Textauszug v. 02. Jan. 2021, die nächsten Ausgabe der WendeBlätter 2020: Nr. 17 vom 15. Januar 2021 betreffend.
Gefangene im geistigen GULag des Westens [Zitat]
Wladimir Bukowski (1942 – 2019), sowjetischer Bürgerrechtler, zwölf Jahre lang mit Gefängnissen, Konzentrationslagern und der Zwangpsychiatrie der damaligen Sowjetunion konfrontiert, 1976 auf dem Flughafen in Zürich gegen den chilenischen Kommunistenführer Luis Corvalán ausgetauscht. Als er in den Westen kam, in der Hoffnung auf Freiheit, begegnete ihm eine fremde Welt, die, von den Achtundsechzigern geprägt, nur im Schema „rechts“ – „links“ denken konnte. Bürgerrechtler wie Solshenizyn und Bukowski wurden im Westen, da sie nicht an den Sozialismus glaubten, ohne Zögern als „reaktionär“ (d. h. rechts) eingestuft. Das Denken, das Verstehen befangen in den Barrieren eingefahrener Sprachmuster. In der Begegnung mit sowjetischen Bürger-rechtlern versagte die westliche Welt, Bukowski hat dies bitter erfahren müssen:
„Gewohnt, nur in den Begriffen „links – rechts“ zu denken, und durch unglaubliche ideologische Distanz voneinander getrennt, konnten diese Gefangenen im geistigen GULag des Westens einfach nicht begreifen, daß sie es mit etwas prinzipell Neuem zu tun hatten.“
W. Bukowski: Dieser stechende Schmerz der Freiheit. Russischer Traum und westliche Realität, Frankfurt / M.; Berlin: Ullstein, 1985, S. 71 (Französische Erstausgabe: Cette lancinante douleur de la liberté, Paris 1981).
Eine ähnliche Erfahrung mußten auch aus der DDR kommende Bürgerrechtler machen (Siegmar Faust und andere). Dass es in dem real existierenden Sozialismus politische Gefangene gab, konnte die an einem kommunistischen Ideal orientierte Linke des Westens, die vom realen Sozialismus nicht die geringste Vorstellung hatte und dessen Scheitern ignorierte, nicht verstehen. Treffend Bukowskis Kritik an der westlichen Gesellschaft, sie gilt bis heute:
„Die extreme Ideologisierung führt dazu, daß man beginnt, in Stereotypen zu denken, daß die Bedeutung von Wörtern willkürlich umgekehrt wird und daß jeder großmäulige Demagoge sich stets als der ‚progressivste‘ darstellen kann. In den politischen Wettrennen der modernen Welt gibt es immer eine Möglichkeit, den Gegner links zu überholen, man braucht ihn nur als ‚Reaktionär‘ [als Rechten] zu brandmarken, und schon ist er isoliert. Und da jede Ideologie ‚Dämonen‘ braucht, fängt man mit der Dämonisierung des Gegners an. Allmählich bildet sich um ihn herum ein ‚Mordklima‘, und bald darauf betritt der Terrorist die Bühne.“ W. Bukowski, a. a. O., S. 72
Gefangen im geistigen GULag des Westens [Fortsetzung]
Damals gab es sie noch: die Illusion westlicher Freiheit hinter der Mauer, jenseits des eisernen Vorhangs, die Möglichkeit des Entkommens in ein anderes Land. – Doch wohin jetzt? Bukowski Klage hat heute, wo es aus der wachsenden Finsternis von freiheitsbeschneidenden Maßnahmen und drohender Impfdiktatur kein Entrinnen zu geben scheint, einen eigenartigen Klang.
Wichtig die Mahnung, sich im Widerstand nicht spalten zu lassen:
„Wir waren aus einem finsteren Lande gekommen, wo es kein politisches Leben gibt, wir waren mit dem Gefühl von Provinzlern gekommen, die zufällig in die Hauptstadt geraten sind, und plötzlich stellte sich heraus, daß wir in politischer Hinsicht viele Jahrzehnte älter waren. Obwohl wir [als Bürgerrechtler] verschiedene politische Anschauungen haben, wird es niemandem mehr gelingen, uns in ‚Lager‘ einzuteilen. Von dieser gefähr-lichen Dichotomie hat man uns äußerst erfolgreich mit Zwangsinjektionen von Sulphasin kuriert. Wir kennen nur ein politisches Lager: das Konzentrationslager, und dort erhalten wir alle die gleiche Wassersuppe. Rechts und links gibt es dort nichts außer der ‚Sperrzone‘, in der Aufseher ohne Warnung schießen.“
W. Bukowski: Dieser stechende Schmerz …, S. 73. Dichotomie (griech.): Zweiteilung, Zweigliedrigkeit. Sulphasin (Sulfasin): eine schmerzwirkende und lähmende Emulsion, als Strafmittel gegen politische Häftlinge eingesetzt.
Ius und lex: Recht und Gesetz
„Recht besteht in der Freiheit, etwas zu tun oder zu unterlassen, während ein Gesetz dazu bestimmt oder verpflichtet, etwas zu tun oder zu lassen. So unterscheiden sich Gesetz und Recht wie Verpflichtung und Freiheit, die sich in ein und demselben Fall wiedersprechen.“
Thomas Hobbes (1588 – 1679): Leviathan oder Materie, Form unmd Gewalt eines kirchlichen und staatlichen Gemeinwesens, Leipzig: Reclam, 1978, S. 110 (Teil I: Vom Menschen). Sebnitz, 02. Jan. 2021
Zur Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin am 31. 12. 2020
Was für ein Jahr
„Was für ein Jahr liegt hinter uns … 2020 ist etwas über uns gekommen, womit die Welt nicht gerechnet hatte. Ein bis dahin unbekanntes Virus dringt in unsere Körper und unsere Leben ein, es trifft uns da, wir am Allermenschlichsten sind: im engen Kontakt, in der Umarmung, im Gespräch, beim Feiern. Das Virus macht normales Verhalten zu einem Risiko und ganz ungewohnte Schutzmaßnahmen normal.“
Die Welt, die Bevölkerung der Erde, hat nicht damit gerechnet, doch andere wußten schon lange vor dem Jahre 2020 davon, haben Corona prognostiziert, vorab eine Agenda entworfen. Nicht nur das Virus, sondern vor allem die in ihrer Sinnhaftigkeit („Normalität“) durchaus hinterfragbaren Schutzmaßnahmen dringen in unser Leben ein, nehmen uns den freien Atem – und manches Bürgerrecht.
Am Ende dieses atemlosen Jahres
„Am Ende dieses atemlosen Jahres heißt es auch, einmal innezuhalten, und zu trauern.Wir dürfen als Gesellschaft nicht vergessen, wie viele einen geliebten Menschen verloren haben, ohne ihm in den letzten Stunden nahe sein zu können. Ich kann Ihren Schmerz nicht lindern. Aber ich denke an Sie, gerade auch heute Abend. Ich kann nur ahnen, wie bitter es sich anfühlen muss für die, die wegen Corona um einen geliebten Menschen trauern, oder mit den Nachwirkungen einer Erkrankung sehr zu kämpfen haben, wenn von einigen Unverbesserlichen das Virus bestritten und geleugnet wird.“
Wer einen nahen Menschen verloren hat, dem werde ich mein Mitgefühl bekunden, und alles Argumentieren über die Todesursache unterlassen. Das gebietet die Pietät. Frau Merkel vermischt hier zwei Ebenen: Mitgefühl und Polemik passen nicht zusammen, zumal letztere die Sachebene nicht erreicht.
Ich persönlich gehöre zu den Unbeirrbaren, die das Virus keinesfalls bestreiten oder dessen Existenz leugnen, aber die mitgeteilten Infektionszahlen des RKI, die Wirksamkeit der angeordneten Schutzmaßnahmen und die Sinnhaftigkeit millionenfacher Impfung bezweifeln – dies aus guten Gründen.
Zur Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin am 31. 12. 2020
[Fortsetzung]
Verschwörungstheorie. Eine Definition
„Verschwörungstheorien sind nicht nur unwahr und gefährlich, sie sind auch zynisch und grausam diesen Menschen gegenüber“ [die um einen geliebten Menschen trauern].
Suggeriert wird: die Annahme einer Verschwörung sei reine Theorie, habe mit der Praxis, der Wirklichkeit nichts zu tun. Befrachtet wird die Vokabel dann mit mehreren Negativbegriffen: Unwahrheit, Gefahr, Zynismus*, Grausamkeit. Was hier jedoch Wahrheit sei und wo die eigentliche Gefährdung liegt, ist keineswegs eindeutig. Und grausam könnte man auch jene nennen, die aufgrund eines fraglichen Befundes weitgehende Hygienemaßnahmen erlassen haben, die das soziale Miteinander schwer belasten und den Kindern in der Schule die Maske aufzwingen. * Zynisch meint hier gefühlos, mitleidlos, menschenverachtend.
Wenn wir von Zynismus reden wollen, so kommt zuerst in den Blick, was der Philosoph Peter Sloterdijk vor knapp 40 Jahren über den „Staats- und Vormachtszynismus“ geschrieben hat.* Für den längst überfälligen Dialog mit Andersdenkenden wäre es anzuraten, auf abgegriffene Kampfparolen: Corona-leugner, Verschwörungstheoretiker, rechtsextrem (etc.) zu verzichten, und sich auf der Sachebene zu begegnen.
Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft, Frankfurt / M.: Suhrkamp, 1983, Bd. 2, S. 422 – 461.
Machen wir uns nichts vor (ich darf mich wiederholen): selbstverständlich gab und gibt es geheime Absprachen in der Politik, von der frühen Menschheits-geschichte an bis auf unsere Tage. Das ist eine Binsenweisheit, über die man nicht diskutieren muss. Politiker wissen das aus eigener Erfahrung. Zudem haben Menschen, die auf dem Felde des Geistigen zu Hause sind: Philosophen, Literaten, Sozialwissenschaftler, Historiker immer wieder darauf hingewiesen.
Lasst uns doch – nur für das 20. / 21. Jahrhundert – die Sache im Einzelfall prüfen und genauer hinschauen.
02. Jan. 2021