aus Gott geboren/gezeugt] sind, und die ganze Welt liegt im Argen [im Poneros/im Machtbereich des Bösen].**
Wort des lebendigen Gottes. Amen.
* Das nicht bei Tertullian gestrichen.
** Text der Vulgata: Scimus quia omnis, qui natus est et Deo, non peccat, sed generatio Dei conservat eum, et malignus non tangit eum. Scimus quoniam ex Deo sumus, et mundus totus in malignus positus est [Griech.: o kosmos holos en toh poneroh keitai]. 1 Joh 5,18.19
Ihr Lieben …, [Griech.:] agapätoi tekna tu the-u, Ihr geliebten Kinder Gottes. Friede diesem Hause. In Jesu Namen. Amen.
Ihr habt noch etwas gut bei mir, die letzte Predigt, die ich vor Jahren hier gehalten habe, ging daneben, endete in Konfusion. Das hatte Gründe persönlicher Art und andere. Ein wenig fehlt mir auch jetzt, das gestehe ich offen, der gewohnte Rahmen protestan-tischer Liturgie. Frei zu sprechen wie Euer Pastor Johannes, das schaffe ich kaum. Da bin ich befangen, muss mich auch schützen. – Nun, es geht ja nicht darum, dass ich hier vorn eine gute Figur mache, sondern allein darum, was Gott uns sagen will durch schwache menschliche Worte hindurch. Ja, ich predige hier, knapp über 30 Minuten, es wird nicht langweilig, der Text ist strukturiert, aber Gott ist`s, der das Wort wirken lässt, für jedes Menschenherz in eigener Weise.
Ich bin Gert Zenker aus Sebnitz, Jg. 1953, protestantischer Theologe und Literat, mit Euerm Pastor Johannes und der Elimgemeinde befreundet. Mitglied des Gemeinde-hilfsbundes und der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“. Das ist Bekennende Kirche heute, ich denke, Ihr seid das auch – in anderer Weise. Wenn ich heute etwas Irriges sagen, falsch gewichten sollte, dann kann Johannes, Euer Pastor, dies im Nachhinein korrigieren. Das ist kein Problem, wir kennen uns schon viele Jahre.
Das Predigtthema heute: Zur Realität des Bösen.
[Zunächst:] Vom Vielreden
Es wird viel geredet, in der Großen Politik, auf verschiedenen Demonstrationen überall und auch in den Kirchen und freien Gemeinden. Nicht immer erreichen Worte das, was sie erreichen sollen: Verständigung, oft eher das Gegenteil. Kommunikation – ein großes Wort. Und nicht viel dahinter. Je mehr wir reden, umso weniger verstehen wir uns, umso größer die Missverständnisse. Ich selbst habe mich aus der Not einer schweren, fast fünf Jahrzehnte währenden Artikulations-Hemmung heraus mit etlichen Sprachen beschäftigt. Ein Sprachgenie bin ich nicht, es war alles harte Arbeit – die Sprachfindung selbst eine große Gnade über meinem Leben. Halleluja!
Wenn ich etwas gelernt habe dabei, so ist es eben diese Einsicht in die Begrenztheit des menschlichen Wortes. Vor Gott und Seinem kostbaren Wort sind wir alle nur Stammler. So hat auch Notker Balbulus – im 9. Jahrhundert n. Chr. Mönch von St. Gallen – sich verstanden: als Stammler und Dichter.
* Notker der Stammler lebte von ca. 840 – 912 und wurde bekannt als Schöpfer der Sequenzen (das sind lateinische Hymnen für den Gottesdienst).
Die Bibel sagt: In multiloquio non effugies peccatum (Sprüche 10,19). Frei übersetzt: Beim Vielreden geht’s ohne Sünde nicht ab. Mich persönlich mahnen hier in besonderer Weise diese Verse aus Hölderlins Hyperion, mit denen ich oft beginne und die ich auch hier allem weiteren Reden voranstellen will.
Hyperion an Diotima:
„Ich bringe mich mit Mühe zu Worten. Man spricht wohl gerne, man plaudert,
wie die Vögel, solang die Welt, wie Mailuft, einen anweht; aber zwischen
Mittag und Abend kann es anders werden, und was ist verloren am Ende?
Glaube mir und denk, ich sags aus tiefster Seele dir: die Sprache ist ein großer
Überfluss. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie
die Perle im Grunde des Meers.“
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. Bd 2: Gedichte. Hyperion. Briefe 1794 – 1798, hg. v. Friedrich Seebass, Berlin: Propyläen, 1943, 3. Aufl., S. 236.
Ihr Lieben … Kinder Gottes möchte ich noch einmal sagen, denn das sind wir doch.
Wir wissen es. Dieses wiederholte „wir wissen“, „wir wissen“, das wir eben im Predigttext gehört haben, hat für die Ohren des atheistischen Zeitgeistes etwas Abstoßendes, Provozierendes. Wer wagt schon im Zeitalter des Relativismus, des allgegenwärtigen Einerseits-Andererseits, so klar zu sagen: „Ich weiß“ oder gar im Kollektivum: „Wir wissen“. Die allgemeine Rede ist doch: wir wissen eben nicht, und enthalten uns deshalb auch als Christen jedes Urteils.
Da sind wir an einer Nahtstelle, brechen die Diskussionen auf.
Dabei ist hier doch schlicht Glaubensgewissheit gemeint, eine Gewissheit aus Gottvertrauen, nichts kalt Intellektuelles, kein Rechthaben-Wollen, kein Affront – Glaube, Gottvertrauen ist letztlich kein Gegenstand von Diskussion, aber für die Welt ist unsere Glaubens-Gewissheit ein Skandal (vgl. 1 Kor 1,23). Einfach ärgerlich für eine Welt, wo man den Relativismus, eine verlogene Toleranz und Schein-Neutralität zur Religion erhoben hat. Wir kommen darauf zurück.
NB: Irgendwann, 1986, noch in sozialistischer Zeit, habe ich über das Gewissheitsproblem promoviert, eine Abhandlung geschrieben. Damals ahnte ich nicht, wie wichtig das Thema Gewissheit ist.
Eine Frage hat mich gerade in den zurückliegenden drei Jahren immer wieder beschäftigt, woran es liegt, dass wir in unseren Gewissheitsgefügen, unseren „Meinungen“, wie es landläufg heißt, so fest beharren, uns in so gegensätzliche Überzeugungen verrennen. Jeder möchte Recht haben, und nur ja nichts ändern in seinem Denken. Das ist wie ein Käfig, wir kommen da nicht heraus.
Und das Gefährliche dabei ist: menschliche Gewissheit, auf welchem Gebiet auch immer, neigt dazu, sich auszuweiten, sich zu einer Ideologie, einem starren Gebilde zu verfestigen, am Ende will man die ganze Welt damit beglücken. Ein Handlungsprogramm dazu – und dann fließt Blut. „Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn [sobald] sie die Massen“ verseucht – Pardon: „ergreift“, wie es im Originalzitat heißt [Karl Marx].
Alle starren Überzeugungssysteme enden letztlich in Unterdrückung und Gewalt. Wo Gewissheit gegen Gewissheit steht, ist das oft – gerade auf medizinischem Felde – eine Entscheidung zwischen Leben und Tod. Von vielen Menschen …
Nur in der Glaubensgewissheit des reinen Herzens ist wahrhaft Freiheit, weil auf Höheres gerichtet, aller irdischen Rechthaberei, allem Meinungsgerangel enthoben.
Themapredigt
Bei Euch in der Elimgemeinde Zittau haben Themenpredigten eine gewisse Tradition. Tradition bedeutet Überlieferung, Weitergabe, so wie die Worte Jesu weitergegeben, überliefert worden sind, sonst hätten wir das Neue Testament nicht.
Ich will heute etwas sagen zur Realität des Bösen in dieser Welt (Griech.: en toh kosmoh tutoh), einer Welt, die der Evangelist Johannes als den gottfeindlichen Kosmos begreift, den Ort der Finsternis und Gottferne, der Gottfeindschaft. Auch das eigene Ich ist solch ein Ort, wo Licht und Finsternis miteinander ringen. Das will ich heute nicht ausführen, wir wissen davon. Und kennen auch dieses Trostwort aus Joh 1,5: [Griech.: kai to fohs en tä skotia fainei…] – „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen, kann es nicht auslöschen.
Die ganze Welt in der Gewalt des Bösen
Der Satz, auf den ich mich vor allem beziehen werde, ist dieser (1 Joh 5, 19): Wir wissen, dass wir aus Gott [geboren/gezeugt] sind, und die ganze Welt liegt im Argen [im Bösen/im Machtbereich des Bösen].
Das sind zwei Formen des Wissens, zweierlei Erkenntnisse, nah beieinander und eng verbunden: (1) wir sind aus Gott geboren, haben keinen anderen, höheren Ursprung, und (2) die ganze Welt, der gottfeindliche Kosmos, ist beherrscht vom Bösen.
Zu welcher Generation gehören wir, ein jeder von uns? Wir sind die Generation Gottes (generatio Dei, wie es in V. 18 heißt) – von Gott gezeugt, von Gott geboren. Diese generatio Dei, das von Gott Geboren- oder Gezeugt-Sein, das ist unser wahrer Ursprung, da kommen wir her.
Von Gott gezeugt, nicht aus dem Geist der Zeit. Dieser ist nur die Uniform, die man uns anlegen will. Zeitgeist und Uniform stehen für das, was heute alle glauben und denken.
Die ganze Welt liegt im Argen, ist vom Bösen umfangen [Griech.: o kosmos holos en toh poneroh keitai]. Ein alter katholischer Priester aus der Pfalz, Hermann Kiefer (Jg. 1921, mein Vater war 1923 geboren) hat mir in Wingen/Elsass, wo er im Ruhestand lebte, vor Jahren einmal die Bedeutung dieser Stelle zu erklären versucht. Erlaubt mir diese Abschweifung – drei Minuten – zur Biografie eines frommen Mannes, die keine Abschweifung ist, weil sie zu unserem Thema passt, das ich in Erweiterung so beschreiben möchte: Gotteskindschaft im Angesicht der Realität des Bösen.
Ein katholischer Priester Pfarrer Hermann Kiefer, als „alte Krüppelkiefer“, wie er sich selbst scherzhaft bezeichnete, am Ostersonntag 2015 verstorben in Berlin, wo wir ihn als Familie zuletzt besuchten, war ein naturwissenschaftlich und literarisch hoch gebildeter, im Kletter-sport auch körperlich trainierter Mann. Unter anderem ist er mit Reinhold Messners Vater auf Klettertour gewesen, auch mit dem Abenteurer und Survival-Experten Rüdiger Nehberg war er befreundet – und bei all diesen Gaben (die Kosmologie, der Blick ins All, war sein Steckenpferd) war er von tiefer, demütiger Frömmigkeit und Bescheidenheit.
[Hermann Kiefer]
Als Studentenpfarrer in Landau hat er mit dem Hungermarsch Millionen für Afrika gesammelt, den Kontinent an die dreißig Mal bereist, er konnte Klavier spielen, wunderbar fotografieren – und dazu Gedichte aus dem Sprachschatz deutscher Lyrik frei rezitieren (Hölderlin, Novalis, Wilhelm Müller, Friedrich Nietzsche, Rilke …).
Wenn er seine Diavorträge hielt und dazu Schöpfungsworte aus dem Alten Testament und Gedichte sprach …, das hatte eine unglaubliche Tiefe, die einen zu Tränen rühren konnte, zu Tränen einer tiefen Freude und Gelassenheit.
Rettung
Sein tiefstes Glaubenserlebnis und sein Entschluss, Priester zu werden, rührten von jener Erfahrung her, die er 1945, am Ende des Krieges, als knapp Vierund-zwanzigjähriger, in Gefangenschaft auf den berüchtigten Rheinwiesen machen musste. In den Rheinwiesenlagern, kilometerlang der Stacheldraht, wo er mit hundert-tausenden anderen im strömenden Regen auf der blanken Erde ums Überleben rang, ihm die Realität des Bösen aufging, ihm handgreiflich begegnete – und zugleich diese wahrhaft rettende generatio Dei, dieses aus Gott neu Geboren- und Bewahrt-Sein.
Da stand er, nah am Krepieren, mit vielen anderen im strömenden Regen, und betete verzweifelt um Rettung aus der Not. Und plötzlich überkam es ihn: eine Wärme, die mit einem Male den ganzen Körper erfasste und auch seiner Seele Ruhe gab. Dieses Erlebnis hat er später klar bezeugt, diese unmittelbare Erfahrung der Nähe Gottes, der generatio Dei, die ihn bewahrt und in höchster Not gerettet, letztlich in den Pfarrdienst geführt hat.
Vom Aufrechnen der Schuld
Ja, vor den Rheinwiesenlagern hat es auch auch viel Böses gegeben von deutscher Seite. Dazu der Satz: Jedes Unrecht steht für sich, und keiner kann sich da rechtfertigen mit dem Unrecht des andern. Nach dem Grundsatz der Vergeltung: Du hast meine Familie umgebracht, darum erschieße ich jetzt deine und befreie Dich so von Deiner Schuld. – Das ist absurd und nicht mit dem Satz abgetan, dies sei doch menschlich verständlich.
Es gibt eine Letztverantwortung. Jedes Unrecht, ausnahmslos jedes, von welcher Seite auch immer, wird einst vor dem Richterstuhl Gottes stehen. Und keiner wird da relativieren, sich entschuldigen können mit dem schweren Unrecht des anderen. Nicht um gegenseitiges Aufrechnen, nicht um Vergeltung geht es, wie uns die Politik und Journaillie unaufhörlich einzureden versuchen, sondern um Gnade und Vergebung. – Das wissen wir als Christen, das haben wir in unserem eigenen Leben erfahren. Und von diesem Wissen gehen wir nicht ab.
Wie ist das nun mit der Realität des Bösen? Und wie reagieren wir darauf?
Wenn in 1 Joh 5,19 gesagt ist, dass die ganze Welt im Bösen liegt, vom Bösen durchdrungen ist, ja von ihm beherrscht wird, so ist hier kein Neutrum, nicht allgemein „das Böse“ gemeint, sondern eine Person: ho poneros, der Böse, der Diabolos, der Teufel selbst als Widersacher Gottes. Zur Etymologie: Ho ponos ist im klass. Griech. die Kampfarbeit, Mühsal, Not, die Pein, das Leiden. Der Poneros: der Teufel, der Boshafte, der Lasterhafte, der Verbrecherische, gibt sich viel Mühe, hier auf Erden Not, Leid und Krankheit zu verbreiten!
Wenn wir „das Böse“ nur als Neutrum nehmen, im Sinne eines allgemeinen: „es gibt viel Böses“ auf dieser Welt, verharmlosen wir das Geschehen, begreifen wir es nicht wirklich. Das ist so, als wollten wir auf der andern Seite nicht von Gott und Jesus Christus, sondern nur sächlich von dem Guten reden in diesem allgemeinen Sinne: „Es gibt viel Gutes auf dieser Welt“.
„Das Gute“ – zu solch einem konturlosen, abstrakten Neutrum kann der Mensch kein wirkliches Vertrauen entwickeln, das ist kein wahres Gegenüber, kein Wesen, mit dem ich sprechen kann und von dem ich etwas mitgeteilt bekomme, eine gute Nachricht als Rettung für mein Leben. Das Gute als Neutrum ist völlig gesichtslos, letztlich konturlos, inhaltsleer. Man kann es mit allgemeinem Humanismus füllen, aber auch davon wird es nicht lebendiger. Mit dem Bösen ist es ähnlich. Als Neutrum: „das Böse“ lässt es sich nicht fassen. – Reden wir also von dem Bösen als einer Person.
Es geht um Zweierlei: um Gotterkenntnis und um klare Erkenntnis des Bösen. Gott oder der Teufel – das ist letztlich die Frage. Und da ist nichts dazwischen. Vor Verteufelung von Menschen, von Gottes Geschöpfen, sollten wir uns allerdings hüten. Und hier ist eine große Schwierigkeit angedeutet. Der Relativismus, von dem der verstorbene christliche Philosoph Günter Rohrmoser einmal gesagt hat, dieser sei die Religion der Moderne, wird hier sofort einhaken: so klar ist der Unterschied zwischen Gut und Böse nicht. Alles ist relativ.
Mit solcher Religion des Relativismus kann man dann auch das Evidente, den klaren Augenschein leugnen und verwischen: den Unterschied zwischen dem, der schlägt und dem, der geschlagen wird.
Ein modernes Verfahren: Aus gut wird böse, aus böse gut
„Das Beunruhigende ist nicht die Perversität der Bösen, sondern die Gleichgültigkeit der Guten“ (Zitat Martin Luther King). Das klingt ja so, wie wir als Kinder über Filme gesprochen haben. Da kämpften die Guten gegen die Bösen, und die Guten gewannen.
Als geübte Relativierer und als Christen sagen wir: niemand ist nur gut oder nur böse, alle Menschen sind Sünder, und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. Richtig. Aber wie würde wohl M. L. King, wenn er noch lebte, angesichts des brutalen Apartheidsregimes damals in den USA auf solchen Relativismus reagieren? – Wenn wir aber das offensichtlich Böse nicht mehr böse nennen können und das offensichtlich Gute nicht mehr gut, ist das eine fatale Situation. Hier sind wir wieder bei den Schwierigkeiten des Neutrums: „das Gute“ und „das Böse“. Man muss die Person suchen, die dahinter steht. Sonst bleibt alles konturlos, leer.
Eure Rede sei: Ja, Ja oder Nein, nein, was darüber ist, das ist vom Teufel (ek tu poneru estin / Mt 5,17) – ein klares Wort gegen allen zeitgeistigen Relativismus. Jesus selbst hat in der Versuchungsgeschichte den Widersacher als Person klar erkannt und all seinen Lockungen widerstanden. Modern ist es, mit Jesu Sühnetod am Kreuz und mit der Auferstehung auch die Sünde und den Teufel zu leugnen. Der Versucher in der Wüste sei nur die innere Stimme Jesu gewesen, so etwas hört man heute auch von Theologen. Wenn wir sagen: es gibt keinen Teufel oder sein Wirken auch nur verharmlosen, dann kann er im Verborgenen – als Diabolus absconditus – in Ruhe wirtschaften. Zugespitzt formuliert: Den Teufel in seiner Existenz leugnen, heißt ihn anbeten. Dieses Wort hat Hermann Kiefer oft zitiert.
Gemeinde Jesu Christi oder Pilatus-Kirche? Wir haben eine Kirche, freie Gemeinden inbegriffen, die auf die Pilatusfrage: „Was ist schon Wahrheit?!“ (Quid est veritas?“, vgl. Joh 18,38) zurückgefallen ist, über sie nicht hinauskommt. Pilatus war es letztlich, der Jesus verurteilt hat, Jesu klares Jaja oder Neinnein. In unserem zeitgeistigen Relativismus machen wir uns zu Komplizen des Pilatus und verurteilen Jesus mit, sitzen über Ihn zu Gericht.*
* Dieser Passus erscheint hier als Nachtrag, gehörte mit zur Vorbereitung, wurde im Vollzug der Predigt jedoch vergessen.
Halbzeit [der Predigt] … – Und nun:
Zur Wahrnehmung der Realität des Bösen. Ich male jetzt den Teufel an die Wand, wir legen das Kreuz darüber, so hat er keine Chance. – Im Bilde gesprochen … Wenn der Böse seine Fratze zeigt, neigen wir dazu, uns abzuwenden. Das ist ganz natürlich.
Das himmelschreiende Leid der geschundenen Kreatur, die Not der Gequälten und Verfolgten, das Leid der Sterbenden, die stummen Schreie der ungeborenen Kinder (all das geschieht auch jetzt, während ich hier rede …), dieses verzweifelte Schreien – kein Mensch könnte das auch nur eine halbe Minute aushalten. Er würde daran seelisch zerbrechen. Nur Christus hat sich nicht abgewandt. Er hat das alles gesehen und gehört, mit hinauf genommen an das Kreuz. Die ganze Not der Welt, alles Kriegsgeschrei. Nur Gott selbst kann das aushalten, die Fratze des Bösen zu schauen.
Erkenntnishindernisse
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Röm 12,21) – Ja, aber dazu muss ich das Böse erst einmal erkennen, und den Bösen, den Poneros, der dahinter steckt.
Wichtig für uns Menschen, die Realiät des Bösen in dieser Welt wirklich wahrzunehmen, hinter die Masken des Widersachers zu schauen. Und nicht zu meinen: „Nein, das glaube ich nicht, so abgrundtief böse können Menschen doch nicht sein.“ Solche Gutgläubigkeit ist verhängnisvoll. Hier liegt ein großes Erkenntnis-hindernis auch in der Gegenwart. – Im guten Glauben, im Gottvertrauen soll ein Christ leben, wo er sein Vertrauen auf Menschen richtet, gerät er leicht auf Abwege, in die Fänge des Bösen, der sich so geschickt maskiert, dass er mit hohen Idealen daherkommt, mit der Maske von Freiheit, Selbstbestimmung, Solidarität, Nächsten-liebe … Die Gutgläubigkeit steht der Gleichgültigkeit näher als wir denken.
Uns muss klar sein: Dem Teufel ist jedes Mittel recht, jede Maske, jede Lüge, jedes Menschenopfer. Ein großes Erkenntnishindernis liegt darin, dass wir so viel Bosheit, so viel Skrupellosigkeit, so viel dreiste Lüge, so viel Inszenierung des Bösen einfach nicht für möglich halten. Anders gesprochen; dass wir zwar im Allgemeinen wissen, was Sünde ist, aber insgesamt vom Menschen noch viel zu gut denken oder, noch anders formuliert, von der Sünde, diesem tiefen Gespaltensein des Menschen, dem inneren Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Teufel keinen klaren Begriff haben.
Ein blasser Sündenbegriff und seine Folgen
Ausgehend von einem blassen Sündenbegriff und dem daraus resultierenden illusorischen Menschenbild unterschätzen wir leicht die Machtbesessenheit, die Herrschaftsgelüste, die ungezügelte Profitgier, die über Leichen geht, wo der Tod von ein paar Millionen Menschen keine Rolle spielt. Haben wir aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts nichts gelernt, hier nicht die Fratze des Teufels deutlich genug gesehen? Warum leugnen wir dann so hartnäckig seine Wirksamkeit heute und stecken den Kopf in den Sand einer allgemeinen Frömmigkeit.
Wir können nicht beides zugleich: fromm sein, im besten Sinne des Wortes, tiefe Bibelkenntnis, hohes Gottvertrauen, ein Herz für den Mitmenschen haben – und zugleich die Realität des Bösen verharmlosen. Kennen wir uns selbst so wenig, diesen Widerstreit zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel in uns, und wie oft der Widersacher den Sieg davonträgt in einem Menschenleben?
Sünde zum Tode?
Es gibt eine Sünde, die nicht zum Tode führt, heißt es in 1 Joh 5,17. Man kann das nicht mit dem Kirchenvater Tertullian auch weglassen. Ja, es gibt eine Sünde, die zum Tode führt. Grundsätzlich führt alle menschliche Sünde, ob groß oder klein, ob die meine oder die eines anderen, zum Tode, weil Trennung von Gott aus neutestamentlicher Sicht dem Tode gleichgesetzt wird. Wenn ein Mensch stiehlt, lügt, die Ehe bricht, Gott missachtet, handelt er gegen Gottes Gebot und ist dem Tode verfallen – wenn da nicht Gottes Zusage von Gnade und Vergebung wäre.
Welche Sünde zum Tode führt und welche nicht, dazu stellt der 1. Johannesbrief keine Liste auf, das ist auch gar nicht möglich, hier hat Gott das letzte, entscheidende Wort. Wenn es eine Sünde zum Tode gibt, Sünde in höchster Potenz, dann dort, wo Gott offen bespuckt und gelästert wird. Aber Christus selbst hat sich noch am Kreuz lästern lassen … Und sich dann hingegeben für die Sünde der ganzen Welt. Auch für die Sünde der Ignoranz, der Gutgläubigkeit, des Sich-Abwendens, des Nicht-erkennen-Wollens, der Verharmlosung von offensichtlich böser, teuflischer Realität.
So sehr hat Gott die [von ihm geschaffene] Welt geliebt [und die Menschen darin], dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben Joh 3,16 (Griech./Dt.)
Der Blick zurück im Zorn
Wir schauen gern zurück und zeigen mit dem Finger auf vergangene Zeiten, dabei sind wir im 21. Jahrhunderts nicht besser als die vor uns. Mit anderen Worten: Die Historisierung des Unrechts macht blind für die Gegenwart. Es gilt, das Faschistoide in der heutigen Zeit, der unmittelbaren Gegenwart, wahrzunehmen und klar zu benennen. Das ist freilich keine leichte Aufgabe. – Zumal wir auch als Christen in unseren Meinungen, die wir für die eigenen halten, stark von außen her geprägt sind. Wir machen uns keinen Begriff, wie sehr wir in unserem Bewusstsein von der Macht äußerer, medialer Einflüsse geformt und gelenkt sind.
Ich warne hier als Christ und als sozialkritisch denkender Mensch: Jedes System, ausnahmslos jedes, hat seine Sprachrohre und bedient sich ihrer zielgerichtet, mitunter skrupellos. Das war im 20. Jahrhundert so und ist heute nicht anders. Das sage ich ganz unabhängig von der Beurteilung, ob wir in unserem Lande und in Europa ein gutes System haben oder ein böses, ob es den Namen Demokratie verdient oder nicht.
Zur Spaltung von Kirche und Gemeinde
In jedem Herrschaftssystem geht es um gezielte Bewusstseinsprägung, um Dinge, die immer wieder gesagt und der Masse unterbreitet werden. Da wird gezielt ausgewählt, gewichtet, unablässig wiederholt, weggelassen. Nicht die Wahrheit trägt hier den Sieg davon, sondern die Aussage-Absicht, wie man möchte, dass die Menschen denken sollen. Das muss uns klar sein, sonst tappen wir in die Falle.
Mittlerweile sind wir in einer Situation, wo ein Mann wie ich auch unter Christen schweigen muss oder nur durch durch die Blume reden kann, so wie das meine Großeltern in den dreißiger Jahren getan haben und ich selbst es gehalten habe im Sozialismus. Die Spaltung von Kirche und Gemeinde im Beginn der 20er Jahre unseres Jahrhunderts ist eine höchst beschämende und beklagenswerte, den Zusammenhalt bedrohende Geschichte, unter der wir letztlich alle leiden. Und da helfen keine Argumente, jeder wird das, was der andere sagt, nur in Auswahl hören, den Rest in sein eigenes Welt- und Menschenbild, das eigene Interpretationsgefüge einbinden, und damit letztlich ad acta legen. Eine solche kirchliche Situation (und da sind die Freikirchen mitgemeint) hatten wir schon einmal.
Wir stehen im Kirchenkampf …
Faschistoides heute
Da gibt es eine ganze Menge, nicht über alles kann man reden. Was fällt uns als Erstes ein? – (I) Die Massivität des Abtreibungsgeschehens, ein Dauer-Reizthema bis heute. Da braucht es viel, viel Vergebung. Die Hälfte aller Todesfälle weltweit haben wir durch Abtreibung, das wissen die meisten nicht. Und was in manchen Bundesländern der USA in den 60er Jahren böse Realität war, das streben Extremisten in unserem Lebensumfeld auch heute an: Abtreibung bis zu einem Tag vor der Geburt …
Da verschlägt es einem die Sprache. Und was geschieht mit dem organischen Material der vertriebenen Kinder? Wer fragt ernstlich danach? Am Ende machen wir soap und makeup daraus und bringen uns das wieder auf die Haut. – Verzeiht, ich spreche von der Realität des Bösen. Auch Christen geraten leicht in die Fänge falscher Ideale von Freiheit und Selbstbestimmung, sind mit ihrer Gutgläubigkeit oft eine leichte Beute für den Geist der Zeit.
Wo das Ungeheuerliche geschehen ist, unumkehrbar, und ein Mensch (ob Mutter oder Vater) aufrichtig bereut, im Nachhinein große Gewissensnöte empfindet, gibt es nur eines: den klaren Zuspruch von Gnade und Vergebung. Siehe, ich mache alles neu … Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden (vgl. 2 Kor 5,17). Gehe aufrecht Deinen von Gott bestimmten Weg und hüte Dich vor dem Geist der Zeit, lass Dich nicht blenden.
(II) Ein anderes Beispiel für Faschistoides heute. Auf der Erde blüht der internationale Organhandel. Das ist ein Riesengeschäft. Ein Mensch soll mit all seinen Fasern und Organen so an die zwei Millionen Euro wert sein, heißt es. Hat jemand von Euch einen Organspender-Ausweis? Ich kann nur davor warnen. Freilich wird das alles unter dem Namen von Humanität angepriesen und – verkauft, etwa so: „man muss doch anderen Menschen helfen!“
Ich sage nur einen Satz, alles Weiterdenken ist eine Frage der Logik und des näheren Nachforschens: Lebendige Organe kann man nicht einem toten Körper entnehmen … [Rep.*]. Was ich dringend empfehle, sich einen ausgefüllten, notariell beglaubigten Nicht-Organspenderausweis in die Brieftasche zu legen und ihn in Deutschland, und auch im Ausland, immer bei sich zu tragen. Das Risiko, dass er nach einem Unfall einfach verschwindet, ist noch groß genug … Und schützt Eure Ange-hörigen, auch bei vorgeblichem „Gehirntod“ hat der Mensch noch Empfindungen …
* Rep[etitio] steht für die Wiederholung eines Satzes im mündlichen Vortrag.
Zwei Beispiele für die Realität des Bösen heute, das genügt. Zu anderen schwerwiegenden, durchaus faschistisch zu nennenden Eingriffen in die Schöpfung, in die menschlichen Gene – und ins menschliche Bewusstsein (Stichwort MKULTRA, ein amerikanisches Programm) will ich nicht reden, mich auch nicht zu der Krise 2020/22 äußern. – Halten wir die Augen offen, als Christen haben wir doch ein klares Fundament für den Schutz, die Bewahrung gottgeschenkten Lebens.
Märtyrer
In Gaußig/OL gab es bis zum 16. Juni eine Wanderausstellung zu christlichen Märtyrern, Blutzeugen des Glaubens. Christliche Märtyrer des 20. Jahrhunderts: Orthodoxe, Katholiken, Protestanten, Freikirchler haben für die Benennung offensichtlich böser Realität ihr Leben dahingeben müssen, sind zum Teil von ihren eigenen Mitpastoren verraten worden. – Aufgefallen ist mir: da wurde Wahrheit nicht relativiert, sondern immer wieder von der Notwendigkeit gesprochen, die Wahrheit zu bezeugen, in zweifacher Weise: (1) Christus selbst als den Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6) – und (2) auch die Wahrheit der Realität des Bösen in einem ausgesprochen Glaubens- und gottfeindlichen Machtsystem.
Dunkle Themen … So etwas wollen wir nicht hören, da wenden wir uns ab. Und es gibt noch mehr Beispiele dieser Art. Ganz aktuell. Ich verzichte darauf, sie auch nur zu erwähnen. – Woher die Scheu? Was kann uns passieren? Wir müssen der Realität des Bösen nicht ausweichen. Wir sind Christen, und gehen auf das ewige Leben zu.
Meinungen und Medien
Meine Empfehlung für christliche Existenz hier und heute: Werft Eure Meinungen weg, die Ihr für Eure eigenen haltet, Eure starren irdischen Gewissheiten, auf die Ihr so stolz seid, und fangt wieder neu an zu denken, unterwerft Euch als Christen nicht irgendeiner Ideologie, einer festgefügten Weltsicht, einem falschen atheistischen Menschenbild, irrigen Heilsvorstellungen. – Vieles, was einem auf solch kritischem Erkenntniswege begegnet, wird einem nicht gefallen, manchmal stehen einem die Haare zu Berge. Nur nicht naiv, nicht so gutgläubig den Mächtigen dieser Welt und deren Verlautbarungen gegenüber, das führt in die Irre.*
Vgl. dazu meinen Beitrag „Meinung – Information – Propanda“ in WB Ausg. 38 v. 08. Mai 2022, S. 19, zu finden unter www.wb2020.de.
Und auf falscher Spur sind wir mit Sicherheit immer dort, wo wir gedankenlos nachsprechen, was man uns in breiter Ausstrahlung als Wahrheit präsentiert. Die Glotze ist ein Götze, vor dem täglich auch Millionen Christen ihren Kniefall machen. [Nachtrag:] Und es gibt noch einen anderen, kleineren Götzen, mit dem ist es nicht anders.
Frieden?
Auch dieses Wort bin ich Euch schuldig … Jedem Kinde, das sich beklagt bei einem Streit, sagen wir: fass Dich zuerst an Deine eigene Nase und vertrage Dich mit Deinem Bruder, mit Deiner Schwester. – Was aber wird uns in der großen Politik und in den Medien vorgelebt: Unversöhnlichkeit, Rechthaberei, Schuldzuweisung, Verteufelung des anderen. Hier herrscht ein ganz rüder, waffenstarrender Ton. Mit Schlag- und Knüppelworten ist man da schnell zur Hand.
Insofern sind wir durch unsere Medien schlecht informiert, schlecht beraten. Die Politik gibt unseren Kindern mit ihrer waffenstarrenden Rhetorik kein gutes Vorbild [Rep.]. Audiatur et altera pars, sagt ein römisches Sprichwort. Es sollte immer auch die andere Seite gehört werden. Und eben das tut man offiziell nicht … – In summa die Empfehlung: Man erkenne und prüfe den Anteil eigener Schuld. Das wäre mal etwas Neues im Westen. Die meisten ahnen ja gar nicht, auf welchem Pulverfass wir sitzen.
Geständnis
Ja, das gestehe ich als Protestant mit Beschämung ein: auch Kirche hat sich schuldig gemacht in der Geschichte, immer wieder. Und immer dort, wo sie sich mit weltlicher Macht verband, sich von ihr vereinnahmen und das WORT verbieten ließ.
Auch die Freikirchen sitzen da mit im selben Boot. Warum seid Ihr so kleingläubig?, sagt Jesus. – Macht euch nicht dieser Welt gleich, dient nicht ihrem Schema, geht nicht konform [nolite conformari huic saeculo / mä sys-chematitzete toh aiohni tutoh …]. Das ist ein wichtiger Grund-Satz aus dem Neuen Testament. Paulus schreibt im Römerbrief, Kap. 12,Vers 2 (vgl. Eph 4,23; Eph 5,10 ff.):
Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Von Gott her kommend, ist das (ethisch) Gute kein belangloses Neutrum mehr, sondern gefüllt mit Gottes Geist. Ja, als Christen stehen wir in einer geistigen Auseinander-setzung. Die Frage ist, ob wir den Einflüsterungen eines betrügerischen, wider-göttlichen Zeitgeistes folgen, und damit letztlich dem Antichristen – oder uns von Gottes Geist leiten lassen.
Zur EKD, zu gewissen Bischöfen und Kirchentagen verliere ich in diesem Zusammenhang keine Worte, das alles ist einfach zum Schämen. Kirchentag in Deutschland – völlig auf den Hund gekommen. Der Heilige Geist gegen den Zeitgeist ausgetauscht. Da konzentriere ich mich lieber auf Kirche und Gemeinde vor Ort, aber auch hier wird man enttäuscht … Man leidet immer am meisten unter Seinesgleichen, unter Gleichgesinnten. Zeitgeist oder Gottes Geist, da ist nichts dazwischen. Die der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. – Als Schluss-Votum vier Verse aus dem 1. Johannesbrief:
Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns den Sinn dafür gegeben hat, dass wir den Wahrhaftigen erkennen. Und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.
1 Joh 5,20
Kinder, hütet euch vor den Abgöttern. 1 Joh 5,21
[Schluss-Satz des 1. Johannesbriefes]
Habt nicht lieb die Welt [nolite diligere mundum] noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. 1 Joh 2,15
Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; [Griech.:] kai hautä estin hä nikä hä nikäsasa ton kosmon, hä pistis hämohn – unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1 Joh 5,4
Schreiben wir uns doch diesen Sieg, diese Nike, auf unsere T-Shirts!
[Schlusswort Russ./Dt.:] Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe – diese Drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen. 1 Kor 13,13
Vaterunser. Amen.
10. –18. Juni/bearb. 19. Juni 2023 [Vgl. die Videoaufzeichnung bei YouTube.]
Sanftmut zirkulös
„Selig sind die Sanftmütigen …“ (Mt 5,5). – Ein Freund amüsiert sich über diesen Geburtstagsgruß, weil er meint (vielleicht irrt er ja), Sanftmut sei eben nicht seine Stärke. – Und was ist mit Dir?, kontert der Freund.
Mit dem Schau-doch-mal-auf-Dich-selbst-Argument kann man wunderbar ablenken – von sich selbst. Bleiben wir beim Thema: Haben wir nicht eben von Dir gesprochen?
03./04. April 2023
Gottesidee und Weltveränderung
Das Wunder der Gottesidee in uns, dass wir überhaupt Gott denken können: dem Philosophen Descartes (1596-1650) war das ein klares Argument für die Existenz Gottes. – Gott hat uns das Gottvertrauen geschenkt. Gibt man ein Geschenk zurück? Die Welt zum Guten verändern wollen und zugleich auf Gott spucken – das läuft so nicht. Da ist das Scheitern vorprogrammiert.
24. Dez. 2022/05. Juni 2023
Gott denken – Gott vertrauen
Was der eine mit mit einer Handbewegung abtut, das hat einen anderen in lang- jährigem – unter den Augen der Welt sinnlosem – Mühen um Glaube und Theologie beschäftigt, wichtiger noch: das ist ihm über Jahrzehnte Lebensinhalt gewesen, bis auf den heutigen Tag.
Du kannst sagen, lieber Freund, dass Dich Glaube, Theologie und Kirche nicht interessieren, dass Du davon (und so im Grund auch von mir, meinem Leben) nichts wissen willst. Das ist Dein gutes Recht. Aber steht Dir dann, wenn Du nicht weißt, was Gottvertrauen ist, überhaupt ein Urteil auf diesem Felde zu? – Nun gut, auch wenn man kein Bäcker ist, darf man sagen, dass einem die Brötchen aus diesem Laden nicht schmecken. Aber man wird dann nicht die ganze Bäckerinnung und deren Beruf verdammen.
18. Mai 2023 (Himmelfahrt)/20. Juni 2023
Zitat: Säkulare Intoleranz und religiöses Analpha
„Secular intolerance is a sweeping concept that goes by many names.” Säkulare Intoleranz ist ein umfassendes Konzept, das unter vielen Namen läuft. – Dieser Satz findet sich am Anfang eines Artikels mit der Überschrift: „Death by a thousend cuts” (Tod durch tausend Schnitte oder Tausendfacher Tod), in dem es um religiöse Freiheit und moderne Christenverfolgung geht. Im Untertitel heißt es: „Perceptions of the nature and intensity of secular intolerance in Western Europe” – „Wahrnehmungen des Wesens und der Intensität säkularer Intoleranz in Europa”.
„A key point mentioned in all our interviews … is the alarming level of religious illiteracy among policymakers, journalists, academics and judges, which reflects the advanced degree of secularization of Western society. This widespread religious illiteracy is of concern because it leads to considerable misunderstandings of religion (and especially how religion informs behavior), which translates into public policies and court rulings that fail to take into account matters of importance to religious people …”*
* Denis P Petri; Ronald R. Boyd MacMillan: Death by thousand cuts. Percdeptions of nature and intensity of secular intolerance in Western Europe. –In: international journal for religious freedom [ijrf], Volume 13, Issue 1/2 2020, S. 37 – 53, hier: S. 41. 20. Juni 2023. Gefunden habe ich diese Zeitschrift bei der oben (S. 15) erwähnten Märtyrer-Gedenkausstellung in Gaußig/OL.
„Der in all unseren Interviews zu erwähnende Kernpunkt ist das alarmierende Niveau religiösen Analphabetentums unter politischen Entscheidungsträgern, Journalisten, Akademikern und Richtern, das den fortgeschrittenen Grad der Säkularisierung der westlichen Gesellschaft widerspiegelt. Dieses weit verbreitete religiöse Analpha-betentum ist besorgniserregend, weil es zu beträchtlichen Missverständnissen der Religion führt (und besonders wie Religion das Verhalten bestimmt), was sich auf die öffentliche Politik und Gerichtsentscheidungen auswirkt, die nicht in der Lage sind, Dinge zu berücksichtigen, die religiösen Menschen wichtig sind.” [Übers. G. Z.]
M. a. W.: Gerade bei den so genannten Intellektuellen begegnet in unserer säkularen Gesellschaft einerseits eine weit verbreitete Ignoranz und Interesselosigkeit religiösen Inhalten gegenüber, die es de facto unmöglich macht, einen Roman wie Dostojewskis „Schuld und Sühne” in seiner Tiefe wirklich zu verstehen (mit bloßer Psychologie kommt man da nicht weit) – andererseits ein hoher Anspruch, eine fatale Selbstsicherheit des Urteilens über Glaube, Gott und Kirche. Das ist ein Missverhältnis. Wovon man nichts versteht, darüber sollte man schweigen, sich des Urteils enthalten.
20. Juni 2023
Schlag – Zug – also …*
Er schlug ihn. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Der Geschlagene sah sich geschlagen und mit schlagverzerrten Zügen schlug er schlagfertig zurück. Zug um Zug wurde aus den Schlägen eine Schlägerei. Die Schläge des Schlagenden zogen die Schläge des Geschlagenen nach sich und die Schläge des Geschlagenen die Schläge des Schla-genden, der nun seinerseit zum Geschlagenen wurde.
Und ziehende Schläge gruben sich Schlag um Schlag in die Züge des Geschlagenen und die des Schlagenden ein.
Wie die Geschichte sich weiter-zog, man sich weiter-schlug?
Nun also –
* Zu den Worten Zug, Schlag und also vgl. Mark Twain: The Awful German Language. –In: Your Personal Mark Twain. Seven Seas Book 7, Berlin: Seven Seas Publishers, 1961, S. 94–115, hier: S. 105.
22. 06./02. 07. 1998, vor 25 Jahren … (G. Z.)