Vorbemerkung
Die ursprüngliche Absicht war, sich in dieser 61. Ausgabe der WendeBlätter 2020 auschließlich mit Heinz G. Konsalik und seinem Werk zu befassen und aus verschiedenen seiner Bücher Texte zu reflektieren, die zeitlose Gültigkeit haben – auch für uns heute, die wir mit der haltlosen Behauptung der alliierten Reedukatoren nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen sind, jeder deutsche Soldat sei ein Faschist und Kriegsverbrecher gewesen. Konsalik hat hier einen weiteren Horizont, sieht tiefer hinein in das Wesen des Menschen.
Im Vollzug des Schreibens kam dann noch anderes hinzu. Das erneute Nachdenken über Krieg und Frieden verdanke ich zum einen dem Werk von Heinz G. Konsalik, zum andern der Einladung zu einer Friedenskundgebung am Ostermontag 2025 in Dresden, wo ich in meinem kurzen Redebeitrag die Frage stellte, was den Frieden fördert und was ihn hindert. Die wiederholte Beschäftigung mit dem Transhumanismus wurde angeregt durch eine Tagung zu diesem Thema beim Gemeindehilfsbund in Krelingen/ Lüneburger Heide Anfang April 2025.
Ich gehe davon aus, dass alles, was hier angesprochen wird, so verschieden man über die Dinge denken mag, auch über die Leserschaft der WendeBlätter 2020 hinaus von allgemeinem Interesse ist. Die Niederschrift ist mir nicht leicht gefallen. Uns umgeben so viele Worte, die uns überschwemmen, das Gehirn verkleistern, das freie Atmen erschweren und Gottes Liebe zerreden bis zur Unkenntlichkeit.
Noch eines vorab: Wir leben ja nun leider in einer Zeit und Gesellschaft, in der viele Menschen den Unterschied zwischen Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern nicht mehr kennen. Dass irgendwo in Sachsen … eine große Demonstration, mit welch friedlicher Absicht auch immer, ausgerechnet auf einen Karfreitag gelegt wurde, halte ich nicht für gut. Jeder, der in der Kulturgeschichte einigermaßen zu Hause ist (vgl. Johannes 18–19), vielleicht irgendwann eine Dorfkirche besichtigt oder eine Gemälde-galerie besucht hat, wird verstehen, was ich hier meine.
Für die Ermutigung, die von verschiedener Seite kam: weiter zu schreiben, Erkennt-nisse nicht zu verschweigen oder zu beschönigen, danke ich von Herzen.
Gert Zenker
Sebnitz, am 22. /26. April 2025
Harari und der Transhumanismus. Drei Andeutungen
(1) Universalgeschichte
In seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ (München: Pantheon, 2013, 38. Aufl.) verweist Yuval Noah Harari- auf Projekte, die seit dem Sieg über Hitler lange Zeit als Tabu galten, nun aber doch „in Mode“ gekommen sind und dies zum Ziele haben: „… eine Verbindung zwischen dem Humanismus und der Evolutionslehre herzustellen und sich für eine biologische Aufrüstung des Menschen zum Über-menschen auszusprechen“ (S. 288). Die behauptete biologische Evolution, die ja nur eine Hypothese, eine Mutmaßung* ist, wird hier gewissermaßen forciert, scheinbar bestätigt durch technische Evolution. Harari liegt ganz auf dieser Linie.
* Den Nachweis, wie aus toter Materie Bewusstsein entstehen kann, bleibt die Evolutionstheorie bis heute schuldig. Auch fehlen die Bindeglieder zwischen einzelnen Entwicklungsstufen …
Nach einem Seitenhieb auf das Christentum und dem Hinweis auf die Opfer von Religionskriegen, weil man sich in „Detailfragen“ uneins war (vgl. S. 261), bringt Harari, der sich als Polytheist versteht, den summarischen Begriff der „Naturgesetz-Religionen“ ins Spiel und beschreibt die Moderne als „ein neues religiöses Zeitalter, das sich durch beispiellosen Missionseifer und blutige Religionskriege auszeichnet [!]. Die Moderne erlebte den Aufstieg zahlreicher neuer Naturgesetz-Religionen, zum Beispiel des Liberalismus, des Kommunismus, des Kapitalismus, des Nationalismus und des Nationalsozialismus“ (S. 277). Ob man hier von Religionen oder von Ideologien redet, sieht Harari als unerheblich an.
Wenn man von Opfern der Religion spricht, muss man die Millionenopfer profaner Ideologien gerechterweise hinzunehmen. Die Opfer künftiger Zeiten noch gar nicht gerechnet, die es kosten wird, wenn man die globalistische Agenda (mit transhuma-nistischer Ideologie*, Bevölkerungsreduzierung und totaler Überwachung) in die Tat umsetzen sollte. – Der Globalismus in seiner verhängnisvollen Mischung von Imperialismus und Kommunismus ist ja letztlich (hier argumentieren wir mit Harari gegen Harari) auch nur eine Religion, mit Tempeln und Altären, Hohenpriestern, Gesetzen, Glaubensbekenntnissen, Heiligen Schriften und rituellen Handlungen …
* Zum Transhumanismus vgl. WB Ausg. 47 v. 24. März 2023, S. 17–18 u. Ausg. 55 v. 15. März 2024, S. 7. Zu Harari im Sepziellen: WB Ausg. 40 v. 01. Juli 2022, S. 4–21 („Der Homo Sapiens und das Glück. Bemerkungen zu Professor Y. N. Hararis Universalgeschichte“). – Wer etwas bebildert-Populärwissenschaftliches lesen will, sei auf folgenden Beitrag verwiesen: Künstliche Gefährten. Menschen mit Kopf. Eine neue Spezies. -In: P. M. 05/2025, S. 18–29. Auf der Titelseite der Zeitschrift die Ankündigung: „Die Humanoiden kommen!“
(2) Homo Deus. Der Mensch als Gott*
* Vgl. Yuval Noah Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von morgen, München: C. H. Beck, 2022, 15. Aufl.
„Aus historischer Sicht steht … fest, dass im Moment Dinge von großer Tragweite geschehen. Das erste humanistische Gebot – hör auf dich selbst! – ist nicht mehr verständlich“ (S. 559/560) – „Der technische Fortschritt besitzt eine völlig andere Agenda. Er will nicht auf unsere Stimme hören, er will sie kontrollieren“ (S. 558). Hier lässt Harari die Katze aus dem Sack, offenbart er die wahre Zielstellung des Trans-humanismus. Künstliche Intelligenz wird demnach auf lange Sicht nicht der Befreiung, sondern der Unterdrückung des Menschen dienen.
Freie Marktwirtschaft und staatlich gelenkter Kommunismus sind für Harari „keine konkurrierenden Ideologien“. – „Im Kern handelt es sich um konkurrierende Datenverarbeitungssysteme“ (S. 565). Bringt man das Konkurrierende in Übereinstimmung, ist alles eins, in einer Hand …
Schockierend die Beschreibung der Versuche der Pharmaforschung bei der Ént-wicklung von Antidepressiva an Ratten (S. 195 ff.). Von Ethik der Forschung ist hier keine Rede mehr, die Ratte im Wasserglas geradezu ein Gleichnis für den der Propaganda hilflos ausgelieferten Menschen.
Am Horizont steht ein effizientes Datenverarbeitungssystem, das „Internet aller Dinge“. – „Sobald diese Mission erfüllt ist, wird Homo sapiens verschwinden“ (S. 583). Das Verschwinden des Homo sapiens im „Dataismus“, der „weder liberal noch humanistisch“ ist (vgl. S. 594), gilt dies geradezu als Mission. Das lässt tief blicken. Alles in allem rückt hier eine kalte, lieblose Religion auf den Leib, die keine Befreiung, keine Erlösung verspricht, eher das Gegenteil: ein Sklavendasein, halb Mensch, halb Maschine. Oder nur noch Maschine.
(3) Nexus: Verbindung, Verschlingung, Geflecht …
In seinem Buche „Nexus“ (München: Penguin, 2024) herrscht ein eher skeptischer Tonfall. War Harari in seiner „Kurzen Geschichte der Menschheit“ und in „Homo Deus“ noch als souveräner Künder einer neuen, von KI bestimmten Welt aufgetreten, spricht er nun – zumindest hat es den Anschein – als Mahner: „Wir können nicht vorhersagen, wie die Dinge sich entwickeln. Gegenwärtig steht allerdings fest, dass das Informationsnetztwerk vieler Demokratien zusammenbricht“ (S. 476).
Die Fülle einander widersprechender Daten führt letztlich zum Zusammenbruch von Demokratie überhaupt. „Wenn die Bürger nicht miteinander reden können und sich gegenseitig als Feinde und nicht als politische Rivalen betrachten, ist die Demokratie hinfällig“ (S. 476/477). Dies beschreibt exakt die Situation auch in unserem Lande.
Während unsere Theologen (wie kürzlich in einem katholischen Gottesdienst zum Palmsonntag 2025, bei den Evangelischen nicht besser) von den Kanzeln herab noch den Rechtsstaat, die Freiheit in höchsten Tönen und mit unglaublicher Naivität loben, ist es mit der Demokratie längst zu Ende. Wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, auf Anderes einstellen. Und das wird kein Spaziergang, wird die volle Kraft des Glaubens fordern. Mit einem abgeschwächten, dem Zeitgeist angeglichenen biblischen Wort kommen wir da nicht weiter, beflügeln nur den Untergang der verfassten Kirche.
„Computer sind noch nicht so mächtig, dass sie sich unserer Kontrolle völlig entziehen oder die menschliche Zivilisation allein zerstören könnten“ (S. 495). Und sie werden nach Hararis Darstellung auch nie diese Macht erlangen – „solange sich die Menschheit einig ist … Nur leider war sich die Menschheit nie einig. Wir wurden schon immer geplagt von böswilligen Akteuren und von Unstimmigkeiten zwischen gutwilligen Akteuren“ (S. 495). Offensichtlich zählt Harari sich zu den letzteren.
Was ist das für eine Truppe um den Globalisierungsideologen Claus Schwab, aus dessen Schule Harari kommt? Will man die Menschheit, die sich per se uneins ist, etwa mittels einer globalen Agenda zur Einigkeit zwingen? Meint man es wirklich gut damit oder ist das alles nur eine neue Herrschaftsvariante? – „Natürlich ist Macht nicht per se schlecht. Weise eingesetzt, kann sie ein Instrument der Menschlichkeit sein“ (S. 594). Blind vertrauen sollte man solcher Menschlichkeit nicht.
„Weil ihnen Ordnung wichtiger ist als Wahrheit, haben die menschlichen Informationsnetzwerke oft viel Macht, aber wenig Weisheit gebracht“, stellt Harari fest und verweist in diesem Zusammenhang auf den Zusammenbruch Hitler-Deutschlands (vgl. S. 549). Der Satz könnte ebenso für das Netzwerk der Globalisierungs-Ideologen gelten. Harari liebt die Weisheit und versteht sich offensichtlich als einen Weltweisen. Zumindest hat er die Gefahr für sich selbst erkannt, wenn Homo Deus auf den Plan tritt und die Herrschaft der selbstgeschaffenen Maschine dem Leben des Homo sapiens ein Ende setzt. Deutlich der Hinweis, was passieren könnte, wenn„ein paranoider Diktator einer fehlbaren KI unbegrenzte Macht“ überträgt oder „Terroristen … die KI nutzen, um eine globale Pandemie auszulösen“ (vgl. S. 496). Vielleicht hatten wir das ja schon.
09./14. April 2025
Krieg und Frieden. Putin, Trump und Selenski
Ich gebe zu, dass die WendeBlätter nicht sonderlich amerikafreundlich sind. Wie könnten sie auch … Was die Nazis nicht gewagt haben, die Atombombe abzuwerfen (es geht ein Gerücht, dass sie die Bombe hatten) – amerikanische Militärs haben es unter Nutzung deutscher Technik getan, hatten da keine Skrupel.
Nach 1945 haben die USA unzählige Illegale Kriege geführt (vgl. das gleichnamige Buch von Dr. Daniele Ganser). Zum Zwecke der Weltherrschaft war jedes Mittel recht. Das Prinzip ist einfach: wenn es in einem Lande rumort, der Bürgerkrieg ausbricht, unterstützt man beide Seiten, ist das Chaos dann perfekt, greift man als großer Befreier ein, reißt sich die Macht, das Öl und die Bodenschätze unter den Nagel. Und wenn da ein Diktator etwa noch leben sollte, der zuviel weiß, dann schießt man ihn nieder wie einen tollwütigen Hund.
Ob Trump jetzt anders handeln wird oder selbst nur eine Marionette im globalen Spiel ist, weiß ich nicht. Zunächst steht er erst einmal besser da als Obama, dem man 2009 den Friedensnobelpreis verliehen und zu evangelischen Kirchentagen eingeladen hat. Für seine Kriegstreiberei? – Alle Cäsaren dieser Welt haben Dreck am Stecken. Die BRD ist ja nur ein kleines Land, wenn man so will: eine amerikanische Provinz mit einem Prokurator. Und einer ewig großen Schuld, die man den Deutschen aus nur 12 Jahren ihrer Geschichte (1933–1945) beharrlich vorhält. Auch mit dieser Thematik haben wir uns wiederholt befasst in den 60 Ausgaben der WendeBlätter 2020.
Und Putin, der andere Cäsar? Ich glaube nicht, dass es uns dem Frieden näher bringt, wenn Leute in diesem kleinen Deutschland Trump und Putin großmäulig herunter-machen. Das ist, als ob ein kleiner Zwerg drohend seine Fäustchen gegen zwei Riesen erhebt. Was Hitler mit seinen Armeen getan hat, versucht deutsche Politik mit Speer-Worten. Und mit Waffen aus Stahl leider auch.
Nichts gelernt? Man kann Russland nicht besiegen. Waffen in Kriegsgebiete zu liefern ist verantwortungslos, Deutschland erklärt sich damit zum Kriegsteilnehmer. Anstelle von Kriegspropaganda sollten Friedensverhandlungen treten; früher oder später wird sich Selenski, dieser Haudegen im Gewande eines Staatchefs, dem beugen müssen. Unsympathisch genug hat er sich schon gemacht mit seinen schamlosen Forderungen nach noch mehr Kriegsgerät, das heißt: noch mehr Toten auf beiden Seiten. Auch die Gefahr eines Dritten Weltkrieges scheint ihn – das wurde kürzlich in den USA, im Gespräch mit Trump deutlich – nicht zu berühren.
11. Jan./15. April 2025
Wer zum Schwert greift …
Nicht nur Worte, etwas tun! Lasst Worten Taten folgen! – Das Unheil der blanken Tat … Entscheidend ist, mit welcher Theorie, welcher geistigen Haltung, auf welchem ethi-schen Fundament einer handelt.
Kriege im Großen und Kleinen. – „Man muss doch etwas tun“, jammerten sie, da machten sie ihren Krieg im Kleinen und ließen sich scheiden.
Kompliziertheit als Vorwand – Es gibt keine einfachen Lösungen für komplizierte Probleme? Die Lösung ist mitunter wirklich einfach: Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen (vgl. Mt 26,52).
Abschreckungswahn
„Warum nicht zur Abschreckung mal kurz zwei Raketen auf Moskau und weitere hundert, zum Abschuss bereit, nah an die russische Grenze zur Bereitschaft?“ – Welch gefährliche Torheit …
Man kann Russland nicht besiegen. Vorsicht im Angesicht von Politikern: Frauen und Männern, die sich gebärden wie Anführer eines wilden Söldnerhaufens, statt das Leben der Bürger ihres Landes zu schützen, was ihre Aufgabe wäre …
Politikergeschwätz
Politik im guten Sinne: die Kunst, ein Gemeinwesen zu leiten. Politik im Bösen: Machtstreben, Machtgewinn, Machterhaltung um jeden Preis, mit allen Mitteln … Es ist schier unmöglich, hinter dem Geschwätz von Politikern die Realität des Krieges zu erkennen.
Erinnerung an die Ufa-Wochenschau und die von einem heroischen „Sieg Heil!“ geprägte Heeresberichterstattung im Dritten Reich. Auch heute bleibt das, was Krieg bedeutet, hinter Politik und Medien verborgen. Man kann weder den Bildern noch den Worten trauen, die uns als „Information“ verkauft werden. Verkauft im wahrsten Sinne, man fordert Rundfunkgebühren.
24.–27. März/22. April 2025
Geschichtsbetrachtung oder Kläranlage
Wichtig ist an der Geschichtsbetrachtung (wie im Leben überhaupt), dass man nicht bei den Interpretationen stehen bleibt, über die fremden und auch die eigenen Deutungen hinauskommt, die ja doch nur der Rechtfertigung des jeweiligen Gedanken-systems dienen.
Bei aller Ideologisierung – es gibt ungefärbte Geschichtswissenschaft, die ungefähr beschreibt, was geschehen ist und was nicht. So wie es eine Philosophie gibt, die gegen alle Ideologie den skeptischen Ansatz bewahrt hat. Aber was unten beim Volk ankommt, ist vielfach gefiltert: der ideologische Sud.
Das Bild vom Sieb, vom Raster, von der Auslese (die Kartoffelkombine), der Klär-anlage – welches trifft den Punkt? Wohl am ehesten die Kläranlage. Als Satz der dicke Rückstand des Ungeistes, mit dem die Felder des Allgemeinbewusstseins gedüngt werden … Journalisten als Hilfsarbeiter.
Die feige Art der Kriegsführung heute. Drohnen, Raketen. Schlipssoldaten, die per Knopfdruck handeln. Und der „lautlose Widerstand“* dagegen.
* Vgl. Konsalik, Westwind aus Kasakstan, München: Goldmann, 1992, S. 316. – „Leiser Widerstand“ ist der Arbeitstitel eines autobiografischen Romans, den mein Vater Rudolf Zenker (1923–2015) hinterlassen hat.
11. Sept. 2024/26. März 2025
Zeit für zwanzig Romane
Wer hat denn die Zeit, zwanzig Romane von Konsalik zu lesen?! Nur ein Rentner, ein freier Literat vielleicht, der eine Rezension schreiben will … – Machen wir die Gegenrechnung auf: Nehmen wir, grob gerechnet, zehn Romane mit 450 Seiten und zehn mit 250 Seiten. Für 50 Seiten braucht man bei zügiger Lektüre ca. eine Stunde, das heißt neun Stunden für einen dickeren Roman und fünf für einen dünneren.
Zehn mal neun macht neunzig, zehn mal fünf fünfzig, beides zusammen 140 Stunden. Wenn einer täglich zwei Stunden vor dem Fernseher sitzt, was keine Seltenheit ist, macht das in einem Monat 60 Stunden, in zwei Monaten 120. Nehmen wir noch, knapp gerechnet, 20 Stunden für Handy-Spielzeit und Surfen im Netz hinzu, haben wir 140 Stunden, gut 15 Arbeitstage. – Die Zeit für 20 Romane … Die reale Lektüre natürlich auf einen größeren Zeitraum von ein bis zwei Jahren verteilt.
Die Zeit ist also vorhanden (zumindest für eines der Bücher). Und da hat der Leser bei Konsalik etwas gelernt zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, vom Verrat der Politik und von der Kraft der Liebe, während er vor dem Fernseher nur gelangweilt konsumiert, fragwürdige Informationen schluckt, sich täglicher Gehirnwäsche unterzieht …
26./27. März 2025
Kommunikation einmal anders
Zur menschlichen Kommunikation – welch hohes Wort – gehört es, dass wir des öfteren aneinander (und auch an Gott) vorbeireden … Wagen wir es dennoch zu fragen: was hat ein Privathandy im Kirchenraum, beim Gottesdienst zu tun? Es hat zu schweigen, am besten lässt man es zu Hause. So hat der Mensch beim Glockengeläut noch eine stille Zeit, ein paar Minuten zur inneren Vorbereitung auf eine ganz andere, mit dem Herzen und dem eigenen Hirn aufzunehmende Botschaft …
Fotografieren im Gottesdienst? Nun ja, bei einer Taufe, Konfirmation, Hochzeit und anderen festlichen Anlässen. Ansonsten: singen, beten, zuhören. Die Botschaft ist wichtig, was uns Gott zu sagen hat. Wenn der Pfarrer gelegentlich im Zeitungsdeutsch redet, was Gott ihm verzeihen möge, ist freilich die Zeit vertan. – Nein, es bleiben noch immer die Gebete, die Lieder …
25. April 2025
Handy-Schock
Ich bin wahrhaft schockiert, mit welcher Selbstverständlichkeit junge Leute das Handy nutzen, es ständig mit sich herumschleppen, auf Reisen gar nicht mehr aus der Hand lassen, sich unablässig und kritiklos mit diesem Außenhirn verbinden, sich davon abhängig machen, unsichtbare Ketten mit sich heraumschleppen wie die Geister in Dickens Roman „Ein Weihnachtslied in Prosa“.
Neulich sprach ich eine junge Tschechin an: „Jetzt das Handy, hier in der Kirche, so kurz vor dem Gottesdienst? Lass es doch zu Hause, wenn wir die lateinische Messe singen.“ Sie reagierte geradezu empört: „Und wenn ich Hilfe brauche? Soll ich sterben?“
Leben und Tod in Handys Hand, ein Irrsinn.
Wenn ich so hart und kompromisslos wäre wie in früheren Tagen (das war gewiss nicht immer gut), würde ich sagen: Entweder Ihr lasst das Ding zu Hause oder zumindest unberührt bei der Probe und während der Aufführung (es sei denn, ihr habt dort Noten und Text gespeichert) – oder ich singe nicht mehr mit. Die Folge wäre: ich könnte keinen dieser Chöre mehr besuchen, in denen ich so gern mitsinge.
Also still sein, ertragen, ungefähr so, wie ich im DDR-Sozialimus kommunistische Parolen ertragen musste. Dieser Vergleich trifft es.
Es könnte ja einer sagen: Was geht es Dich an, wenn ich bei der Probe Nachrichten empfange oder verschicke?! Er begreift nicht, dass es mich persönlich verletzt, wenn jemand kurz vor oder nach dem Credo, manchmal in einer kurzen Pause von einigen Takten, plötzlich aussteigt, nach seinem Außenhirn greift und nicht im Geringsten auf die Idee kommt, dass dies eine Missachtung des Ersten Gebotes sein könnte: Ich bin der Herr, Dein Gott, Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.
Und sie verstehen es nicht. – Vielleicht erkläre ich es mit diesem Gleichnis: es ist ungefähr so, als ob im tiefsten Sowjet-Sozialismus ein Mensch während der Partei-versammlung in der Stolowaja plötzlich die Bibel hervorzieht und darin zu lesen beginnt, während der Parteisekretär redet. Aber das wäre ja, zumal in der Stalinära, ein Zeichen von großem Mut gewesen …
22. April 2025
Was Krieg bedeutet …
Statt jungen Menschen in unserem Lande die Augen zu öffnen, ihnen deutlich zu machen, was Krieg wirklich bedeutet und wie wichtig der Frieden ist, wird alles auf eine kalt-theoretische Ebene verlagert, werden Feindbilder eingeübt, Schlagworte* in Anschlag gebracht, werden Waffenlieferungen propagandistisch gerechtfertigt. Man spricht nicht von der Realität des Krieges, sondern nur über Meinungen zum Kriege.
* „Wenn Worte zu Hülsen verkommen, hat sich der Zeitgeist in ihnen niedergelassen“, schreibt Gunnar Sohn in einem Buch, das vor 30 Jahren erschienen ist: Die Öko-Pharisäer. Umweltschutz als Vorwand, Frankfurt/M.; Berlin: Ullstein, 1995, S. 10. Hier auch die Kritik an der 68er Bewegung, ihren „dialektischen Leerformeln“ (S. 28–30) und an den Medien mit ihrer Hackordnung, die als Zensurorgan an die Stelle des Staates getreten sind (vgl. S. 100 ff.). Inzwischen haben sich die Dinge noch zugespitzt.
Wer für Friedensverhandlungen eintritt, wird als Putinversteher beschimpft, Putin zum Alleinschuldigen gestempelt, zum neuen Hitler. In Talkshows debattiert man dann, wortreich und mit himmelschreiender Torheit, pro und contra Waffenlieferungen, als handle es sich um den Tennisschläger eines Ministers. Am Ende kommt heraus: wer Waffen liefert, schützt den Frieden. – Das kenne ich noch von der Zeit des DDR-Sozialismus her: Der Friede muss bewaffnet sein! Damit rechtfertigte man dann den Schießbefehl an der Mauer …
* Was Krieg bedeutet, kann man u. a. bei Remarque („Im Westen nichts Neues“) und Konsalik („Der Untergang der 6. Armee“) lernen … Eine Lektion, die man nicht vergisst, hinter der alles Politikergeschwätz über den Krieg verstummen muss.
15./29. April 2025
Konsalik als Kriegsberichterstatter
Heinz G. Konsalik, 1921 geboren, gestorben 1999: ein Mann aus der Generation meines Vaters, einer Generation, die jetzt – bis auf wenige Überlebende (ich denke da an eine 104jährige Frau in Sebnitz, die den Angriff auf Dresden miterlebt hat) – hinweggestorben ist. Es war die Stalingrad-Generation. Schon die Schlacht um Smolensk (Sept. 1941), bei der Stalin den Vormarsch der deutschen Truppen zu stoppen versuchte, brachte hohe Verluste, vordringende und „rückwärtige Bewegung“ (d.h. Rückzug) auf beiden Seiten und letztlich eine Pattsituation. Stalingrad 1942/43 war eine noch größere Katastrophe, bedeutete den völligen Untergang der 6. Armee.
Konsalik war Kriegsberichtserstatter und wurde bei Smolenks am Arm verwundet. Kriegsberichterstatter – das bedeutet: mit ganz vorn zu sein, an der Seite des einfachen Soldaten den Panzern und Granatwerfern ausgesetzt, mitten im Elend der Front. Eben nicht ein Kriegsberichterstatter der heutigen Art, die ihre gleichgeschalteten Infor-mationen von irgendeiner zentralen Nachrichtenstation in Paris, London, New York oder Berlin empfangen, am Leichtesten per Knopfdruck am Rechner, und dann über den Krieg schreiben, ohne zu wissen, was Krieg eigentlich bedeutet. Journalisten heute schreiben leider nur allzu oft von einer ideologischen Position aus. Es geht gar nicht um den Krieg, dass Menschen auf beiden Seiten sterben müssen, sondern nur darum, wem man Recht gibt und wem nicht. Der eine wird gelobt, der andere verteufelt. Und der Krieg geht weiter, man liefert Waffen. Eine kranke Welt in tödlichem Schwarz-Weiß …
Nach dem Kriege studierte Konsalik Medizin, Literatur- und Theaterwissenschaft, arbeitete als Verlagslektor, Redakteur und Dramaturg.. Schon früh, als Jugendlicher, hatte er zu schreiben begonnen. Sein Buch „Der Arzt von Stalingrad“ (1956) wurde ein Erfolgsroman und brachte den literarischen Durchbruch.
Heinz Günther Konsalik, einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller der Nach-kriegszeit, ist nach eigener Auskunft der Abkömmling eines alten Geschlechts, das in der wilhelminischen Ära den Adelstitel abgelegt hatte. Das Pseudonym Konsalik wählte er nach dem Geburstnamen seiner bulgarischen Mutter. Seine 155 Bücher wurden in 42 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von 83 Millionen Exemplaren. Viele seiner Werke wurden verfilmt, allerdings nicht immer zur Zufrie-denheit des Autors. Die Verfilmung des Doppelromans „Wer stirbt schon gern unter Palmen“ (Beyreuth: Hestia, 1972/73) ist verglichen mit dem Buch ein beschämend flaches, geistloses Machwerk, in dem man Konsaliks Denkart nicht wiedererkennt.
31. März / 01. April 2025
Zum Werk Konsaliks
Konsaliks Werk umfasst ein breites Spektrum: die historischen Romane („Iwan der Schreckliche“, „Kosakenliebe“, „Der Leibarzt der Zarin“; „Liebe in St. Petersburg“), Kriegsromane (u. a. „Der Arzt von Stalingrad“, „Das Herz der 6. Armee“, „Sie fielen vom Himmel“, „Fronttheater“, „Heimaturlaub“), die Russland-Romane („Die Ver-dammten der Taiga“, „Natascha“), Nachkriegsromane („Ein Mädchen aus Torusk“, „Niemand lebt von seinen Träumen“, „Liebe am Don“), Gegenwartsromane („Ein Kreuz in Sibirien“ [über einen Pfarrer in den Lagern an der Trasse], „Bluthochzeit in Prag“ [ein Roman zum Prager Frühling], „Transsibirien-Express“). Hinzu kommen Eheromane, Abenteuer- und Agentengeschichten – zugestandenermaßen trifft nicht alles meinen Geschmack …
Handlungsorte sind Stalingrad, Italien, Kasakstan („Der Himmel über Kasakstan“, „Westwind aus Kasakstan“), die sibirischen Lager an der Trasse, Prag, Südwestafrika („Wie ein Hauch von Zauberblüten“), der Atlantik („Die Fahrt nach Feuerland“), das südchinesische Meer („Das goldene Meer“). Menschen begegnen sich an der Front, mitten im Hagel der Geschütze, in Straf- und Gefangenenlagern, in Flugzeugen, auf Schiffen, in der transsibirischen Eisenbahn, manchmal, wie durch ein Wunder, in zwei Booten mitten auf einem breiten Strom.
Ein attraktiver Mann trifft auf eine bildschöne Frau, die zwei verlieben sich und müssen kämpfen. Das ist ein Motiv, das sich durch das gesamte Werk von Konsalik zieht. Die Liebe, oft die zwischen einem Deutschen und einer Russin, erträgt unglaubliche Strapazen, überwindet große Entfernungen. Und diese Liebe wird beschützt, oft von einem rauhen, bärbeißigen Klotz, der tief im Innern ein großes Herz hat (wie Luka im Roman „Natascha“).
Im Roman „Ein Mädchen aus Torusk“ (Beyreuth 1985) sucht ein 1955, zehn Jahre nach Kriegsende [!], entlassener Plenny (ein deutscher Kriegsgefangener) den Weg zurück nach Sibirien, um seine Geliebte wiederzufinden, die dort auf ihn wartet. Auch der gemeinsame Rückweg gelingt – wie durch ein Wunder. Überhaupt spielt das Wunder, man kann es Zufall oder Schicksal nennen, bei Konsalik eine große Rolle, das gibt er offen zu. Ohne Wunder würde es auf der Welt einfach nicht weitergehen, kämen die Liebenden nicht zueinander.
Und am Ende siegt, auf irgendeine Weise, immer die Liebe. – Ist es nicht das, was sich die Menschen erhoffen?!
19. April 2025
Konsalik in Ost und West
Hätte der Osten Konsalik gehabt, hätte man seine Bücher in der DDR kaufen können – die Augen wären uns aufgegangen, was hinter dem importierten Sozialismus steckte: der Gulag und die Lubjanka* bis weit nach dem Kriege.
* Während der kommunistischen Diktatur eine im ganzen Lande gefürchtete Folterhölle in Moskau.
Im Westen brachten die Amerikaner das Wirtschaftswunder auf den Weg, kurz zuvor hatten sie 140 deutsche Städte in Grund und Boden gebombt. Irgendwann hatte man in Deutschland/West von den Amis und ihrem Vietnamkrieg die Nase voll. Die Studenten, verwöhnte Kinder der Kriegsheimkehrer und vergewaltigten Mütter („Unseren Kindern soll es einmal besser gehen“), machten ihre kleine 68iger Revolution und besetzten später die Schlüsselstellungen in der Gesellschaft, wurden selbst zum Establishment, eine Machtelite … Im Gefolge von Marcuse, Adorno, Horkheimer und Habermas huldigten sie naiven Sinnes dem Neomarxismus, machten ein groß Geschrei (die Beatmusik gab den Rhythmus dazu). Konsalik hätte sie eines Besseren belehren können, aber die linke Literaturkritik* stellte ihn an den Rand.
* Literaturkritik, die sich so groß und mächtig gebärdet: eine kleine, in sich abgeschlossene Welt für sich, eine Flussinsel, an welcher der Strom dessen, was vom Volk gelesen wird, gleichgültig vorüber-rauscht.
Konsalik wurde im östlichen Teil Deutschlands nicht zugelassen, im westlichen Teil nicht wirklich wahrgenommen. Deutschland, das war das verbotene Vaterland, über Jahrzehnte gespalten in zwei Provinzen mit amerikanischen und sowjetischen Proku-ratoren und einem Volk, das den Befreier-Besatzern, den Siegern und ihren Geschichtsinterpretationen die Stiefel küsste … Ostdeutschland nach der Wende 1989/90: vom Westen vereinnahmt, der NATO angegliedert … Die ideologiekritische Haltung noch am ehesten bewahrt im Osten, was sich in der Krise 2020 ff. deutlich gezeigt hat.
Wir müssen die Dinge im geistesgeschichtlichen Zusammenhang sehen, sollten uns auf die Ideologie-Pauker, von welcher Seite auch immer, nicht verlassen.
N 27./29. März 2025
Konsalik und die Literaturkritik
Die deutsche Literaturkritik hat ihn eher sträflich oder gar mit Missachtung behandelt, seine Literatur als trivial, als Kolportage gebrandmarkt. Es war dieses Vorurteil, das mich jahrzehntelang davon abhielt, Konsalik überhaupt zur Kenntnis zu nehmen (auch in der Bibliothek meines Vaters befand sich Konsalik nicht). In der DDR waren Bücher von Konsalik verboten, in der Sowjetunion natürlich auch. Mit der Perestroika änderte sich die Situation, 1987 erst durfte Konsalik in die UdSSR einreisen, ein Teil seines Werkes wurde nun auch ins Russische übersetzt.
Literaturkritiker in Deutschland (wir nehmen im Folgenden ein Spiegelinterview von 1990 als Beispiel) warfen ihm vor, seine Bücher seien „eine Mischung aus Landserheft und Arztroman“, und nicht nur in seinen Romanen sei er „populistisch“. Angesichts der Tatsache, dass Konsalik bis dato insgesamt knapp 140 Romane geschrieben hatte, im Schnitt drei pro Jahr, verdächtigte man ihn, er ließe für sich schreiben. Man nannte die Konsalikbücher, „Fließbandprodukte“, „Kitsch“, bespöttelte die „volkstümliche Sprache“ und das „exotische Flair“, die Phantasie gehe mit ihm durch. In den Romanen, die seine Kriegserlebnisse als Frontberichterstatter verarbeiten, dominiere „ein unangenehm-prahlerischer und die Schrecken des Russlandfeldzuges verdrängen-der Landserton“ (etc. etc.).
Nach dem Vorwurf mangelnder Recherche die verfängliche Frage des Spiegels, ob denn die spätere gründliche Recherche eine Veränderung im „Genre des Trivial-romans“ gebracht habe …
KONSALIK: „Trivial – was soll das sein?“ SPIEGEL: „Laut Lexikon bedeutet trivial [tres + viae] die Stelle, an der drei Wege zusammentreffen, ein Ort also, der für sehr viele sehr leicht zugänglich ist.“ KONSALIK: Wenn Sie damit erfolgreiche Literatur meinen, d’accord. Nur in Deutschland gibt es diese lächerliche Einteilung in höhere und niedere Schreibkunst. In angelsächsischen Ländern kümmert sich keiner um solche naserümpfenden Klasseneinteilungen. Da zählt nur der Erfolg.“* – Und Erfolg hatte Konsalik unbestreitbar.
* Interview mit Konsalik v. 30. 12. 1990, vgl. DER SPIEGEL 1/1991.
31. März / 01. April 2025
Ein Volksschriftsteller
Konsalik: „Ich schreibe für die breite Masse des Volkes, also für sämtliche Schichten, die es gibt. Denn was hab ich davon, für zwei-dreitausend Intellektuelle zu schreiben.“
Redaktion Youtube-Kalenderblatt: „Kritikern ist dieser selbstbewusste Heinz G. Konsalik immer ein Dorn im Auge. Seine Werke seien sexistisch, frauenfeindlich, kriegsverherrlichend, voller Klischees, schmalzig und in simpler Sprache verfasst, urteilen sie.“ Konsalik: „Wenn jetzt ein offizieller Kritiker schreiben würde, dieser Konsalik ist ein blendender Schriftsteller und ein Literat, da würde ich mir sagen: Holla, was hast du falsch gemacht?“*
* Vgl. Meilensteine und Legenden 25. 05. 2021: Heinz G. Konsalik. YouTube-Kalenderblatt v. 21. 06. 2021 [zum 100. Geburtstag Konsaliks].
Trivialität?
Dass es trotz der furchtbaren Kriegsopfer in WK I und WK II von 1945 an bis heute immer noch Kriege gibt, die Menschheit bei aller Friedensarbeit und Friedens- beteuerung außer der Perfektionierung kriegerischer Mittel nichts, aber auch gar nichts gelernt hat – das ist eine triviale Tatsache, auf die man nicht oft genug hinweisen kann. Konsalik weist nicht nur darauf hin, er beschreibt die brutale Realität des Krieges und wird nicht müde, den Ausweg anzudeuten.
Der Ausweg ist die Liebe. Da dürfen sich, auch wenn Krieg ist, ein Deutscher und eine Russin lieben, nimmt eine Russin alles auf sich, einen deutschen Leutnant zu schützen. Es ist eine Liebe, die auch im Feind den Menschen sieht. So mahnt die Russin Arischa im Roman „Fronttheater“ (Beyreuth: Hestia-Verlag, o. J.) ihre Freunde, die Partisanen, die nur noch töten können: „Ihr habt Rußland einen großen Dienst getan. Ihr seid Helden, Genossen. Aber ihr seid vom Krieg verzaubert worden. Ihr seid keine Menschen mehr. Ihr seht nur noch Blut und Leichen. Aber die Welt ist schön – ihr habt es nur verlernt …“ (S. 255).
Um der Liebe zum Siege zu verhelfen, wendet Konsalik die verschiedensten Stilmittel und Kunstgriffe an: merkwürdige Zufälle (ohne ein Quentchen Glück kann das Gute nicht zum Zuge kommen), märchenhafte Elemente. Nicht nur Kinder wollen, dass ein Märchen gut ausgeht. Geschichten vom Scheitern menschlicher Liebe gibt es zuhauf.
15./25. April 2025
Eine Lanze für Konsalik
Was soll das, mehr als ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod? Konsalik spricht für sich, seine Bücher sprechen weiter. Konsalik – das ist ein Lehrstück in Sachen Geschichte des 20. Jahrhundert, ein Lehrstück Ost–West, ein Lehrstück der Menschlichkeit gegen alles Kriegsgetön. Im Werke Konsaliks stehen unzählige Sätze zeitloser Geltung, Worte, die uns heute unmittelbar betreffen. Einige davon hervor-zuheben, ist der Sinn unserer Konsalik-Reflexionen.
Kriegsverherrlichung bei Konsalik? – Mehr als ein Missverständnis: die pure Verleumdung ist es, wenn man Konsalik primitiver Sprache und der Glorifizierung des Krieges verdächtigt, nur weil er Männer im Kriege so sprechen lässt, wie er es selbst erfahren hat und wie Männer (einfache Landser) im Kriege eben gesprochen haben. So hat man geredet als Frontschwein, da war keine Zeit, keine Umgebung für wohlgesetzte Worte. Und Konsalik, der als Kriegsberichterstatter mit an vorderster Front lag, ver-steht es, aus solch harter, existentieller Sprache, Poesie zu wecken, Hoffnung und tiefe Lebenswahrheit.
Konsalik „sexistisch“, „frauenfeindlich“? – Wir umgeben uns mit Schlagworten und meinen, dass wir mit einer Handvoll erstarrter Begriffe die Wirklichkeit erfassen könnten, sie in der Hand hätten. So war es auch in früheren, von uns hart kritisierten Zeiten. Und wir merken nicht, dass wir, blind gegenüber der Übermacht des Zeitgeistes, derselben Torheit aufgesessen sind, wie wir uns auch heute dem Diktat einer Propagandamaschine beugen. – In der Masken-, Test- und Nadelzeit (2020 folgende) waren es im Grunde nur drei Begriffe, mit denen man das gesamte Feld sozialkritischen Denkens zu beherrschen und so das Denken selbst zu unterdrücken suchte: der Vorwurf der Verschwörungstheorie, des Populismus und des Rechts-extremismus. Und solche Engführung des Denkens setzt sich fort, auch in anderen Bereichen.
Der Kampf um die Rechte der Frau ist in der Ideologie des Feminismus längst über sein Ziel hinausgeschossen, hat die Geschlechter gegeneinander aufgebracht, die Frau in Uniform gesteckt, sie in einen Grabenkrieg geschickt, der am Ende auch vor der eigenen Leibesfrucht keinen Halt machte. Wahrhaft Liebende werden sich von feministischer Propaganda nicht beeindrucken lassen.
04./09. April 2025
Liebe versus Feminismus
Auch dort, wo Konsalik Frauen mit nymphomanen Zügen auftreten lässt, überschreitet er nicht die Grenzen des Zumutbaren. Am eindrücklichsten gezeichnet sind Frauen, deren Liebe stärker ist als alle von Menschen gesetzte Feindschaft, stärker als der Tod. Aus Liebe zu dem Stabsarzt Dr. Pahlberg lässt sich Renate, eine Krankenschwester, im Roman „Sie fielen vom Himmel“ (Beyreut: Hestia, 1958/1965) per Fallschirm an vorderster Front absetzen.* Aus der Urkraft echter, sehnsuchtsvoller, hingebender Liebe überquert die Kunststudentin Susanne im Roman „Niemand lebt von seinen Träumen“ (München: W. Heyne, 1984, 10. Aufl.) den Ozean, als blinde Passagierin auf dem ersten Dampfer nach dem Krieg, der unter deutscher Flagge wieder nach Amerika fuhr und überwindet so alle bürokratischen Hindernisse.
* Der Roman schildert die sinnlose Zerstörung des Monte Cassino, des Heiligtums Benedicts im Jahre 1943 (zur Absurdität des Krieges vgl. S. 226 – 228).
Das Frauenbild Konsaliks – sexististisch? So wäre eher die sehr freizügige, ins eigene sexuelle Detail vernarrte Offenlegung körperlicher Liebe bei einigen modernen Auto-rinnen zu bezeichnen, die in eben solcher Beschreibung sich als Frau erkennen und ihre Selbstverwirklichung feiern. Auch dort, wo Konsalik die animalische Seite des Fort-pflanzungswesens Menschen beschreibt (eben nicht nur des Mannes, sondern auch der Frau), gleitet er nie ins Pornografische ab. So kann seine Sicht durchaus als Korrektur eines ideologisierten Frauenbildes verstanden werden, wo immer nur der Mann trieb-gesteuert und herrschaftsbesessen ist und die Frau die bessere Art Mensch.
Im modernen Genderismus kommt die Polarität Frau gegen Mann völlig ins Wanken, so dass auch Frauenrechtlerinnen sich zu Protesten genötigt sehen. Anders gesagt: unter der angeblichen Vielfalt der Geschlechter geht das feministische Feindbild verloren. Soll man gegen einen halben oder einen Viertelmann kämpfen? Oder gegen eine frühere Frau, die sich – nach der Umwandlung – nun als Mann versteht? Oder einen Mann bestrafen, der nun eine Frau geworden ist?
Mit dem Transhumanismus, der den Menschen hinter sich lässt als etwas Überholtes, ihn nicht durch höheres (Selbst-)Bewusstsein, sondern durch Technik verbessern will, gerät nun alles ins Wanken, ist das Leben selbst in Gefahr. Da werden auch Frauen-rechtlerinnen plötzlich zu – Lebensschützern*.
* In der Abtreibungsdebatte hatte der Feminismus darausein Schimpfwort gemacht …
09./24. April 2025
Lesezeichen Konsalik: „Das Herz der 6. Armee“*
* München: W. Heyne, 1991, 33. Aufl.
Ein Funker, Jahrgang 1923, vom Jahrgang meines Vaters, in Stalingrad (vgl. S. 212 ff.). Mein Vater ist nicht in Stalingrad gewesen, wo er hätte sein können und Gott sei Dank nicht war. Er war in Mostar und Sarajewo, als Peilfunker …
AUSFLUG (S. 118) – ins Grün oder aus Stalingrad. Wortbedeutungen, Abgründe dazwischen .,.
Kraft des Lebens (S. 28), Helden werden zu Gefrierfleisch (S. 72), Liebe inmitten von Leichen (S. 78/186), Ausbruchsverbot aus dem Kessel (S. 95), Kriege als Abkehr von Gott (S. 108 / 180), Soldaten beider Seiten wie Lämmer zur Schlachtbank geführt (S. 118/215), „Richt euch!“ noch im Grabe (S. 126), Schlipssoldaten (S. 142), hier hört der Glaube auf? Nein, hier fängt er an (S. 180), Deutsche und Russen: verratene Idioten (S. 185), Weihnachten 1942 (S. 189 ff.), warum Krieg? (S. 204), Todesurteil über 230.000 Menschen (S. 291).
Das erschöpfte Herz der 6. Armee (S. 223), der Verrat an einer ganzen Armee (S. 260), idiotische Massenblindheit, Kritik am Handeln der Politik (S. 275 f.), die Korrektheit deutscher Beamter befördert das Sterben (S. 302; vgl. S. 45), Erstarrung in blindem Gehorsam (S. 304), kommende Generationen wird man genauso belügen (S. 357), die völlige Auflösung: es gibt keine Front mehr (S. 366) …
24./26. März 2025
Das Elend des Krieges und die Kraft des Glaubens
Ein Arzt und ein Pfarrer im Anblick eines Verwundeten, dem ein Granatsplitter die Hälfte des Gesichts weggerissen hat:
„Und Gott billigt das? – Man hat Gott nicht gefragt. Wenn sich Menschen über Gott miteinander unterhalten würden, gäbe es keine Kriege … Pfarrer, hört hier nicht der Glaube auf? – Nein …, hier fängt er an.“ (S. 180).
Es wird immer ein Rätsel bleiben, warum der eine im Schützengraben seinen Glauben wegwarf und der andere ihn am selben Orte fand …
24. April 2025
Ausflug ins Grün
Es ging mir bei der Lektüre von Konsaliks Buch „Das Herz der 6. Armee“ an dem Wort AUSFLUG auf, wie sehr in unseren Worten die Bedeutungen auseinanderklaffen, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind. – Ausflug ins Grün oder Ausflug im Januar 1943 aus dem Kessel von Stalingrad, ein höllenweiter Unterschied. Die Straße zum Flugplatz Pitomnik gesäumt von Erfrorenen, starren Toten; auf dem Flugplatz selbst hofften tausende Verwundete bei Eiseskälte vergeblich darauf, noch in letzter Minute ausgeflogen zu werden nach Deutschland, in die Heimat.
Im Kessel von Stalingrad, in der eisernen Zange, starb die 6. Armee einen qualvollen Tod. Eine Viertelmillion deutscher Soldaten verraten, im Stich gelassen, dahingeopfert. – Irgendwo in diesem menschlichen Chaos ein anderer, kleiner Kessel, in dem die Suppe kochte, vielleicht ein Hauch von Pferdefleisch darin, oder Hundefleisch, eine Henkersmahlzeit, zum Überleben bis zum nächsten Tag in Hunger, Frost, Angst und Verwesungsgeruch.
Paulus, im Neuen Testament ein Künder der Gnade Gottes – im Kessel von Stalingrad ein Generalfeldmarschall, der es nicht wagte (vielleicht hatte er Paulus im Römerbrief, Kap. 13 falsch verstanden), sich dem Führerbefehl zu widersetzen, der im November 1942 den Ausbruch aus dem Kessel verbot und zum Durchhalten in hoffnungsloser Lage zwang. Ein sinnloser Befehl, der 230.000 deutschen Soldaten das Leben kostete.
Ein FÜHRER ist wichtig im Hochgebirge – ein Bergführer, der den Weg zum Gipfel, beim aufkommenden Schneesturm die schützende Hütte kennt. Und den Weg zurück ins Tal. – Der Führer in Deutschland, der „größte Feldherr aller Zeiten“, ließ eine ganze Armee im russischen Winter verbluten, erfrieren.
Ein Tennisschläger ist ein Sportgerät, mit dem man die Vorstellung von wippender Hüfte und tänzelnder Bewegung verbindet. In Stalingrad war der Tennisschläger die Bezeichnung für eine schwer umkämpfte Eisenbahnschleife, die von den Russen mit allen Mitteln gehalten wurde und auf beiden Seiten viel viel Blut gekostet hat.
Worte mit klaffender Wunde. Vielleicht entdecken wir in unserem Sprachschatz heute, unserer Sprach-Waffenkammer, noch andere …
27. März 2025
Politik und Bürokratie. Warum Krieg?
Außer Zweifel steht: Konsalik kann erzählen, ist ein Meister seines Fachs. Das wird ihm niemand absprechen können. Schon allein deshalb hatte er keinen leichten Stand bei den Literaten. Wer Erfolg hat, hat auch Neider. – Hinzu kommt seine harsche Kritik des Beamtenstaates, der Profit- und Wohlstandsgesellschaft und ihrer eingefahrenen Denkmuster, an all dem Gerede von Humanität, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, an der satten Wohlbefindlichkeit des Westbürgers und ingesamt: an der Politik. Der herrschenden Politik erteilt Konsalik eine klare Absage (ähnliche Worte finden sich überall in seinem Werk):
„Das ist der Witz der Politik, den Menschen zu belügen und zu betrügen. In der Politik ist jedes Mittel recht, das zum Ziele führt“ (Der Arzt von Stalingrad, Beyreuth: Hestia, 1984, S. 172). Eine klare Definition. An anderer Stelle heißt es: „Seit wann kümmert sich die Dividente eines Aktionärs um Menschen? Von den Politkern schweigen wir ganz … da drückt man mit breitem Lächeln Hände, die vor Blut triefen, um ‚gute Beziehungen‘ herzustellen. Um Politiker zu werden, muß man eine besondere Moral haben“ (Das goldene Meer, München: Goldmann, 1990, S. 186).*
Der Roman „Das goldene Meer“ erzählt vom Schicksal vietnamesischer Flüchtlinge, ein Großteil von ihnen sind Christen, die vor der kommunistischen Dikatur fliehen, sich mit flachen Flussbooten auf das offene südchinesische Meer wagen und dort von modernen Piraten gekapert werden, die alle Männer und Kinder ins Meer werfen und die Frauen und jungen Mädchen an thailändische Bordelle verkaufen. Eine deutsche Hilfsorganisation chartert ein Schiff und rettet über tausend Menschen. Zehntausende werden vom Meer begraben oder von Piraten getötet. Auf der internationalen Linie fährt man kalt an ihnen vorüber. Es ist schwer, Aufnahmeländer zu finden, niemand will sie wirklich. Auch Deutschland nicht in seiner Asylmüdigkeit; Konsalik findet hier noch andere, härtere Begriffe, die wir aus der aktuellen Debatte kennen. Sein Buch gibt zu denken. Seit Frau Merkels Grenzöffnung von 2015 haben wir allerdings eine ganz andere Situation. Flüchtling ist heute ein sehr dehnbarer Begriff, was die Schwierigkeit der Debatte andeutet.
Chirurgische Kunst von Ärzten kann nicht ausgleichen, was von der Politik verursachte „idiotische Massenblindheit“ bei den Menschen anrichtet: „Warum marschieren sie los, wenn Stalin dawai … und Hitler marsch sagt?! Millionen hier, Millionen dort …“ („Das Herz der 6. Armee“, S. 275). Warum ist das so? „… weil die Millionen immer dorthin latschen werden, wohin einer winken wird [Futur!]. Das ist der Herdentrieb des Menschen, das Schafshirnige, das wir noch immer in uns haben. Wenn ein Hammel blökt, rennen die anderen nach … Um sich selbst zu beruhigen, nennt man das dann Politik“ (S. 276). Welcher Politiker (und welch machthöriger Journalist) wird Konsalik da noch mögen?!
Konsaliks Kritik von Bürokratie trifft den russischen und den deutschen Bürokraten gleichermaßen. Bürokraten hindern nicht nur den Nachschub an Winterkleidung und Nahrungsmitteln (bevor man einen Verteilerschlüssel ausgearbeitet hat, ist alles verdorben / vgl. „Das Herz der 6. Armee“, S. 44/45 u. ö.), sie stehen auch der Liebe zwischen einem Deutschen und einer Russin im Wege, der Liebe überhaupt – auch das kehrt häufig wieder im Werke Konsaliks.
Unablässig der Hinweis auf die Sinnlosigkeit des Krieges:
„Warum muß Krieg sein, warum schießen wir uns tot? Die da drüben uns und wir sie da drüben? Warum stehen wir nicht alle um ein Kerze und singen?“ („Das Herz der 6. Armee“, S. 204).
19./24. April 2025
Kommunismus und Gulag
Was Konsaliks Kritik an Kommunismus, KGB und Gulag betrifft (300.000 Sträflinge starben bis Anfang der 1940er Jahre allein in Workuta), war diese weder im Osten noch im Westen des geteilten Deutschlands erwünscht. Im Osten mochten die sowjetischen Besatzer solche Kritik nicht, verfolgten die bloße Andeutung mit harter Strafe – im Westen wurde sie überhört von den Anhängern der 68er Bewegung, die dem utopischen Sozialismus huldigten.
Im Erfolgsroman „Der Arzt von Stalingrad“ (Beyreuth: Hestia, 1984) lässt Konsalik einen Erzkommunisten äußern: „Die Geschichte hat uns gezeigt, daß der Kommunismus am kommunistischsten in Deutschland war. Das werden wir nie ver-gessen, wenn wir die Aufmarschbasis für den Sturm auf Europa ausarbeiten …“ (S. 113). – Und das geht ja weiter, wobei die jungen Linken auf der Straße ja kaum noch wissen, was Kommunismus wirklich bedeutet. Als Jungkommunisten würde ich sie jedenfalls nicht bezeichnen. Wie dann? Vielleicht schlicht als Antis pur, als Menschen gegen alles, was nicht ihrer Denkweise folgt.
Wir müssen heraus aus der geistigen Pubertät! Dieses Wort gilt allen, auf welcher Seite auch immer, die im bloßen Anti verharren, darüber nicht hinauskommen..
19. April 2025
Krieg und Gottesfrage
Und noch etwas konnte weder im Osten noch im Westen Anklang finden: Konsaliks Haltung zum Gottesglauben, zur Gottesfrage überhaupt. Schon allein, dass er hier einen Dialog zuließ, war Anstoß genug. In sozialistischen Filmen stellte man einen Pfarrer, sofern er überhaupt vorkam, gern als einen halb vertrottelten Menschen dar, als einen von gestern. Hier brachte in der DDR erst der Film „Einer trage des anderen Last“* eine andere Sichtweise – kurz vor der politischen Wende …
* Ein DEFA-Spielfilm nach einem Szenarium von Wolfgang Held, Regie Lothar Warneck, uraufgeführt am 28. Jan. 1988 (da war ich 35 Jahre alt, hatte mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung mit dem Sozialismus und seiner glaubensfeindlichen Haltung hinter mir).
Ganz anders bei Konsalik. Hier begegnet man Pfarrern, die inmitten der Hölle des Krieges und des Nachkriegs-Gulag („Ein Kreuz in Sibirien“) aufopfernd ihren Dienst tun. Ergreifend schildert Konsalik im Roman „Der Arzt von Stalingrad“ eine Weih-nachtsfeier, die getarnt innerhalb einer Front-Theateraufführung stattfindet:
„Die Weihnachtsfeier im Lager 5110/47 war das ergreifendste Fest der Gefangenschaft. Schluchzend trug der kleine Pastor das große, geschnitzte Kruzifix zum Altar, den man auf den Brettern der Stolowaja [des Versammlungshauses] errichtet hatte … Ein Chor, begleitet von den Streichern des Lagerorchesters, sang das Lied von Christian Fürchtegott Gellert: ‚Dies ist der Tag, den Gott gemacht …‘“ (S. 235). – Ja, auch solchen Lichtblick gab es im Gefangenenlager, nicht nur den alltäglichen Tod.
Im Roman „Privatklinik“ (München: W. Heyne, 1989, 26. Aufl.) befasst sich Konsalik mit dem Problem des Alkoholismus und erzählt von der Freundschaft zwischen einem Arzt und einem Pfarrer, beide schwer alkoholkrank. Am Sterbebett des Pfarrers entwickelt sich ein Dialog, der in eine Art Glaubensbekenntnis des Arztes mündet, den der Pfarrer immer für einen Gottesleugner hielt: „Ich glaube“, sagt der Arzt, „an einen Gott, der sich manifestiert in allem, was wir sehen. In einem Baum, in einem Grashalm, im Sternenhimmel, im Wind und im Meer … Wir sind von Wundern umgeben täglich, nur sehen wir sie nicht, weil sie zu simpel sind und zur Gewohnheit geworden. … Ich habe Sie nie auf einer Kanzel gesehen, Pfarrer, aber ich weiß, daß auch Sie nie die Blüte einer Blume hochgehoben haben und zu Ihren Gläubigen sagten: Seht sie Euch an – jetzt blickt ihr in ein Auge Gottes“ (S. 200/201). – Hier hat Konsalik vielleicht sein eigenes Glaubensbekenntnis formuliert, das freilich eher ein pantheistisches als ein ausgesprochen christliches ist.
19. April 2025
Die Straße nach Pitomnik oder Das Gesicht des Krieges
Immer wiederkehrend der geniale Arzt, der unter katastrophalen Bedingungen, mitten im Frontgebiet, bis zur Erschöpfung operiert oder, in einem späteren Roman („Das Haus der verlorenen Herzen“), als Gefangener zu kommerzialisierten Herzoperationen gezwungen wird.
Das Leiden von Männern, die im Kriege schwere Gesichtsverletzungen erlitten haben,
schildert der Roman „Das geschenkte Gesicht“ (Beyreuth: Hestia, 1976 / München: Heyne, 1997, 35. Aufl.). Nach der Lektüre dieses Buches wird es keiner mehr wagen, dem Autor Kriegsverherrlichung vorzuwerfen. Seine Antikriegsromane und auch spätere Werke belegen eindeutig Konsaliks Haltung. Wie er den von der Propaganda verherrlichten Heldentod beschreibt, ist deutlich genug:
„… die Angst packt einen, der Körper ist zerfetzt und blutet aus, man kriecht über die Erde und brüllt ‚Sanitäter! Sanitäääter‘; und dann liegt man da, von Schmerzen zerrissen, und keiner hilft einem, die Erde bebt unter den Granat-einschlägen, die Panzer rollen auf einen zu, man sieht sie kommen, man möchte wegkriechen, aber es geht ja nicht, man ist ja nur noch ein Klumpen blutigen Fleisches, und die Ketten kommen näher, immer näher, man sieht den Tod, man weiß, daß man gleich in die Erde gewalzt wird … und dann schreit man, schreit und betet und ruft nach der Mutter … und krepiert.“*
* Heinz G. Konsalik: Stalingrad – über den Wahnsinn. – In: ders, Leben und Werk eines Bestseller-Autors, München: W. Heyne, 1981, S. 92–96, hier: S. 93. „6000 kamen aus Rußland zurück, 6000 von 91.000 der gefangenen 6. Armee. 6000 von 364.000, die eingekesselt wurden an der Wolga“ (S. 94). Im Stich gelassen von Hitler und vom Generalfeldmarschall Paulus, der es am 8./9. Januar 1943 nicht wagte, selbständig zu handeln und die Kapitulation zu unterzeichnen.
So wurde die Straße nach Pitomnik der Leidensweg unzähliger Verwundeter: „Tausende stolperten ihn entlang, fielen in den Schnee, starben, wurden von den Ent-gegenkommenden weggestoßen, niedergetrampelt, pflasterten mit ihren Leibern die Straße, ein Knüppeldamm aus gefrorenen deutschen Körpern, über den die anderen hinwegkrochen wie Riesenmaden …“ (Das Herz der 6. Armee, S. 266). – Das ist der Krieg, wer wagt es da noch von Kriegsverherrlichung bei Konsalik zu reden? Dass er überhaupt so deutlich vom Kriege spricht, wird den Strategen dieser Welt ein Dorn im Auge sein. Sie leben von der Beschönigung des Schreckens.
19. April 2025
Vom weichen Krieg in Talkshow-Runden
Angebracht wäre es, dass bei jeder politischen Diskussion im Fernsehen, bei der es um Waffenlieferung geht, in Abständen von fünf Minuten in Großschrift ein kurzes Zitat aus Remarque (Im Westen nichts Neues) oder Konsalik eingeblendet würde, das die brutale Wirklichkeit des Krieges ins Bewusstsein rückt. Analog zu der römischen Sitte, wo dem Imperator bei einem Triumphzug im Streitwagen durch Rom ein Sklave beigegeben war, der ihm immer wieder das „Memento mori“ ins Ohr sprach: Bedenke, dass Du sterblich bist!
Vielleicht hält man bei den hier angedeuteten Talkshows auch ein paar Stahlhelme und sonstige Ausrüstungsgegenstände bereit, dass diejenigen (ob Mann, ob Frau), die hier so distanziert und vollmundig über Waffenlieferungen debattieren, ihren kriegerischen Worte Taten folgen lassen können und nach der Debatte sich selbst unverzüglich an die vorderste Front begeben.
Aber nein, wir ziehen ja den Krieg aus der Ferne, mit Worten und Drohnen, per Knopfdruck vor. Da sieht man das Blut nicht. Mancher Politikerin (das ist nicht gegendert!) trieft es – aus den Mundwinkeln …
19. April 2025
Linkes Sein
Wenn es einen Stalin gab und schon Lenin ein Massenmörder war, wie kann dann die linke, die rote Haltung ungetrübt als etwas Gutes gelten? Linke gebärden sich, als hätte es nie den Bürgerkrieg in Russland, nie den Gulag, nie die Verbrechen der Stalinära gegeben. Auf der anderen Seite kreiden sie anderen Deutschen, über die sie sich erhe-ben, auf ewig, noch 80 Jahre nach dem Krieg, den Hitler und die Judenverfolgung an, beschimpfen ein ganzes Volk als Nazis. Das beißt sich.
Wie kann linke Haltung etwas unbefleckt Edles sein? Dabei war doch der Stalinismus auch nur eine Spielart des Faschismus, wie Bomben auf Heilbronn und Dresden, auf Hiroshima und Nagasaki. Und Napalm auf Vietnam.*
* Zur Definition des Faschismus und seinen modernen Erscheinungsformen vgl. WB Ausg. 54 v. 13. Febr. 2024, S. 8 – 11.
Ihr, denen das Herz in guter sozialer Absicht links schlägt, hört doch auf, Euch als die Besseren zu präsentieren. Lasst die Parolen, erkennt im Anderen den Menschen, der auch ein Herz hat. Ideologien, fest gefügte Überzeugungsgebilde, versperren nur den Blick und bringen uns gegeneinander auf. – Hierin liegt der Keim zu allem Kriege … Wenn wir wirklich Frieden wollen, fangen wir doch im eigenen Lande damit an. Heraus aus den Gräben, die Waffen weggeworfen. – Den Schießbefehl nicht befolgen. Denen, die zum Kriege treiben, bei der Lösung von Konflikten auf Waffenlieferung schwören, die Gefolgschaft verweigern!
26./27. März 2025
Stalin und Hitler
Niemand hat dem Ideal des Kommunismus mehr geschadet als Stalin, niemand der Heimat- und Vaterlandsliebe einen größeren Schlag versetzt als Hitler. Als Diktator war Stalin nicht weniger skrupellos. Diener des Teufels waren sie beide, wie noch andere auf der Verlierer- und der Siegerseite. Gerade das 20. Jahrhundert hat uns gezeigt, wohin es führt, wenn der Kultus (die Gesamheit religiöser oder pseudoreligiöser Handlungen) sich von Gott abwendet und auf eine irdische Person konzentriert. Personenkult ist Ungeist, begeistert und tötet ganze Völker.
2./3. April 2025
Rot und braun
Was sie nicht mehr wissen, die in einer deutschen Kleinstadt am Ostermontag für oder gegen irgendetwas oder irgendjemand demonstrieren, ihre kleinstädtische Großdemo abhalten mit tönenden Worten: hier, auf diesem Platze, haben sich in den 1920er Jahren Braune und Rote geprügelt, so dass die Schutzpolizei aus Pirna oder Dresden anrücken musste in offenen Mannschaftswagen, die Kämpfer mit Gummiknüppeln auseinander- zubringen.
1933 kamen dann die Braunen an die Macht. Ganz gleich, wer von beiden die Macht gewann (in der russischen Revolution 1917 und dem nachfolgenden Bürgerkriege waren es die Roten), es lief immer auf Gulag und KZ, auf Massenmord an Andersdenkenden, auf schlimme Diktatur hinaus, auf Völkermord. 1945 wurden die deutschen Konzentrationslager: Buchenwald, Mühlberg an der Elbe, Bautzen und andere nach russischem Gulagmuster einfach weitergeführt, zahllose Opfer in Bautzen auf dem Karnickelberg verscharrt.
Die braune und die rote Diktatur: zwei Spielarten des Faschismus. Woher der Faschismus: diese rücksichtslose Haltung, die eigene Sichtweise von Mensch und Gesellschaft mit Macht auf die Massen zu übertragen und mit kalter Gewalt durchzusetzen? – Aus der Mitte des gespaltenen Wesens Mensch, tief aus dem Innern, wo täglich der Kampf zwischen Gut und Böse tobt. Die Bibel spricht hier von Sünde.
Wenn das Böse gewinnt, eine böse Idee die Massen ergreift, sie zur Gewalt reizt, materialisiert sich der Faschismus.
Wenigstens drei Punkte haben der marxistisch-leninistische Sozialismus und der Nationalsozialismus gemeinsam:
1.
Sie wollen beide die Gesellschaft (societas) verändern und halten dafür schon im Fundament der Lehre die Gewalt bereit, sehen in gewaltsamer Revolution ein legitimes Mittel (aus christlicher Sicht haben damit beide schon von vornherein verloren).
2.
In beiden Ideologien herrscht ein Menschenbild, das dem Menschen alle Macht der Veränderung zugespricht, dem Menschen als Täter uneingeschränkte Vollmachten gibt.
3.
Beide Ideologien sehen im Menschen nicht mehr ein Geschöpf Gottes, sie verachten den Glauben, verfolgen letztlich Glaube und Kirche. Die russische Revolution hat Tausende von Priestern umgebracht, die Kirchen entweiht, ihre Ikonen ins Ausland verschachert. In Deutschland wäre es nicht anders gekommen, hätte Hitler die Macht behalten. Die deutschen Christen, die sich dem Nationalsozialismus anbiederten, waren für Hitler ein Lacher, eine Peinlichkeit. Auf Dauer hätte er keine andere Religion geduldet als nur die eigene. Das war bei den Kommunisten nicht anders.
20./22. April 2025
Vom Finger links an der rechten Hand und vom Finger rechts an der linken
Gewöhnlich gebrauche ich dieses Vokabularium rechts-links nicht mehr, es ist entsetzlich abgegriffen. Auf einem Schiff muss es noch mehr geben als nur die Mannschaft auf der Steuerbord- und der Backbordseite. Da ist der Kapitän auf der Brücke mit seinen Offizieren und dem Steuermann, der die Richtung hält auf ein Ziel hin. Man will ja ankommen, und nicht nur irgendwo. Da ist der Smutje in der Kombüse, der für das Essen sorgt. Da ist die Mannschaft im Maschinenraum, damit das Schiff vorankommnt und nicht antriebslos auf den Wellen tanzt im Sturm der Zeit – wenn mal wieder so ein starker Zeitgeist-Wind aufkommt, der das Schiff beutelt und die Menschen in Gefahr bringt.
Das Schiff auf dem Kurs zu halten, es voranzubringen, die Mannschaft mit allem Nötigen zu versorgen, Menschen zu befördern (eben nicht nur Waren) – ein Bild für die Gesellschaft im tosenden Meer der Zeit. Da hat jeder seine Aufgabe. Und mittschiffs sind auch noch Menschen … Von Backbord her die Steuerbordmannschaft zu beschimpfen, hat keinen Sinn, bringt das Schiff nicht voran. Was hätte es für einen Wert, wenn die Mannschaft auf der Backbordseite die auf der Steuerbordseite apodiktisch zum Feinde erklärt, zum Bösen schlechthin? Gutes und Böses steckt doch in jedem von uns. Eben weil wir Menschen sind.
Es gibt nur einen Weg: miteinander das Gute zu suchen, sozialen Frieden walten zu lassen auf dem lecken Schiff. Wenn die Mannschaft streitet, statt bei einer Havarie (einem Leck im Sozialgefüge) das Nötige zu tun, wird das Schiff untergehen. Das ist gewiss.
20./22. April 2025
Die Regenbogigen
Es gibt Menschen, die alle Farbe, alle Schönseiten des Lebens für sich beanspruchen, nur auf ihrer Seite sehen und allen anderen nur das Schwere, das Dunkle anlasten. Sich selbst als die Lebensnahen, die Buntesten fühlend, streichen sie andere tiefschwarz an, als gäbe es da keine Gärten, keine Blumenwiesen, keine Leben, nur fruchtlose Steppe, moralisches Ödland.
Sie merken nicht, wie sie mit ihrer Regenbogen-Ideologie, der das Himmelblau fehlt, selbst ins Dunkle geraten. Wie hoch auch immer ein Ideal ist, sobald es als alleingültige Sichtweise diktiert, als Überzeugung befohlen, den Menschen (den Massen) mit dem Anspruch der Alleingültigkeit aufgezwungen wird und als Herrschaftsideologie zu Tage tritt, kommt – durch Zwangsmischung freier Lebensfarben – immer nur tiefes Schwarz heraus.
Der Regenbogen – ein missbrauchtes Bild, was auch für Kirche gilt, die auf ihren Türmen Regenbogenfahnen flattern lässt im Winde des Zeitgeistes. In der Bibel, in der Noahgeschichte (1. Mose, 9,13–15), finden wir die ursprüngliche Bedeutung: da ist der Regenbogen das Zeichen der unverbrüchlichen Gnade Gottes, der Verbindung zwi-schen Himmel und Erde, Gott und Mensch.
Und Gott schuf den Menschen als Mann (Hebr. Adam) und Frau (Adama), zum Bilde Gottes schuf er ihn.
20./22. April 2025
Politik von unten
Hut ab vor den Menschen, man möchte sie Idealisten nennen, die sich auf der untersten Ebene, in der Kommunalpolitik, mühen und dort Ihr Bestes geben, Gutes wirken. Je höher hinauf, umso fraglicher wird es in der Politik. Ganz oben scheint es mit dem Teufel zuzugehen, man kann und will sich nicht einigen.
22. April 2025
Propaganda gestern und heute
Die Kirche – eine NGO (non-governmental organisation), eine Nichtregierungs-organisation wie Greenpeace? Nicht staatlich gelenkt? Das wäre genauer zu prüfen. Sofern Kirche sich in ihrem Denken und Handeln von Propaganda beeinflussen lässt, hört sie auf, eine von der jeweiligen Herrschaftsform unabhängige Kraft zu sein.
Die Kommunisten und Nationalsozialisten haben ganz offen von Propaganda ge-sprochen, sie gezielt betrieben, kein Hehl daraus gemacht. Warum sollte man etwas, das man selbst für eine gute Sache hielt, nicht propagieren, unter den Massen ver-breiten? Wir sitzen heute in derselben Falle, eine Idee für etwas Gutes zu halten, ein Überzeugungssystem darauf aufzubauen und dieses auszustreuen, in der unbedingten Erwartung, das dumme Volk müsse es als Wahrheit erkennen. Nur fällt bei uns das Wort Propanda nicht, eben weil es einen negativen Klang hat. Propaganda, das war früher in Deutschland, wir heute haben ja eine demokratische Gesellschaft. – Und leben doch, ob wir das merken oder nicht, unter massivster Propaganda, so raffiniert wie sie vordem noch nie gewesen ist. Sie tritt in verschiedenen Schafs-pelzen auf und hat alle Mittel moderner Medientechnik zur Verfügung, alle Macht. Sie lebt eben davon, dass sie den Menschen nicht bewusst ist.
Propagare bedeutet im Lateinischen: (Bäume, eine Staude) fortpflanzen, (etwas der Nachwelt) überliefern, (das Gebiet eine Imperiums) erweitern, ausdehnen, (einen Termin) verlängern. Ein Propagator ist ein Verbreiter von Nachrichten. – Schaut hin, Ihr Menschen, welche Botschaften heute in unablässiger Wiederholung verbreitet werden, welche Themen immer wieder auf der Tagesordnung stehen, welche Urteile als unumstößliche Wahrheiten dargeboten werden und entwickelt ein Gespür, lest und hört zwischen den Zeilen, misstraut den Bildern, unterscheidet ehrliche Bericht-erstattung (sie ist selten) von verdeckter Propaganda.
„Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift” (Karl Marx). Wodurch geschieht das? – Durch Agitation, Agitprop, sprich: Propaganda. Agitare meint: (wiederholt oder heftig) bewegen, (Tiere) treiben oder hetzen, (Menschen) beunruhigen, plagen, verfolgen, verspotten, aufwühlen, in Unruhe bringen. Bis sie endlich sagen: Ja, Ihr habt Recht, wir beugen uns, folgen Euch nach, stehen zu Diensten. Ein Volk – ein Führer, die Partei hat immer Recht. Jetzt auf ins Globale, wir erobern den Globus … Was bedeutet schon menschliche Intelligenz?! Homo sapiens wird nicht mehr gebraucht. Schnell noch, vor dem Verlöschen, eine letzte Nachricht mit dem Handy …
24. April 2025
Die BRD als Rüstungsland und Der Traum von Kirche …
Mit Recht sieht der amerikanische Außenminister J. D. Vance die Demokratie in Europa gefährdet. Keine Regierung, die sich der Demokratie verpflichtet weiß, sollte es wagen, das Versammlungsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Gesetzen einzudämmen. Amerika geht diesen Weg nicht mit, das hat Vance deutlich zum Ausdruck gebracht: Man mag von Trump denken, was man will. Jedenfalls setzt er in die Tat um, was er vor der Wahl versprochen hat. Während unsere Politiker ihre Versprechungen umdeuten, so sei es nicht gemeint gewesen, und Deutschland zu einem Rüstungsland machen. Unglaublich. Jetzt werden auch bei VW nicht mehr nur Volkswagen gebaut.*
* Vgl. zu allem: Klartext. Bürgerzeitung für Bayern vom März/April 2025, S. 1.
Denk ich an Deutschland in der Nacht, bringt es mich nicht nur um den Schlaf, sondern um alle meine Träume von einer einigermaßen gerechten, freien Gesellschaft. Von Demokratie, Volksherrschaft, will ich gar nicht reden, gerade weil unsere Theologen (ob evangelisch oder katholisch) in ihren Predigten so oft und in beschämend un-kritischer Weise von Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit schwätzen.
Hat sich nun etwa auch der Traum von Kirche als einer von herrrschender Ideologie freien, dem Gotteswort verpflichten Kraft ausgeträumt? Ich hoffe: nicht! Wie ängstlich Kirche im gebrandschatzten Dresden eine Friedenskundgebung meidet, ist bezeich-nend. Das Häuflein war nicht groß, das da am Ostermontag 2025 vom Neumarkt bis in die Nähe des Altmarkts zog. Das Bündnis Sarah Wagenknecht, die Bürgerrechts-bewegung Solidarität (BüSo), verschiedenste Querdenker (im Ursinn des Wortes), Künstler waren dabei, einige Christen auch.
Auflagen gab es nicht nur, wie gewohnt, von staatlicher Seite, sondern auch von der Kirche her. Am Neumarkt durfte die Kundgebung mit Rücksicht auf die Gottes-dienstteilnehmer in der Frauenkirche erst 10.00 Uhr beginnen. Frühesten 11.40.Uhr war es erlaubt, vor der Kreuzkirche zu erscheinen, damit die Gottesdienstteilnehner nach Verlassen des Gotteshauses nicht etwa mit den Anblick von Friedensplakaten beleidigt würden …
Armes Dresden. Arme Kirche. Geistig armes Deutschland. Und wieder heißt es: gen Ostland! Gegen Russland wollen wir ziehen!? Welche Torheit, hier an einen Sieg der Waffen zu glauben …
22. April 2025
Kirche und politische Korrektheit
Wo Kirche sich der politischen Korrektheit beugt und es nicht wagt, vom Worte Gottes her eine eigene Position jenseits herrschender Ideologien zu beziehen, verliert sie völlig ihre Glaubwürdigkeit. Die Rechtsextremen, die neuen Faschisten sitzen nicht dort, wo es uns die Medien einreden wollen, sondern an ganz anderer, höherer Stelle. Eine Kirche, die – sei es direkt oder indirekt durch ihr Schweigen – forcierte Rüstung und Waffenlieferung in Kriegsgebiete zulässt, macht sich mitschuldig an Tod und Ver-derben, an allem, was ein Krieg zwangsläufig mit sich bringt. Sie segnet die Waffen.
Einer solchen Kirche erkläre ich in aller Deutlichkeit meine Distanz, mein klares Nein, auch wenn ich bewusst evangelisches Kirchenmitglied bleibe, Gottesdienste besuche und in Chören mitsinge. Ich lasse mich doch nicht aus meiner Kirche herausdrängen. Eine protestantische ist sie ja leider kaum noch zu nennen. Auf evangelischen Kirchentagen erkennt man klar, in welch hohem Maße Kirche bereits gleichgeschaltet ist. Es wäre völlig zum Verzweifeln, gäbe es nicht hie und da im Raum der ecclesia sancta auch bekennende Christen*, die nach wie vor an der Basis treu ihren Dienst tun und sich von Ideologie nicht beirren lassen.
* Erinnert sei an die Thesen der Barmer theologischen Erklärung von 1934 (vgl. Ev. Gesangbuch, Nr. 810). – Zur Bekennenden Kirche heute zähle ich den Gemeindehilfsbund in Krelingen, die Bekennt-nisbewegung Kein anderes Evangelium und die Sächsische Bekenntnis-Initiative (SBI).
Wir wissen doch, dass im Überbau der Institution auch auf Bischöfe, ob evangelisch oder katholisch, auf diese Hirten der Kirche (in den Freikirchen nicht anders), kein Verlass ist, dass die ganze EKD, der Bund der evangelischen Kirchen in Deutschland, geistig einem geknechteten Trauerhaufen gleicht, dem Zeitgeist zu Diensten. Von da ist nichts, aber auch gar nichts Substantielles zu erwarten. Diese Damen und Herren bedienen sich in wortreichen, sprachlich faden Konsenspapieren der gängigen Propa-gandavokabeln und Klischees und wissen nicht im Geringsten, was gespielt wird. Sie verhalten sich wie Mietlinge im Gleichnis vom guten Hirten (Joh 10, 12) – theologisch und gerade dort, wo sie sich in politische Urteile pro und contra versteigen. Oder handeln sie etwa absichtsvoll, einer politischen Agenda folgend?
Das Versagen von Kirche während der Krise 2020 ff., ihr vorauseilender Gehorsam, war erbärmlich, wahrhaft zum Schämen für jeden aufrechten Christenmenschen. Ein Verlust von Heimat dazu …
07./22. April 2022
Frieden an fünf Fingern. Ansprache zum Ostermontag 2025 am Altmarkt in Dresden
Ihr Lieben, eine frohe, lichterfüllte Osterzeit Euch allen! – Ich bin Gert Zenker, protestantischer Theologe und Literat. Seit fünf Jahren Herausgeber der WendeBlätter 2020.
Euch Dresdnern muss ich nicht sagen, welches Feuer hier auf dem Altmarkt vor 80 Jahren brannte … Der Altmarkt, Dresden überhaupt, ist ein Ort, auf dem schwere Erinnerung lastet … Beim Tode können wir nicht stehenbleiben. Von Ostern, vom Frühling lernen wir: Es gibt einen Neubeginn, neu erstandenes Leben. – Das Wort Frieden wage ich ja kaum noch in den Mund zu nehmen, bei all dem Waffengeklirr und Kriegsgeschrei dieser Welt, auch in unserem Lande. Und das hat nie aufgehört in der Menschheitsgeschichte … Wer heute Frieden sagt, steht unter Verdacht. In der traurigen Debatte um Mutterschaft hat man ja auch das Wort „Lebensschützer“ in Verruf gebracht. Es scheint, es hinge alles nur an Vokabeln, mit denen man unser Denken und Empfinden zu prägen sucht, ihm ideologische Grenzen setzt.
Man lehrt uns, global zu denken. Hoffentlich verlernen wir bei all dem nicht, menschlich zu denken, auf das Geringe zu schauen. Frieden beginnt im Kleinen, im Leben vor Ort. Stellen wir ganz einfach die Frage: wo wächst Frieden und woran zerbricht er? Oder anders gesagt: was dient dem Leben und was hindert es? Ich nenne fünf Punkte, die Liste ist keinesfalls vollständig.
1. Frieden in den Familien
Was reden wir vom Frieden … Wie seht es denn in den Familien aus? Man kann das nicht oft genug fragen. Die Trennungsrate, leider auch bei Christen und Theologen, ist erschreckend hoch in unserem Lande. Kriege beginnen im Kleinen, dort, wo sich Vater und Mutter nicht mehr verstehen, Familien auseinanderbrechen, Eltern ihren Kindern das Zuhause nehmen. Und der Zeitgeist mit seiner Ich-Religion der schrankenlosen Selbstverwirklichung liefert dazu noch die Waffen. Da werden Frau und Mann zu Feinden gemacht, ideologisch gegeneinander ausgespielt.
Leben gedeiht dort, wo Frau und Mann in Liebe zusammenstehen, etwas aushalten, Opfer bringen, einander verzeihen, für die Kinder da sind.
2. Frieden in der Gesellschaft. Sozialer Friede …
Wie gehen wir miteinander um in unserer Gesellschaft? Das ist die nächste, sehr wichtige Frage, sie hängt mit der ersten zusammen. Es ist viel die Rede vom sozialen Diskurs, vom öffentlichen Austausch der Gedanken, oder der Narrative, wie man heute gerne sagt, der Erzählweisen.
Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Statt einander zuzuhören, werden Schlagworte in die Welt gesetzt. Mit nur drei Worten (ich nenne sie hier nicht): das eine hat’s mit dem Schwören zu tun, das andere mit dem Volk, das dritte mit der Steuerbordseite eines Schiffes – mit nur drei unablässig wiederholten Begriffen kann man das ganze weite Feld des Denkens besetzen, das Weiterdenken hindern und ein echtes Gespräch, den Austausch der Sichtweisen verunmöglichen. Was wir in der politischen Landschaft hierzulande vorfinden, ist ein Stellungskrieg. Man hat sich eingegraben, schießt auf-einander. Und gerade die Politik, die doch zum Wohle der Gesellschaft handeln sollte, ist uns da kein gutes Vorbild. Jedem Kinde sagt man: sei nicht so rechthaberisch, hör doch mal zu, beschimpfe Deinen Bruder nicht, suche die Schuld nicht immer nur bei den andern usw. usw.
In Summa: aus Schlagworten, toten Begriffen, gerade wenn man sie unablässig wiederholt, ihre Starre zementiert – wächst kein Leben, aus Gebrüll kein Friede, eher aus den leisen Tönen. Was uns die Politik bietet, ist ein einziges Poltern, Besserwissen und Verurteilen, als hätte man nie eine gute Kinderstube gehabt. Wir müssen da heraus, wieder eine Sprache mit- und füreinander finden, schlicht eine andere, würdige Umgangsart.
Was wir dringend brauchen ist sozialer Friede. Ohne sozialen Frieden keine Gerechtigkeit, keine Wahrheit, kein freies Denken.
3. Feindbilder
Wir setzen die Linie fort … Aus Feindbildern erwächst kein Leben. Ich lasse das bewusst so im Allgemeinen, jeder kann sich da seinen Feind vorstellen und darüber nachdenken, ob seine Haltung richtig ist, wahrhaft dem Frieden dient. Nie sollten wir vergessen, dass auch der, den wir als Feind betrachten oder der sich uns als Feind darstellt, ein Mensch ist, fehlbar wie wir selbst, eben nur eine besondere Variante des einen rätselhaften Wesens Mensch. Mit Feindbildern lösen wir keine Probleme, befrieden wir keine Konflikte.
Leider ist in unserer Medienlandschaft ringsum alles auf Feindbilder – eingeschossen. Ich verwende bewusst diese kriegerische Vokabel. Am Ende wird noch die eigene Leibesfrucht zum Feinde …
Wie schnell sind wir an dem Punkt, wo nicht mehr Humanität, nicht Mitmenschlichkeit unser Denken und Handeln bestimmt, sondern nur noch – das Feindbild. Aus dieser Frontstellung müssen wir heraus. Weg mit allen starren Feindbildern, mit dem Feindbild überhaupt. wenn da ein Feind ist, sitzt er zuerst und vor allem – in uns selbst. Der ehrliche Kampf, das Ringen um Wahrheit und Gerechtigkeit, beginnt im Innern des gespaltenen Wesens Mensch, dort, wo Gut und Böse miteinander ringen.
Wer den anderen nicht achtet, der anders denkt, verliert mit der Kritikoffenheit auch ein Stück seiner selbst, stellt die eigene Fähigkeit zum kritschen Denken, ja zum Denken überhaupt in Frage.
4. L’homme machine. Der Mensch als Maschine?
„Menschlich bleiben“ titelt eine Zeitschrift und meint das Pro und Contra in der Flüchtlingsfrage. Diese Frage ist nicht mit einer Handbewegung abgetan. Und es gibt noch andere Themen, manche werden uns buchstäblich aufgedrängt (Stichwort: politische Korrektheit, Gender, Klima etc.). Wichtig ist, sich nicht davon ablenken zu lassen, dass es noch in einigen anderen, sehr wichtigen Bereichen darum geht, menschlich oder schlichtweg Mensch zu bleiben.
Wie kann Frieden wachsen und gedeihen? – Gibt es vielleicht so etwas wie eine Friedenspille, die den Menschen verbessert? Zumindest in seiner leiblichen Konsti-tution, oder gar moralisch, in seinem Bewusstsein? Ich meine so etwas Chemisches oder Biologisches, das man den Menschen verabreichen könnte, damit sie friedlicher, gehorsamer, durchschaubarer, im Globalen lenkbarer werden. Notfalls (Ihr merkt, ich ironisiere bewusst) – notfalls müsste man an den Genen, der menschlichen Erbanlage ein wenig herumbasteln, durch Züchtung die unvollkommene Schöpfung korrigieren.
Oder wäre irgendein technisches Element denkbar, ein Chip vielleicht, bleibend eingepflanzt an der Schnittstelle zum Gehirn? – Hier geht man gewissermaßen über das biologisch Vorfindliche des Menschen hinaus und sucht es technisch zu verbessern …
Ein Gespenst geht um in Europa und auf der ganzen Erde, es ist das Gespenst des Transhumanismus – diese Tendenz, über den Menschen, dessen Wesen man gar nicht begriffen hat, hinauszugehen, ihn mit technischen Mitteln verbessern zu wollen, sein Leben zu verlängern, ihn womöglich unsterblich zu machen. Dann gehen die, die es sich leisten können, künftig ab und an zum TÜV, was krank ist am Körper und im Gehirn wird ausgetauscht, durch technische Elemente ersetzt, so hat man wieder für zehn Jahre Ruhe.
Das heißt dann Transhumanismus. Einen Schritt weiter, im Posthumanismus wird der Mensch völlig durch die Maschine ersetzt, der Homo sapiens hört auf zu existieren. – Na danke! Soll das die Zukunft sein für unsere Kinder?
Machen wir uns nichts vor: solche Visionen gibt es, sie sind längst Programm. Wir spüren die Gefahr. – Werden wir auf diesem Wege Frieden, das Leben finden? Wohl kaum. Eher das Gegenteil. Wir sind gewarnt.
5. Lasst Euch versöhnen …
Auch der fünfte und letzte Punkt fragt danach, wo Frieden wächst und wo nicht. Lasst Euch versöhnen, sucht Versöhnung – im Familiären, in der Gesellschaft, im Gebrauch Eurer Worte, im Umgang mit Eurer Leiblichkeit und Euerm Verstand.
Menschen folgen allen möglichen Denkgebäuden und Ideologien, gehen dem jeweiligen Zeitgeist leicht in die Falle. Das gilt auch für Christen, für Kirchen und einige Bischöfe, die dem Zeitgeist mehr vertrauen als dem Gotteswort, z. B. diesem: „Macht euch nicht dieser Welt gleich“, folgt nicht ihrem Schema! Ich wiederhole hier, was ich schon im vorigen Jahr am Ostermontag gesagt habe: Wenn es von der Kanzel genauso klingt und tönt wie in den Zeitungen, kann etwas nicht stimmen.
Evolution und Klimawandel haben den Status einer Religion erlangt, bis in die Kirchen hinein. Im Alltag hängen wir am Fernseher, an Computer und Handy, diesen Außen-hirnen, die uns zu Götzen geworden sind, eigenes Denken eher hindern als befördern. Vor diesen Altären knien wir gern (das ist ein Thema für sich …).
Der moderne Mensch schluckt, was der profane Zeitgeist ihm bietet, folgt unbelehrbar alten und neuen Führern, die ihn in die Irre leiten.
Und wo wirklich eine gute Botschaft ist, aus dem Neuen Testament zum Beispiel: „Selig sind die Friedfertigen … Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen … Du sollst Gott lieben und deinen Mitmenschen wie dich selbst“, da wird sie ignoriert, verspottet, in den Schmutz getreten. Man folgt eher dem Teufel als dem Christengotte.
Sicher ist: die Verachtung des Gottvertrauens, die Gotteslästerung, die uns überall umgibt, uns entgegentönt, bringt keinen Frieden. Die Bibel mahnt: „Lasst Euch versöhnen mit Gott!“, haltet Frieden mit dem, der das Universum und alle Kreatur ins Leben gerufen hat. Gebt ihm die Ehre, verachtet ihn nicht.
Wir feiern Ostern, weil ER, das höchste Sein (summum ens), die Erstursache (prima causa) von allem, den gekeuzigten Menschensohn von den Toten auferweckt und damit ein Zeichen des Lebens gesetzt hat. Bald wird der Mensch in seinem Wahn der Gottgleichheit („Homo Deus“, der Mensch als Gott) selbst in der Lage sein, Tote wieder zum Leben zu erwecken. – Und dem Schöpfer des Universums trauen wir ein solches Wunder nicht zu? Da stimmt doch etwas nicht …
Machen wir Gott nicht kleiner als er in Wahrheit ist und uns nicht größer, als es uns Menschen zusteht. Vielleicht werden wir dann, zuerst in unserem innersten Wesen, wahrhaft Frieden finden. – Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Amen.
Danke fürs Zuhören … Ein frohes Auferstehungsfest Euch allen!
09. / 19. April 2025
ein Licht sein
ein Korn Wahrheit
ein Sandkorn
am Meer
an den Wogen die
kommen und gehen
fallen und fliegen
ein Licht geben
ins Dunkeltrüb
der all- Tage
geh, fühle!
die Sonnenstrahlen die
kommen und gehen
sehen und sichten
ein Licht sehen
in den Fenstern
den Augen
herznah
im Du, im nahenden Gott
komm und geh
geliebt und liebend
2021
Katya Garcia, Dresden