Vorwort zu den vielen Worten
Unterwegs erfreut man sich an manchem Gedanken, findet ihn schön, der sich dann im Nachhinein – als banal erweist. So erlaube ich mir auch Banales, nach der Gedankenschwere der 50. WendeBlätter-Ausgabe nun bewusst leichtere Kost. Wer schreibt, er mag sich noch so gut hinter Worten verstecken, offenbart auch Privates. Das gehört mit zum Handwerk. – Am 15. September, dem „Tag der Demokratie“, werden sich wieder viele als Demokraten auf-spielen, von Demokratie schwätzen. Diktatoren und Hilflose im Schafspelz von Demokratie. Mein Multiloquium, mein Vielreden (32 S. immerhin) ist da hoffentlich besser zu ertragen.
Mit herzlichem Gruß G. Z. Sebnitz, am 29. Aug. 2023
Die Hinfahrt: Mittwoch, 05. Juli – Sonntag, 09. Juli 2023
Beschwernisse …
Der Schatten am Beginn der Reise (die Briefkasten-Frage). – Man fährt nie unbeschwert. Alles andere ist Illusion. Mit kompletter Fahrradausrüstung? – Das Abenteuer liegt im Provisorischen. Das ganze Leben ein Provisorium. Entdeckung in Rumburk: Ich fahre auf dünner Luft, auf dünnen Reifen. Und überall liegt Glas. Ich fahre auf dünner Luft und doch komme ich irgendwann irgendwo an.
Am Bahnhof in S.
Einen Tag vor der Neueröffnung der Bahnlinie Seifhennersdorf – Zittau hat ein Brandstifter den Bahnhof abgefackelt. Wollte er nicht, dass hier wieder Züge fahren? Bahnhöfe: einst der Stolz eines Ortes … Vor kurzem hat sich ganz in der Nähe jemand vor den Zug geworfen. Am alten Bahnhof eine schnatternde Mädchenschar. – Lasst sie schnattern, Hauptsache, sie spielen nicht die ganze Zeit mit diesem Außenhirn … Auch der Zug 8.15 Uhr fällt aus, stellt ein Jugendlicher fest, so etwas erfährt man heutzutage nur noch über das Handy.
Es geht heute etwas durcheinander mit der tschechischen Bahn, denn heute und morgen ist Feiertag bei den Nachbarn. Aus welchem Anlass? – Was wissen wir schon voneinander. Schnell nachschlagen im Netz. Das heißt dann „Bildung“.
05. Juli/28. Aug. 2023
Lehrer und Schüler
Neben mir im Zug von Seifhennersdorf über Varnsdorf nach Zittau eine Lehrerin (sie ist es gern, man sieht es ihr an) und eine jung gebliebene Mutter (Ärztin, um die 40 Jahre alt, früher war sie selbst Schülerin der ersteren). Sie erzählt von einem Kollegen, der den späteren Ministerpräsidenten Kretschmer als Schüler hatte. Michael* soll sehr zielstrebig gewesen sein.
* Hebr.: Mi-ka-el, übersetzt: Wer ist wie Gott? – Eine rhetorische Frage. Die Antwort: keiner.
Die Lehrerin bleibt beim Aussteigen an einem Sitzgurt hängen, ich helfe ihr beim Entfitzen. – In Großschönau steigt eine füllige junge Frau mit großen Brüsten zu, sie ist schön. Als sie gähnt, wird sie hässlich. Von einem Augenblick auf den andern …
Am Mittwoch, dem 05. Juli 2023, 13.15 Uhr Beginn der Fahrradreise in Zittau* (ca. 700 km bis Nonnevitz/Rügen).
* Mit dem Pfadfinderliede „Aus grauer Städte Mauern ziehn wir durch Wald und Feld …“, etwa 1910 geschrieben (vgl. Die Mundorgel, Waldbröl: Mundorgel-Vertreib, 1984, 2. verbesserte Aufl. der Neubearbeitung von 1982, Nr. 170).
Vor und hinter dem Seuchenzaun
Begegnung mit Tieren unterwegs: Störche, Rehe, Hasen. Und Wildschweine, die hinter dem endlosen Seuchenzaun gegen die afrikanische Schweinepest rascheln. – Die Stille der Landschaft, der ganzen Gesellsch hinter Görlitz. Wie nach einer Truppenübung. Was war da eigentlich? Ein Virus? Wo ist es geblieben? Erst großer Klamauk und dann plötzlich diese Stille, auf einmal verdächtig – nichts. … Merkwürdig.
Irrfahrt in Forst (Irrtum in der Fahrtrichtung). Vom Kegeldamm in Forst bis nach Guben: zerstörte Brücken entlang einer Grenze, die früher keine Grenze war … Vegetation auf dem Damm des Fahrradweges: gelb gelb gelb, weiße Dolden, ein wenig Blau, dann wieder Gelb. Dazu das Violett des Sauerampfers, zwischendrin, vereinzelt: ein kräftiges Rot – vom Klatschmohn.
06. Juli/ 29. Aug. 2023
Forst: die geteilte Stadt, jenseits der Neiße: Wüstung …
Guben: wirkt wie eine Stadt, die Spuren der Zerstörung getilgt, das Stadtzentrum lag auf der anderen Seite der Neiße …
Störche, die keine Kinder mehr bringen (Ostseeboten der Kindheit …).
An der Oder: Brückenstümpfe der Geschichtsvergessenheit. So sieht Geschichtsverarbeitung aus …
Das Oderbruch mit Brückenstümpfen irriger Geschichte. Stalins Grenzziehung. Was kann die Oder dafür, dass man sie zum Grenzfluss gemacht hat …
06./13. Juli 2023
Vorwärts, und nicht vergessen …
Will man vorwärts kommen, darf man nicht allzu oft anhalten. – Die schnellen Radfahrer in voller Montur, ohne Gepäck, nur sich selbst auf ihrem Rennrad. Sie halten und sehen noch weniger als ich. Die Autofahrer auf ihren langen Touren, auf den Trassen, sehen – gar nichts.
Auch-Du:
„Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein …“ (das oft missbrauchte Argument). – Da spricht Jesus in Vollmacht als Mahner und Richter. Wenn wir Gottes Wort zum menschlichen Argument, zum Argument der Selbstrecht-fertigung machen, hört es auf, Gottes Wort zu sein.
[Idee und Struktur einer biblisch gegründeten Predigt zum menschlichen Argumentations-verhalten.]
06. Juli/28. Aug. 2023
5G
Die fünfte Generation, noch nicht die letzte. 10 km vor Guben: eine 4G- oder 5G-Antenne auf einem Kirchturm? – Nein, im Näherkommen stellt es sich heraus: es ist keine Kirche. Aber ein paar Kilometer entfernt, in Forst, geht der ganze Konversationsmüll über den evangelischen Turm mitten in der Stadt. Von der Strahlung ganz zu schweigen.
Der historische Markt in Forst/Lausitz wurde 1945 zerstört, die Kirche wieder aufgebaut nach dem Kriege – mit ihrem missbrauchten Turm und den Särgen in der Krypta …
06. Juli/28. Aug. 2023
Störche am RAD-Weg
Immer wieder: Störche. Zwei ganz nah, keine 10 m, ungerührt neben einem lärmenden Bagger. Ein anderer (Kalif Storch in Vergessenheit des Entzauberungswortes?) in der Nähe des ehemaligen RAD-Lagers. Der Reichsarbeitsdienst hat damals, während der Nazizeit, den Damm verbreitert. Zweihundert Jahre zuvor, 1747–1753, hatte Friedrich II. unter großen Wider-ständen in einem Mammutprojekt das Oderbruch trockenlegen lassen. – Wir leben von dem, was unsere Vorfahren voran- oder zurückgebracht haben.
Grüne Religionsphilosophie
Die Kenntnis des Islam scheint sich bei den Grünen auf die Märchen aus 1001 Nacht zu beschränken. Sind sie so naiv oder handeln sie mit Absicht? – Naiv in den unteren Rängen, vorsätzlich und globalistisch-dreist in den oberen.
21.15 Uhr Sonnenuntergang bei Reitstein. Besuch des Friedhofs. Adelsgräber …
Nachtquartier in freier Natur unweit des Ortes. Ihr Hühner von Reitstein gebt Acht: der Fuchs bellt in der Nacht.
07. Juli/28. Aug. 2023
Eine Höhe zwischen Frankfurt/Oder und Lebus
Hier hat eine Volkssturmabteilung aufzuhalten versucht, was nicht aufzuhalten war. Männer um die 60 Jahre alt, zum Teil noch mit Erfahrung aus dem Ersten Weltkrieg, von der Generation meines Großvaters Ernst Zenker (1882 – 1974), haben hier viele deutsche Soldaten, Söhne anderer Väter, über die Oder gerettet.
Volkssturm … Kampf bis zum Letzten. Es ist wie mit den Argumenten. Da wird die Front zäh verteidigt, auch wenn der Kampf längst verloren, das Gedanken-gebäude ruiniert, längst zusammengebrochen ist.
Brücken
Notate an der Europabrücke Neurüdnitz-Siekierki. Zwei Brücken, 1945 zerstört, die eine als Fußgängerbrücke neu errichtet.
„Kalif Storch“ (von Wilhelm Hauff, 1826) mit dem Entzauberungswort: Mutabor. Ein schönes Futur I – im Passiv: „Ich werde verwandelt werden.“ Wohinaus denn? Etwa ins Menschliche? Gott bewahre. Was menschlich ist, haben wir gesehen.
Mutabor, ich werde verwandelt werden – ins Göttliche hinein, das wäre zu wünschen …
Die Zerstörte Kirche in Gartz/Oder
Die weiße Fahne auf dem Turm von der Hakenkreuzfahne vertrieben. – Die zerstörte Fachwerkstraße in Gartz/Oder. „Ecclesia sub cruce“ (Kirche unter dem Kreuz) in M. – Und auf der ganze Strecke der vermaledeite „Wildschutzzaun“.
07. Juli/28. Aug. 2023
Völkerverständigung: Wo ist denn hier die Oder?
Nach Schwedt wird es bergig, kaum noch Begegnungen auf dem Fahrradweg, der jetzt nach Westen abzweigt, Richtung Penkun, d. h. von der Oder weg. Ich will – irrtümlich, in geografischer Täuschung – noch immer an der Flusslinie festhalten, frage eine junge Frau, eine Polin (Russin? Ukrainerin?), die da mitten in der Landschaft am Feldrain auf einer Bank sitzt, nach dem Weg. Sie trägt einen roten Rock und ein weißes T-Shirt mit schrägem Revers.
„Entschuldigung … Wo ist denn hier die Oder?“ – „Welche Oder? Wir haben zwei“, lächelt sie …
Vogelschau
Begegnung mit einem Mann, der die Vögel beobachtet im Oderbruch. – Aber vielleicht beobachten die Vögel uns. Was sie wohl von uns Menschen denken mögen? Sie denken nicht? Wer weiß … Wir sollten unser Denken, was wir Denken nennen, nicht gar so hoch einschätzen. Ist es doch auf weite Strecken nur ein Nach-Denken, Nachplappern, Schablone, Stillstand, Raster, Kreis-bewegung … Ein Verdämmern des gelenkten Bewusstseins.
Auf Quartiersuche
In Penkun ist mir nach einem festen Quartier, ich klingle am Pfarrhaus. Keiner da. Dann gehe ich in die Kirche. Im Kirchenblatt lese ich, dass hier eine junge Pfarrerin mit ihrer Familie in Dienst ist. Bei der Ortsausfahrt frage ich eine Frau, die eben ihren Abendlauf beendet hat, nach dem Fahrradweg. Ihrer Freund-lichkeit nach war es – die Pfarrerin, vermute ich.
Übernachtung bei Battinsthal hinter Penkun, am Rande eines abgeernteten Kornfelds.
[Auf der Rückfahrt Anfang August: Station in Penkun, mit Schlossbesichtigung (vgl. S. 20).]
07. Juli/28. Aug. 2023
Lebe[h]n am See
Frühmorgens: ein junges Füchslein tot am Rande des Fahrradweges. – Kleine Bibliothek an der Haltestelle, im Wartehäuschen Lebehn am See. Stephan Hermlin: „Der Leutnant Yorck von Wartenburg“ – die erste Lektüre in diesem Urlaub. Ein Inselbuch (Leipzig 1977). Ich nehme es mit ins Gepäck.
Gedenkstein an der Löcknitzer 1000-jährigen Eiche: „Die Löcknitzer Eiche/ Tausendmal ist der Frühling / durch deine Blätter gebraust / Tausendmal hat dich der Herbstwind zerzaust / Hast Frieden erlebt / und Krieg ertragen / Lachen und Freude gab es / genauso Verzagen / Du alter Eichbaum / bist Symbol und Pfand / Für Beständigkeit und Liebe / zu unserem Heimatland.
08. Juli/28. Aug. 2023
Von Lebehn über Blankensee, Batthinsthal, Rieth am See, Ückermünde bis zum Anklamer Stadtbruch
Trödelmarkt in Blankensee. Gesellige Marktfrauen, die mir eine Tasse zum Geschenk anbieten. Nein, besser nicht noch mehr Gepäck. Dafür reichlich Kaffee und Kuchen zum Vorzugspreis von nur zwei Euro. Herzlicher Abschied. – Berg- und Talfahrt hinter Battinsthal. 40 km vor Ückermünde wird es eben.
Rieth am See. Ein kleiner hölzerner Aussichtsturm. Zum ersten Mal auf dieser Fahrt: Blick auf weites Wasser. Kurz vor Ückermünde schenkt mir eine Ver-käuferin drei Tomaten.
Am Samstag, dem 08. Juli, mittags, nach drei mal 24 Stunden (Abfahrt in Zittau war am Mittwoch, dem 05. Juli, 13.15 Uhr) glückliche Ankunft in Ückermünde (500 km), das am Kleinen Haff gelegen den Ehrentitel Ostseebad trägt. – Mittagspause am Strand. Dann weiter bis zum Anklamer Stadtbruch …
09. Juli/28. Aug. 2023
Zwischen Ückermünde und Anklam
führt der Fahrradweg schlängelnd durch den Wald, manchmal nicht mehr als 30 cm breit. Das Ziel Anklam erreiche ich heute nicht, nur das Anklamer Stadt-bruch: hoher Wasserspiegel, unglaublich viele Wasservögel. Schwalben unter der Haube des hölzernen Aussichtsturmes. Endstation für heute: der kleine Ort „Anklamer Fähre“ am Peenestrom. Ankunft am 08. Juli, ca. 19.30 Uhr, nach insgesamt 535 km. Henri S. lädt mich ein, lässt mich auf seiner Wiese am Bootssteg übernachten, versorgt mich mit Milch, Frischkäse, Tomaten und Bier.
08. Juli/28. Aug. 2023
Von Anklam bis Stralsund
5.00 – 5.45 Uhr Fahrt auf holprigem Wege bis Anklam (549 km). Von Anklam bis Stralsund mit dem Zug. Freier Tag in Stralsund. Stickige Luft im Ozeaneum. Atemnot: „What we know is a drop, what we don’t know is an ocean.“ Ca. 16.30 Uhr Treff mit dem Sohne im Bahnhof Stralsund. Gemeinsame Fahrt (ca. 75 km) bis Nonnevitz (Wittow), im äußersten Norden der Insel Rügen. Ankunft: 23.30 Uhr [insgesamt ca. 635 km mit dem Rad + 65 km mit dem Zug, fünf Tage unterwegs]. Mitternächtliches Bad im Meer … Die Familie kommt morgen nach.
09. Juli/28. Aug. 2023
Vom Land der Träume
Auch das Land der Träume verändert sich, wenn man oft dahin fährt. Nonnevitz/Rügen, ein Urlaubs-Zeltdorf, das jedes Jahr neu ersteht. Wir leben hier auf Erden alle nur in Zelten, mehr oder weniger komfortabel. H. und S., die alt gewordenen Sportler aus Leipzig, ihre verbundenen Vornamen waren hier auf dem Zeltplatz seit Jahrzehnten ein Begriff, sind nicht mehr hier (die Frau hat unseren Kindern oft kleine Geschenke gemacht, jetzt liegt sie schwer dement im Pflegeheim). Auch der Schriftsteller Peter G. aus Berlin mit seiner Gefährtin fehlt seit diesem Jahr auf dem Platz. Das Ehepaar S. aus Leipzig im Wohnwagen hinter uns nutzt den Dauercampingplatz in diesem Sommer aus Altersgründen zum letzten Mal. – „Hochwürden“ ist noch da, wer weiß, wie lange noch. Sein Spitzname hat jetzt einen anderen Klang.
10. Juli/01. Sept. 2023
Ostseezeit …
Erinnerung
Begegnung vor dem Gotteshaus in Altenkirchen/Rügen, vor vielen Jahren, mit Pf. Andreas Rüß (von 2000 an Pfarrer von Altenkirchen, ein Meister der Predigt mit hoher musikalischer Begabung, damals längst nicht mehr im Dienst, nur auf Urlaub in Altenkirchen) und dem Dresdner Dichter Thomas Rosenlöcher. „Ein Theologe und ein Dichter. Zwei Meister des Wortes“ – so gehe ich unweit Kosegartens Grab auf die beiden zu. Notker für einen Augenblick der Dritte im Bunde …
Aus den Gedichten im Winde längs der Kirchhofmauer, baumelnd an langen Stöcken, erfahre ich: Thomas Rosenlöcher, Jg. 1947, liegt jetzt nicht mehr im Garten bei Kleinzschachwitz, 2022 ist er verstorben.
14. Juli/01. Sept. 2023
Tätowierung
Tätowierte Körper gefallen mir nicht, zur Schönheit noch eins drauf macht hässlich, stößt mich ab; in meiner Sicht mindert die Bemalung das Schöne.
17. Juli 2023
Gesellschaftszustand
Geschieden, geschieden, geschieden. Die Häufigkeit bezeugt eine weit ver-breitete Unfähigkeit zur Gemeinschaft, die Unfähigkeit von Mann und Frau, miteinander zu leben. – Trennung und sich dann mit einem anderen Menschen verbünden, das geht in der großen Politik nicht ganz so einfach. Da hängen ganze Völker dran. Sonst sind es ja nur – die Kinder …
24. Juli 2023/17. Aug. 2023
Literaturverständnis
Gut ist, was dem Zeitgeist entspricht, das scheint des Öfteren die Formel literarischer Qualität zu sein.
Ein bekannter Krimiautor (Richard Aleas: Lieder der Unschuld, Berlin: Rotbuch Verlag, 2009) lässt seinen Haupthelden beim Anblick einer christlichen Beerdigung schwätzen (man merkt, es ist die Stimme des Autors): „sinnlose, veraltete Formulierungen“ … Das Buch ist gut geschrieben und doch von fraglicher Substanz, nicht viel dahinter.
Kriterien
Kriterien, wenn ein literarischer Text im Redaktionskollegium eines zeit-genössischen Verlags Gefallen finden soll: er muss gut geschrieben sein (das ist zu erwarten), er muss eine feministische Grundhaltung erkennen lassen, einen genderfreundlichen und abtreibungsbejahenden Eindruck machen, vorausgesetzt wird ein säkulares Menschenbild (etc. etc.).
Nur kein gutes Wort von Gott. Das scheint die conditio sine qua non der Moderne zu sein. Der oberste Maßstab von Literatur. Man huldigt eher dem Teufel als dem Christengott …
Zu spät oder „Es gibt kein Zurück“
In ihrem Buch „Es gibt kein Zurück“ (Bastei Lübbe, 1998, 7. Aufl.), in dem die Autorin Ursula Burkowski ihr Erleben der DDR und ihre Ausreise nach dem Westen beschreibt, steht irgendwo der beiläufige Satz (hier spricht sie nicht von sich selbst, sondern von einer anderen Frau): „Für eine Unterbrechung [der Zwillingsschwangerschaft] war es zu spät.“ Mehr hat sie als Autorin dazu nicht zu sagen, das einzige Problem: es war eben zu spät. Das bleibt dann kommentarlos so stehen. An anderer Stelle erzählt sie, wie sie ihrem Kinde den Glauben, das aufkeimende Gottvertrauen ausredet, das sie für gefährlich hält. Was beides ein schlechtes Licht wirft auf dieses schwungvoll geschriebene, dem Leben zugewandte Buch.
24. Juli/17. u. 28. Aug. 2023
Ein greinendes Kind
Kinder nerven manchmal. Größere Kinder nicht weniger. Am meisten die Erwachsenen. Sie wollen Kinder zum Guten erziehen und begehen selbst die größten Torheiten, leben ihren Kindern vor, wie es nicht sein sollte.
Glauben, was man will …
Ein Statistiker, Prof. der Mathematik (Peter Dierich/Zittau), weist nach, was an der offiziellen Virus- bzw. Impfschäden-Statistik nicht stimmt oder platt gelogen ist. – „Das interessiert mich nicht, ich glaube, was ich will.“ – Ja, was willst Du denn glauben. Und wem? Den machtkonformen Medien oder anderen Stimmen? Nicht nachzuforschen ist freilich einfacher, erspart das eigene Denken.
Sprache der See
Das Flüstern, Tönen, Singen, das Plaudern, Stöhnen, Rülpsen, das Stammeln, Greinen, Zwitschern – das lose Wellen-Geschwätz des Meeres. Im Augenblick flüstert es in lauer Luft. Die Empfindung: Nichts, absolut nichts hilft gegen ein starkes Gefühl. Es ist, als wollte man die Brandung des Meeres aufhalten mit einer Sandburg.
29. Juli/17. Aug. 2023
Alte Weisheit
Mann und Frau oder Frau und Mann (es beginnt schon mit der Wortstellung im Satz) leiden aneinander und können doch nicht voneinander lassen. – Das haben andere vor mir schon treffender gesagt, vielleicht auch tiefer durchlitten. Frauen sind Träume, wenn sich der Traum erfüllt, beißt uns die Wirklichkeit.
04./10. Juli u. 28. Aug. 2023
Forscherdrang oder Maus und Elefant
„Wissenschaft kennt keine Grenzen“ (Werbespruch am Rossendorfer Forschungszentrum). Ein edles Bekenntnis? Eher die Andeutung einer Gefahr. Grenzenloses Forschen auf Teufel komm raus. Alles, was machbar ist, und wär’s die schlimmste Teufelei, wird gemacht, wird ausgetestet.
Züchtung: Elefanten so klein wie Mäuse und Mäuse so groß wie Elefanten. Im Prinzip ist das möglich …
Verzeih …
„Verzeih mir, bitte.“ – „Ich verzeihe Dir. Du hast es gut, bittest um Verzeihung und bekommst sie. Und Deine Welt ist wieder in Ordnung, ganz einfach. Aber hast Du auch bereut?“
„Ich bereue nichts!“ –„ Wie kannst Du dann ehrlichen Herzens um Verzeihung bitten, wenn Du nichts bereust?“
Ein Politiker, der sich entschuldigt für sein Handeln 2020/22. Bittet er ehrlichen Herzens um Vergebung für seine Irrtümer (hat er sie erkannt, bereut er wirklich), oder entschuldigt er sich nur taktisch für sein vorsätzliches, lügenhaftes Handeln? – Da ist ein Unterschied.
Rudolf Steiner und Lessing
Alle drei großen Religionen irrig, dahinter: die eine wahre Religion: die Toleranzreligion der Freimaurer? Das Toleranz-Diktat führt in gerader Linie zur offenen Diktatur.
Wenn jeder Einzelne und jede Gruppe sich durch die geringste Bemerkung beleidigt fühlt, ist Sprechen bald ganz unmöglich. Sprache verstummt. Die Sprachlosen sind die besten Untertanen.
30. Juli/18. Aug. 2023
Kommunikation
„Ich liebe [sie] noch immer …“ Fragezeichen. – Wir sind einander die Wahrheit schuldig. Indem wir reden, Worte machen, verbergen und verschweigen wir die Wahrheit – bewusst oder unbewusst.
Kommunikation – eine herbe Erfahrung. Je mehr wir reden, umso mehr entfernen wir uns voneinander.
Die ersten Menschen im Paradies haben gar nicht geredet, jedenfalls nicht mit Worten. Was gab es da auch zu reden, wenn sie alles hatten, Gott von Angesicht zu Angesicht. Das Pleroma.
Das Reden, das Kommunizieren, kam mit dem Sündenfall. Die ersten Worte sprach die Schlange mit ihrem Zweifel an Gottes Wort: „Sollte Gott wirklich gesagt haben …“ Und weiter geht die Kommunikation mit Worten der Rechtfertigung, bis auf den heutigen Tag: „Ich war es nicht“, sagt Adam, „das Weib gab mir von dem Baume …“. Und Eva schiebt es auf die Schlange: „Die Schlange betrog mich, dass ich aß.“* * Vgl. 1. Mose 3, 1–24
Mit den Worten kam das Böse in die Welt. Der Böse, der das Eine Wort des Schöpfers unter einer Flut von Überflüssigem zu ersticken sucht [Hölderlin: „Die Sprache ist ein großer Überfluß …“].
31. Juli/06. Sept. 2023
Vierlerlei Vertrauen
Das Stalin-Vertrauen, das Hitler-Vertrauen, der Glaube an den Menschen [„Humanität“], das Toleranz-Vertrauen etc. – Von ganz anderer Qualität: das Gottvertrauen … Auf Gott, und nicht auf einen tonangebenden höheren Menschen gerichtet. Das menschliche Wesen ist mehr als nur das „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“.*
* Vgl. Karl Marx: Thesen über Feuerbach, 1845, These 6.
01./18. Aug. 2023
Antike
Vom Vergangenen wissen wir nichts (aus einer Speerspitze rekonstruieren wir ganze Dörfer), von der Zukunft wissen wir noch weniger. Und von der Gegen-wart am allerwenigsten. – Auf die Zeit übertragen: Nach Augustins Reflexionen über die Zeit in den Confessiones* gibt es weder Vergangenheit, noch Gegenwart noch Zukunft. Das Vergangene existiert nicht, eben weil es vergangen ist. Der Jetztpunkt, die so genannte Gegenwart, ist im nächsten Sekundenbruchteil bereits wieder Vergangenheit, und auch die Zukunft existiert nicht, weil sie noch vor uns liegt … * Vgl. Augustinus: Bekenntnisse. Lat./Dt.,
Frankfurt/M.: Insel, 1987, S. 628–669.
03./18. Aug. 2023
Handy-Varianten
Eine Frau, auf das Handy fixiert, bei Sonnenuntergang am Meeressaum spazierend. – Der Junge auf der Überfahrt mit dem Schiff von Breege nach Ralswiek: in der einen Hand das Eis, in der anderen ein Computerspiel auf dem Handy. Da starrt er die ganze Stunde drauf, keine Wahrnehmung, kein Blick für die Landschaft ringsum. – Vier Jugendliche im Zug, jeder mit seinem Handy beschäftigt. Manche tragen ihr Außenhirn den ganzen Tag in der Hand. Crazy —
Meerwasser und Tränen. Vom Verstehen
„Woher hat das Meerwasser sein Salz? Woher haben Tränen ihr Salz? Sie sind verwandt, diese großen rollenden Wogen und die kleinen stillen Tropfen, die sich dem Menschenauge entringen. Vielleicht ist das Tosen der See nichts anderes als das Schluchzen der Welt.“ (Ruth Kraft: Insel ohne Leuchtfeuer, Berlin: VdN, 1960, 4. Auf., S. 322)
Kinder verstehen, was die Mutter oder der Vater tut. Sie verstehen es in dem Sinne, dass sie zur Kenntnis nehmen, notgedrungen, was Mutter oder Vater wollen. So nehmen sie auch hin, was nicht zu verstehen ist. – Kommunikation: Ein großes Wort und nicht viel dahinter. Das hat sich auch in der Krise 2020/22 deutlich gezeigt …
04./29. Aug. 2023
Chiasmus (Kreuzstellung der Glieder)
Von der Urlaubs-Freiheit und -Sklaverei in die Sklaverei und Freiheit zu Hause. Leben geschieht irgendwo dazwischen [Erasmus: De libero arbitrio, 1524 / Luther: De servo arbitrio, 1525 – Über den freien und den geknechteten Willen].
04./07. Sept. 2023
Überraschung
Ein Sohn aus fernen Lande ist mit seiner 20-jährigen Tochter überraschend nach Nonnevitz gekommen. Ich freue mich sehr. Vom bewachten Strand aus ging schon im Sozialismus der Blick nach Norden: „Da sind noch Länder. Und eines Tages fahrt Ihr dorthin …“ – Die Enkelin hat Interesse an Literaturwissenschaft. Wie wär’s denn, eines Tages, mit meinem Archiv? Vielleicht suchen wir als Erstes nach meinem Kinderhörspiel „Gefangen im Turm“ (Orig., 48 Min, Erstsendung 20.07.1984, Dramaturgie Rainer Schwochow / im Deutschen Rundfunkarchiv Babelsberg verfügbar).
05. Aug./01. Sept. 2023
Die Rückreise: Sonntag, 06. Aug. – Donnerstag, 10. August 2023)
4.10 Uhr ab Nonnevitz. Am Nachmittag Halt in der Kapelle St. Jakob in Kasnevitz. Hier wird ein Film gezeigt: „Die Pianistin von Theresienstadt“ (2005). Es ist die Geschichte von Alice Herz-Sommer (1903 – 2014). 17.45 Uhr Ankunft in „Anklamer Fähre“ (15 km südlich von Anklam / ca 14 Stunden unterwegs, davon 11 Stunden reine Fahrzeit + 3 Stunden Pause). Im Anklamer Stadtbruch hätte ich mich bei Regen fast verirrt, war mir plötzlich nicht mehr sicher.
Unterkunft bei Henri S. und seiner Mutter Resi, die am Mittwoch, dem 09. Aug. ihren 81. Geburstag feiert. Obwohl sie mich nicht kennt, bittet Sie mich, pudel-nass wie ich bin, sofort herein, und setzt mir eine Menge Kuchen vor. Über-nachtung unter dem geräumigen Carport, hier kann ich meine Sachen trocknen, auch alles Papier. Es ist windig und regnet noch immer hier am Peenestrom.
06./29. Aug. 2023
„Anklamer Fähre“
Am Montagmorgen regnet es wieder. Frau Scheumann bei der schwarzen Kuh und dem braunen Kälbchen. Der kleine Flecken Anklamer Fähre liegt an der schmalsten Stelle zwischen Festland und Usedomer Winkel, an einem Wasser zwischen Peenestrom und kleinem Haff, das Wasser heißt: „Der Strom“. Die Fähre geht unweit von Kamp nach Karnin auf Usedom. In Mönchow ist eine Kirche, auf dem dortigen Friedhof sind auch die Vorfahren meiner Gastgeberin Resi begraben; der Pfarrer kommt von Usedom herüber.
07./21. Aug. 2023
Langer Weg bis Ückermünde
Dann weiter Richtung Oder. Unterwegs kurzer Halt auf dem Dorfplatz PAMPOW (kurz vor Blankensee, ca. 15 km vor Löcknitz). Auf der Herfahrt war hier ein fröhlicher Markt, mit preiswertem Kaffee- und Kuchenangebot. Die Marktfrauen wollten mir eine Tasse schenken, aber ich konnte sie nicht transportieren. Weiterfahrt unter großem Hallo (das war am 08. Juli).
Spruch an der Seitenwand einer mit hölzernen Tischen und Bänken gefüllten Remise [Wortfolge bei der Abschrift unsicher]:
FRÜHER / WIR HATTEN ALLE WENIGER / SIND DANN / AUF TANZ / GEGANGEN ALLE / UND HATTEN / ALLE WENIG / ZUERST / DA war / NUR EIN / EIMER MIT / KLAREM WASSER / DA HABEN WIR / KLARES WASSER / GETRUNKEN / UND IMMER DOLLER / GETANZT.
In Blankensee ein beschrifteter Treckwagen, der sog. „Kunstkiosk“ vor dem Gemeindeamt mit Versen zur Vertreibung, von denen ich nur Bruchstücke behalte: „Wir konnten nicht reisen“, „mussten in den Wald“, „mich kriegt hier keiner mehr weg“ …
07. / 21. Aug. 2023
Philosophie und Faschismus
Ruth Kraft („Insel ohne Leuchtfeuer“, 1960). Wusste sie mehr über die „Wunderwaffe“ – oder wurde das, was sie mehr wusste, ein Opfer der Zensur? Im Grunde hat sie über Dinge geschrieben, die sie so genau gar nicht wissen konnte.*
Auch Sloterdijk weiß mehr, als er schreibt, das ist schon seit den „Regeln für den Menschenpark“ (1997) deutlich. Da spricht ein Sezierer mit glänzender Wortakrobatik. – Zwischen den Zeilen alles gesagt? Wo Philosophie Wahrheit über hintergründig Böses bemäntelt oder verschweigt, hört sie auf Weisheits-lehre zu sein und macht sich der Hofphilosophie verdächtig.
Offensichtlich hatte Hitler die Atombombe, samt Zündmechanismus und Rake-tenträgersystem. Angewandt haben sie dann gegen Japan, prompt nach dem „Sieg über den Faschismus“ in Deutschland, mit primitiver Bombertechnik die Amis. Durchaus in faschistischer Manier. – Amerikanischer Faschismus besser als der deutsche? Überhaupt nicht gut – besser – am besten. Faschismus bleibt Faschismus.
* Die letzten Seiten des Buches von Ruth Kraft, über den Angriff auf Dresden, diesen dunklen Segen der Befreier, habe ich dann erst in Sebnitz gelesen. Im Angesicht solchen Grauens versagt jede Schilderung, ist auch der Schriftsteller am Ende.
Ruinenhügel oder Sonnenberg
Auf freier Fläche (hinter Löcknitz und gelegenlich schon vorher): spürbarer Gegenwind. 5 km hinter Löcknitz vor dem Walde links weg: Übernachtung auf einem Ruinenhügel (ein Mauerrest steht noch). Ich räume unter mir die Ziegel-reste weg, um nicht gar so hart zu liegen.
Warum gerade hier? Was weiß ich, wer hier einmal ein- und ausgegangen ist. Ich weiß nichts von diesem Fleck, nichts von seiner Vergangenheit. – Durch den Wald ein paar Kilometer weiter wäre in SONNENBERG ein Schutzdach gewesen.
07./04. Sept. 2023
Der Weg zurück
Bei der Hinreise nach Wittow/Rügen Anfang Juli war es durchgehend sonnig, aber nicht heiß. Jetzt ist es kühler geworden – und windig. Der Weg zurück ist ein anderer. Es ist derselbe Weg, aber ich kenne ihn nicht mehr, fahre ihn neu, aus der Zurück-Perspektive …
Halt am Fahrradweg in der Eisdiele von Garz/Oder, bewirtschaftet von einer Polin. Gutes Eis und reichlich Kakao. Und eine Sitzgelegenheit links in der Ecke, wo eine Freundin der Polin mit ihrem Manne Platz hält. Gespräch der Frauen über die mathematische Unbedarftheit und die drohende digitale Demenz junger Leute. „Leider haben sie im Großen und Ganzen Recht …“, sage ich im Gehen, und setze doch zugleich große Hoffnung – auf die Jugend.
Schloss PENKUN
In sozialistischer Zeit sollte das Schloss gesprengt werden: „Die Restaurierung kostet Millionen, die haben wir nicht, also lassen wir es verfallen“ – das war die Haltung des Bürgermeisters, damals. Ein in den 80er Jahren gegründeter Verein ergriff die Initiative, verhinderte die beabsichtigte Sprengung des Schlosses und führte, nahezu ohne finanzielle Mittel, erste Sicherungsarbeiten aus.
Jetzt birgt das Schloss in mehr als 40 noch in Renovation befindlichen Räumen vielfältige Sammlungen: Nähmaschinen verschiedenster Epochen, Bügeleisen, Waschmaschinen, Radios, Fernseher, ein DDR-Schulzimmer mit den dazu gehörigen Büchern etc. etc. Erstaunlich, was hier neu aufgebaut bzw. erhalten wurde, u. a. die Küche, die mit allen Utensilien und einem riesengroßen Herd (vielleicht 4 m lang) noch bis kurz nach der Wende als LPG-Küche in Betrieb gewesen ist. – Gegenüber das Grenzmuseum, das mir der freundliche Mann (einer von den Initiatoren der Erhaltung des Schlosses) aufschließt. Da ist auch die Toilette …
Im 1. Stock des Schlosses dieser Spruch in einem Rahmen: „Wer auf Gott vertraut / das Feld gut baut / Und früh aufsteht / Spät schlafen geht / das Wirtshaus misst / sparsam ist / Hat keine Noth / und immerzu sein täglich Brot.“
08./21. Aug. 2023
„Du hast ja ein Ziel vor den Augen …“ Der Fahrradweg als Gleichnis des Lebens
Des Öfteren ein Schild: „Fahrradweg Ende“, weil da eine Straße quert. Und kurz danach setzt er sich fort! Wenn der Weg gut ist und auch das Wetter günstig, dann heißt es: fahren fahren fahren, will man das Ziel erreichen. Wer sich nicht überanstrengt, seine Kräfte einteilt (nicht zu viel will vom Tage) und ein Ziel vor Augen hat, kommt weit …
Was ist das Ziel heute, was in den nächsten Jahren, bis zum Ende des Lebens – und darüber hinaus? Darüber hinaus hast Du kein Ziel? Schade. Ich wünsche es Dir von ganzem Herzen!
Übernachtung am Burgturm in Stolpe
Eine Burg, die nur aus einem einzigen massigen Turm besteht, der in einen alten slawischen Wall hineingebaut ist. Ein Rapunzel-Turm, unten keine Tür, man kam nur über eine Zugleiter hinein. Im Turm gibt es einen Rittersaal und ein Verlies, lese ich an einer Tafel.
Heute nutze ich zwei Bügel, die zum Abstellen von Fahrrädern gedacht sind, als Auflage für die Plane. – In der Nacht ein merkwürdiges Schreien und Tönen, was ist das für ein Geräusch, sind es Füchse oder gar Wölfe? Das kann nicht sein.
Am frühen Morgen kommt ein Mann mit einem kräftigen Wanderstab vorbei („Da kam ein Wanderer des Wegs“) und sagt mir: es sind Kühe. Jetzt erst nehme ich es wahr von der Höhe: Da ist eine riesige Kuhherde auf der anderen Seite der Oder. Dass Kühe im Chore so klingen, ist mir eine neue Erfahrung.
Ein Rastplatz bei Kienitz:
31. Januar 1945: die Russen überschreiten die Oder, bilden einen Brückenkopf.
08./09. Aug. 2023 (bearb. 29. Aug. 2023)
Und weiter auf dem Fahrradweg
Vor mir ein Vogelschwarm, hunderte von Staren, eine flatternde Wolke, ständig ihre Größe und Kontur wechselnd. Jeder Vogel fliegt frei und doch im Schwarm, nicht allein.
Grenzpfähle auf der deutschen Seite. Unbehagen. Die Oder kann doch nichts dafür, dass sie ein Grenzfluss geworden ist.
Leichthin
Nie überanstrengt, nie außer Atem, das ist das Prinzip auf dieser Tour. Es muss so leicht aussehen, als käme ich aus dem Nachbardorf. Und es sieht so aus. Nur mein Gepäck verrät mich. Und manchmal – meine Zunge.
Stalin und das Gewissen
Hätte ihn das Gewissen gepackt, welche Qual … Dann lieber gleich in die Hölle. Stalin wollte anfangs Priester werden. Er ist es geworden: ein Priester des barbarischen, militanten Kommunismus, der Völkerverschickung und willkürlichen Grenzziehung.
Dahingehen
Ein Mensch stirbt, geht dahin. – Wohin eigentlich? Er geht dahin und weiß so wenig von den Geheimnissen der Natur und des Lebens. Man hat ihm ein bisschen was erzählt, das meiste waren Interpretationen.
Geschichte verdunkelt sich und stirbt in den Interpretationen, den Auslegungen von Geschichte.
09./22. Aug. 2023
Deichbruchstelle Reitwein. Zwei Dammbrüche …
Gedenkstein vom 31. Mai 1997. Verheerender Deichbruch am 21./22. März 1947 (kurz darauf sollte die 250-jährige Wiederkehr des Beginns der Trocken-legung des Oderbruchs begangen werden).
Zwei Jahre zuvor, 1945, hatte Schukow hier in Reitwein den Befehl gegeben zum Angriff auf Berlin.
Falscher Stolz
„Darauf kannst Du stolz sein“ oder: „darauf bin ich stolz“, das hört man oft. Stolz auf die Kinder, auf Erreichtes? – Ich suche den Stolz zu vermeiden und spreche von Dankbarkeit. Worauf auch immer, ich bin nicht stolz, will dankbar sein. Zwei gänzlich verschiedene Haltungen.
Müdigkeit?
Nach 150 km am Tage vielleicht, aber nicht unbedingt. Die Freude, das Ziel treibt voran. Am Abend hindert mich die einbrechende Nacht oder eine nahe Regenwolke an der Weiterfahrt.
Ein Grenzpfahl in der Abendsonne … Was er empfinden mag (Idee für ein verschollenes Gedicht).
Kirche LOSSOW
Eine Kirchenruine mit Fenstern und einer Eingangspforte, die nicht verschlossen ist. Könnte man hier sein Zelt aufschlagen? – Gegen 22.30 Uhr Ankunft in Neuzelle. Übernachtung beim Döner-Kiosk am Parkplatz.
09./29. Aug. 2023
Natur-Impression
Ein Storch schnappt zu auf einem frisch gedüngten Felde und verschlingt einen Frosch. Der Arme wäre ja ohnehin umgekommen vor lauter Gestank und Gülligkeit …
Ankommen
Leben mit dem Ziehgurt. Das Lebensgepäck festgezurrt … Manchmal nicht fest genug (Gleichnis Fahrradweg). – Donnerstag, 10. August 2023: der fünfte und letzte Tag der Rückfahrt. 5.10 Uhr aufgestanden, kurzer Halt im Klosterhof, 6.00 Uhr Abfahrt in Neuzelle, 23.30 Uhr Ankunft in Zittau (ca. 200 km an diesem Tage / Halleluja!).
Freude auf zu Hause? Aber wo ist das? Ich bin zurückgeholt, zurückgeworfen in das Zuhause meiner Kindheit, Sebnitz, das ich schon längst verlassen hatte, seit 2017 (dem Tode meines Vaters) allmählich wiedergefunden habe. Kreisläufe des Lebens … Tröstender Rainfarn am Wege. – Manchmal will man nicht ankommen zu Hause. Da sind bürokratische Dinge, die man befürchtet (ein Schreiben von der Rentenversicherung zum Beispiel), da ist der Zahnarzttermin (bin ich überhaupt noch krankenversichert?) und manches Ungeklärte. Kisten stehen herum im ganzen Hause. Umzugsgut …
Ein wenig geht es mir wie jenen Menschen, die nicht ankommen wollen im Leben, weil sie den TOD für das letzte Lebensziel halten. 700 km von Nonnevitz/Rügen bis Zittau, mit knapp 70 Jahren. Eine Art nicht sterben wollen, Flucht vor dem Tode? Noch einmal zeigen: ich lebe! – Nein. Was soll der Beweis? Freude ist das Motiv.
Gott schenkt die Kraft. „Lobet den Herren / alle, die ihn ehren / lasst uns mit Freuden / seinem Namen singen / und Preis und Dank zu seinem Altar bringen. / Lobet den Herren.“* – „Und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat …“ (Psalm 103).
* Evang. Gesangbuch, Leipzig: Eva, 1984, Nr. 447, V. 1 (die Verse 1–4 u. 7 haben wir in Nonnevitz am Tisch als Morgengebet gesungen).
10./29. Aug. 2023
Wieder zu Hause
Brief an einen Freund
Ja, lieber Freund in G., danke für Deinen Brief. – „Nur was wir glauben, wissen wir gewiß“, hat Wilhelm Busch, der Zeichner, einmal gesagt. Gewissheit ist das Thema, da haken wir alle fest. Glaubensgewissheit liegt auf der Vertrauens-ebene, Glaube meint Gottvertrauen. Die Frage ist immer, ob eine Gewissheit etwas taugt, ob sie Substanz hat, oder nur ein verfestigtes Gedankengebilde ist.
Dein Hinweis auf den Augen-Schein, ist wichtig, was wir sehen und urteilen, ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit springt nicht aus unseren Augen. Sie offenbart sich auf andere Weise.
An meiner Kritik der Toleranz halte ich fest, ich denke, Toleranz ist ein untauglicher Begriff, völlig abgenutzt, entwertet schon bei den Aufklärern selbst [Robespierre, der Schlächter der Toleranz], wir haben ihn ganz herunter gebracht. – Jesus hat nicht von Toleranz, sondern von Liebe gesprochen. …
Was ich am Umwelt- oder Klimaschutz kritisiere, ist seine hochgradige Ideologisierung. Die Basis, die da geboten wird als Motiv des Handelns, erscheint mir dünn. Es fehlt – der Schöpfungsbezug. Umweltschutz ohne Gott [und ohne den Schutz des Lebens im Mutterleib] ist mich für ein Paradoxon.
„Ob wir überleben“ … Diese Frage, es mag egoistisch klingen, beschäftigt mich wenig. Ich werde am 08. Oktober Siebzig und denke da eher, wie ich diese letzten irdischen Jahre noch sinnvoll nutze und mit meinem Leben einst, nicht mehr gar so fern, vor Gottes Antlitz stehe.
„Im Antlitz des Mitmenschen erkenne ich Gott“ (so ähnlich Levinas) – also auch in Deinem, obwohl wir uns lange nicht gesehen haben.
Nun, auch mein Brief deutet die Dinge nur an. Die Sprache ist ein recht hilfloses Werkzeug. „Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie die Perle im Grunde des Meers“ (Hölderlin).
In herzlicher Verbundheit
Dein G. Z. Sebnitz, am 17./29. Aug. 2023
Einspurigkeit
Die beklagte Einspurigkeit von Predigt ist auch ein Vorteil. Da kann man einen Gedanken mal in Ruhe entwickeln, ohne dass jemand ständig dazwischen funkt. Zugespitzt formuliert: Dialog ist, wenn einer ständig dazwischen redet, so dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.
Dieses Dazwischen-Reden geschieht ja bei den Zuhörern in Gedanken auch. Gut, dass es nicht laut wird und der Pfarrer auf das Gewirr von inneren Stimmen nicht sofort reagieren muss, während er predigt. Das gäbe ein heilloses Ge-schwätz, wie wir es ja in der Politik- und Medienlandschaft zur Genüge haben …
Gedanken-schlecht?
Warum „Gedanken-schlecht“ im Blick auf die linke Bewegung? (vgl. mein Vorwort zu WB, Ausg. 50). Christlicher Glaube und Gewalt gehören nicht zusammen, Gewalt liegt nicht im Fundament christlicher Lehre. Fanatismus und Gewalt sind Entgleisungen, die man dem menschlichen Faktor, der Sündhaftigkeit des Menschen zurechnen muss. Im Marxismus – wie auch im Islam – liegt die Gewalt schon in der Basis, im Fundament der Lehre. Blutige Revolution!
Es dürfte schwerfallen, im Neuen Testament ein Gewaltfundament zu finden. Im Alten Testament gibt es Gewalt schon eher: das harte Gesetz. Das Gesetz des Neuen Testaments ist die Liebe als des Gesetzes Erfüllung (vgl. Römer 13,10).
17./29. Aug. 2023
Alternativlos
Die CDU nicht christlich, die Liberalen nicht frei, die Roten goldbeflittert im Pakt mit dem Kapital, die Grünen dem Leben im Mutterleib nicht grün, auch die Basis ohne christliches Fundament, die Demokraten ohne wahre Demokratie. Allesamt wegen ihres Atheismus, ihrer Gottferne keine wirkliche Alternative für die Gesellschaft, auch die Alternativen verschiedenster Färbung nicht.
07. Juli / 01. Sept. 2023
„Dein Glaube ist groß“ (Mt 15, 21 – 28). Gottvertrauen oder eine neue Religion?
Extrakt einer katholischen Predigt (anonym). Nachschrift v. 20. Aug. 2023 [Ergänzungen in eckigen Klammern: G. Z.].
Wir kennen diese uralte Teilung der Menschen in Gläubige und Ungläubige. Aber es gibt auch eine andere Möglichkeit: die Einteilung in Gläubige und Andersgläubige. Auch der Atheist hat ja einen Glauben, nämlich den, dass es Gott nicht gibt.
Wir haben heute vielerlei Entwürfe und Bestrebungen, den Glauben der heutigen Zeit anzupassen. Das klingt gut. Aber die Menschen sind in den vergangenen Jahrzehnten stark von [einer glaubensfeindlichen] Ideologie geprägt. Bestimmte Kräfte streben eine neue Religion an, die mit Jesus Christus nichts mehr zu tun hat. Auch im Rahmen des Christentums gibt es Gläubige und Andersgläubige. Die Andersgläubigen setzen sich dafür ein, eine neue Religion zu gründen, die alle Menschen verbinden soll. Aber das ist eine Illusion.
Das Christentum setzt auf Jesus Christus [den Gekreuzigten und Auferstandenen].
Unser Glaube ist groß durch die persönliche Beziehung mit Jesus Christus. „Dein Glaube ist groß“ [oder, wie es an anderer Stelle heißt: „Gehe hin, dein Glaube hat dir geholfen“, dich errettet].* Jesus Christus hört die Bitten und Wünsche der Menschen und erfüllt sie, aber nicht immer. Durch unseren Glauben, unsere Beziehung zu Jesus haben wir auch bei unerfüllten Wünschen die Chance, unsere Lage neu zu sehen, sie aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Rettung [des einzelnen Menschen und der ganzen zeitgeist-verlorenen Kirche] kommt aus dem Glauben, dem Gottvertrauen.
[Allein durch den Glauben, sola fide, sagt der Protestant. Der Katholik hat es bestätigt.]
* Vg. Mk 5,25 – 34; Parr.: Mt 9,20–23 (Die Geschichte von der blutflüssigen Frau).
20. Aug. 2023
Vom Umgang mit Kirche
Christen … Der Politik, den Pharma-Ideologen habt ihr mehr geglaubt als der Bibel. – Und das wird wiederkommen. Damit meine ich nicht ein Virus, sondern das ganze Lügengespinst, den Irrglauben. Dennoch sollte man sich nicht leicht-hin zum Kirchenaustritt treiben lassen und erkennen: Die gezielte Verfemung von Glaube und Kirche ist ein wesentlicher Bestandteil des Globalisierungs-programms!
Mit dem Niedergang von Glaube und Kirche geht der Verlust von Sinngebung einher. Die Sinngebung, die der Glaube stiftet, will man vernichten, die Menschen heimatlos machen, empfänglich für Irrlehre und Demagogie. Und das gelingt auf weiten Strecken …
Darum, bei allem Unmut: festhalten am Gottvertrauen und an der Kirche. Ja, auch an Kirche in dieser gespaltenen, weithin angepassten Gestalt.* Denn sie weiß um ihr Fehl, sie weiß es in den vielen Christen und Pastoren, die treu am Worte Gottes festhalten, das immer ein zeitgemäßes-unzeitgemäßes ist und sich nicht dem Zeitgeist beugt.
* Evangelische Akademien sind schon seit längerer Zeit dem atheistischen Zeitgeist auf-gesessen, haben den Regenbogen aus der Noa-Geschichte, Zeichen des ewigen Bundes zwischen Gott und Mensch (1. Mose 9, 12.13), mit weltlichen Farben vertauscht. – Woran mag es liegen, dass gerade evangelische Kirche so zeitgeistanfällig ist? Da scheint irgend etwas an der Lehre nicht zu stimmen. Unter dem sola fide (allein aus Glauben) und sola gratia (allein durch die Gnade) ist uns der Sündenbegriff verflacht, was für die Erkenntnis von Realität weitreichende Folgen hat [vgl. meine Predigt zur Relität des Bösen in WB Ausg. 50].
18./22. Aug. 2023
Zum Verstehen
Bisweilen „verstehen“ Kinder auch das nicht Verstehbare, das Erwachsene ihnen zumuten. Das heißt: sie nehmen das Unzumutbare zur Kenntnis … Die kalte Sprache einer kalten Welt-Wirklichkeit namens Realität, die mit einem anderen Wort Sünde heißt.
20./29. Aug. 2023 [vgl. S. 16]
Von der Liebe
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ Sören Kierkegaard [Das Magazin, H. 6, Juni 1988, Jg. 35, S. 18]
21./22. Aug. 2023
Geliefert
Im Sozialismus wusste man noch einigermaßen, woran man war. Wo der Feind saß und wie man sich als Christ und kritisch denkender Mensch zu verhalten hatte, um nicht ins Messer zu laufen.
Jetzt ist das Ausgeliefertsein an eine drohende Macht, die Vereinzelung, die sich im Globalen anbahnt (und 2020/22 bedrohlich deutliche Formen angenommen hat) eine so totale, dass man nicht weiß, wohin man sich noch ducken kann.
Manche, darunter ein Heer von Theologen und Christen, ducken sich freilich schon vorher, in vorauseilender Unterwerfung: in die Ignoranz, das Nicht-wahrhaben-Wollen, die Großgläubigkeit den Medien gegenüber und die Klein-Gläubigkeit im Gottvertrauen. – Böses Erwachen vorprogrammiert.
22./28. Aug. 2023
Freies Denken oder Versklavtes Bewusstsein
Ob wir uns in Zukunft ein freies Denken und ein klares Bewusstsein erhalten, wird ganz wesentlich davon abhängen, welchen Gebrauch wir von Fernsehen, Computer und Handy machen, von den Medien überhaupt.
Es steht doch geschrieben: „Ich bin der Herr, Dein Gott, der Dich aus der Knechtschaft geführt hat. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir“ (vgl. 2. Mose 20,2–3).
23./28. Aug. 2023
Wort und Geist
Welche Worte einer gebraucht und welche Worte er nicht gebraucht … Zeige mir, mit wem Du umgehst – in Sonderheit: mit welchen Worten –, und ich rate, wes Geistes Kind Du bist. Auch ein Christ muss sich immer wieder fragen: spricht aus Dir Gottes Geist oder – der Geist der Zeit.
Wie es geschehen kann, dass sich Menschen in so gegensätzliche Gewissheiten verstricken (ich meine die Krise 2020/22), ist durchaus eine nähere Unter-suchung wert; ansatzweise habe ich dies u. a. in WB Ausg. 50 versucht. Es zeugt gewiss nicht von besonderer Intelligenz – eher darf man auf fehlendes kritisches Denken schließen –, Andersdenkende permanent in Schubfächer zu stecken.* Wer schabloniert, psychologisiert (ad personam argumentiert) und immer die gleichen Schlagworte gebraucht („Verschwörungstheorie“, „AfD“, „rechtes Spektrum“ etc.), opfert seinen Intellekt.
* „Rechts“ – „links“ das primitivste Schema, ganze Städte verirren sich darin. Andere Schemata sind: negativ – positiv, pessimistisch – optimistisch und dergleichen mehr. Keiner ist frei davon (die Sprache selbst engt uns ein, ist letztlich ein recht hilfloses Werkzeug). Zu empfehlen ist, solch klischeehafte Gegensatzpaare gänzlich zu meiden, sie aus dem Sprach-gebrauch zu verbannen, nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen.
Nicht der Charakter einer Person, nicht ihre Parteizugehörigkeit, nicht eine Sitzordnung im Parlament ist der Punkt, sondern das Thema. Ob es die Corona-impfung, die Migrationspolitik, Gender oder die Geschichtsinterpretation betrifft, die Macht der Medien überhaupt – stelle Dich dem Thema, prüfe gründlich, denke und sprich ad rem, zur Sache! Der Verdacht liegt nahe, dass der Schablonen-Denker (im Schablonieren denkt er ja nicht wirklich) und Schlagwort-Funktionär (auch beim Zurückschlagen denkt sich’s schlecht, das merke ich eben …) einer kritischen Haltung nichts Substantielles entgegensetzen kann, stattdessen einer Immunisierungsstrategie verfällt, in Abwehrreaktionen, die letztlich nur ein Zeichen seiner Unwilligkeit sind, sich mit dem Thema ernsthaft zu befassen.
M. a. W.: Eine Meinung zu äußern (medienkritisch gedacht: was man für die eigene Meinung hält …), ein Thema zu relativieren, es zu zerreden, ist keine Kunst, das kann jeder. Sich einem kritischen Einwand ernsthaft zu stellen, ist etwas völlig anderes (etc. etc.).
25. Aug./03. Sept. 2023
Zwischen den Stühlen
Von atheistischer Seite beargwöhnt (wegen des Versagens von Kirche) – und auch von der eigenen Kirche, die sich 2020/22 bereitwillig unter das Corona-Diktat geduckt hat. Den einen zu weit „links“ (in meiner Kritik des globalen Imperialismus), den anderen zu fromm oder nicht fromm genug.
Wer spielt mit im Ensemble?
Der Mensch ist weit mehr als nur das „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“. Er ist Individuum, ein Unteilbares, Einzigartiges, eben nicht nur Kollektivwesen, sondern Mensch von Gott her und vor Gottes Angesicht. – Man hat uns beigebracht, sozial zu denken (und auch das nur bruchstückhaft). Wir müssen lernen, wieder theologisch zu denken, und tiefer als unsere Corona-Duckdich-Pfarrer und -Intellektuellen.
Woran liegt es, dass evangelische Akademien so leicht dem Zeitgeist aufsitzen, dessen Themen und Inhalte so leichtfertig übernehmen? Da stimmt irgend etwas grundsätzlich im Fundament der Lehre nicht. Möglicherweise ist die Ursache in der Flachheit des Sündenbegriffs zu suchen. Wir wissen zwar im allgemeinen, dass der Mensch seinem innersten Wesen nach ein Sünder ist, verweigern uns aber der Erkenntnis, wie abgrundtief böse, über Leichen gehend, Menschen in hohen Positionen handeln können, halten es nicht für möglich.*
* Vgl. meinen Beitrag „Zur Realität des Bösen“ in WB, Ausg. 50 v. Juni/Aug. 2023 und S. 28 in dieser 51. Ausgabe der WendeBlätter.
Geduckt
Die Legion unserer lieben, wohlmeinenden Pfarrer und Bischöfe unter dem Diktat der Obrigkeit. Wie werden sie sich verhalten beim nächsten Angriff auf das menschliche Bewusstsein und die Gesundheit? Werden sie sich dem Diktat der Macht wieder so bedenkenlos beugen, dem Brain Engineering, den Inge-nieuren für Bewusstseinsprägung wieder so leicht in die Falle gehen?
25./28. Aug. 2023
Das Lächeln unter der Maske … Drei Männer und drei Frauen
(1) Da war plötzlich, Anfang 2020, vom Medienhimmel gefallen, Bill Gates im deutschen Fernsehen. Man ließ ihm Zeit, viel zu reden. Seine Botschaft: das Heil der Welt liegt in den Impfstoffen. Und er lächelte, gab sich souverän.
Ein Millionär mit dem Image eines Menschenfreunds. Vater der Bill & Belinda Gates Foundation, einer wohltätigen Stiftung. Gründung: im Jahre 2000, Vermögen 2010: 36,79 Milliarden USD. Kein Wunder, dass die Bill Gates Foundation die globale Gesundheitspolitik bestimmt; die Verquickung mit dem Pharma-Kartell ist offensichtlich. Auch für den Vatikan spendet der Wohltäter. „Und alsbald krähte der Hahn“ (vgl. Mt 26, 74).
(2) Der andere Mann: Zahi Hawass (geb. 28. Mai 1947), ein umstrittener Ägyptologe.* Mit der gleichen Aura des Menschenfreunds. Hohe Ehrungen, mehrere Ehrendoktortitel. Wer würde einem solchen Mann Böses zutrauen?! Er lächelt. Und tut „alles für Ägypten“, buchstäblich alles …
* Vgl. G. F. L. Stangelmeier: Zahi Hawass – Ägyptens letzter Pharao, Rottenburg: Kopp Verlag, 2011.
(3) In Henning Mankells Roman „Der Mann, der lächelte“ (München: dtv, 2004, 6. Aufl.) geht es um einen reichen Verbrecher, einen Vielfach-Mörder. Nach außen hin ist er ein viel geachteter Bürger, ein Wohltäter der Menschheit. Am Ende der Romans wird er entlarvt. Da erstirbt ihm das Lächeln.
Paritätische Ergänzung: Frauen lächeln auch. Und sei’s zu Waffenlieferungen, die sie befürworten. Da fallen mir in Deutschland wenigstens drei Namen ein. Und es soll doch wirklich Menschen geben, die lassen sich von solchem Lächeln noch beeindrucken …
28. Aug. 2023