So viel Text … Anstelle eines Editorials
Wir über- und unterschätzen die Macht des Wortes. Einerseits kann ein gutes Wort viel ausrichten, andererseits richten auch viele gute Worte oft gar nichts aus. Was wir absolut unterschätzen, sind die Medien, welche Macht Funk und Fernsehen, die Presse, das Smartphone und das Internet über uns haben.
03./05. Juli 2022
Wir wollen es uns nicht gar so leicht machen. Es gibt sehr einfache Menschen, die doch zu klarer Erkenntnis kommen, und Intellektuelle, die nichts begreifen von der Situation, in der wir uns befinden. Oft ist es so: was einer mit dem ersten Wisch am Handy oder dem ersten Knopfdruck an der Fernseh-Fernbedienung nicht erhascht, das existiert für ihn nicht. Die Oberfläche trügt, die Oberflächlichen bleiben an ihr hängen. Im Blick auf die Propagandamaschine ist der erste Eindruck immer der schlechteste.
11. Juli 2022
„So lang, so viel Text!“ Wir schreiben schnelle Texte in unseren Rechnerbotschaften, hastig, ohne Korrektur, gebrauchen Abkkürzungen (wobei LG für liebe Grüße noch am sinnreichsten ist), holen uns schnelle Informationen aus dem Netz, ein paar Über-schriften aus den Schlagzeilen usw. Man hält uns bei den kurzen Texten, am kurzen Bewusstseinsbandel, kurzum: man hält uns dumm. Höchst gefährlich, ein Buch von 325 Seiten zu lesen wie das von Steffen Pichler: Der Goldene Frühling,* man könnte zu weitreichenden Erkenntnissen kommen. Wir stellen uns dieser Gefahr …
* Vgl. S. 14–17 dieser 41. Ausgabe der WendeBlätter 2020.
13. Juli 2022
Ein Gespenst geht um auf dem Globus – das Gespenst des Coronismus … Dahinter das offene Programm des Great Reset. Das kommunistischen Ideal der gerechten Verteilung aller Güter, d. h. der gänzlichen Besitzlosigkeit und das Konzept der Herrschaft einer Klasse (einer Clique) mit imperialen Mitteln.
Kommunistisches Manifest und Kapital im Komplott.
24. Juni/16. Juli 2022
Zum Psychogramm der Anpassungsmasse
Grundsätzlich bin ich gegen jedes voreilige, laienpsychologische Urteil. Mit Psychologisierung des anderen (des Gegners) ist man im Allgemeinen viel zu schnell zur Hand, sie ist ein häufiges Mittel, dem sachlichen Disput auszuweichen. Will man sich der Sache nicht stellen,* greift man den Menschen an. Dafür gibt es auch in der Gegenwart, im Pro und Contra um die Ereignisse 2020/22, vielfältige Belege. Corona-Maßnahmenkritiker werden als Menschen schlicht heruntergemacht. Auch von der Kritikerseite tönt es nicht nur freundlich.
* Dieser Verdacht des Nicht-Wollens stellt freilich wiederum eine Art Psychologisierung dar.
Nichtsdestoweniger gibt es achtbare Untersuchungen zum Psychogramm der Masse, u. a.: Gustave Le Bon (1841–1931): Psychologie der Massen (Paris 1895), Elias Canetti (1905–1994): Masse und Macht (1960) bis hin zu Joachim Maaz (u. a.): Corona-Angst. Was mit unserer Psyche geschieht (2021). – Vielleicht ist die Masse, sofern sie sich bei einem gewissen Grad der Unterdrückung nicht als Revolutionsmasse zusammenfindet, in Friedenszeiten per se eine Anpassungsmasse.
Zu ihr gehören Menschen jedes Berufs, jedes Alters und Standes, jedes Charakters, Männer, Frauen, Kinder. Wer gut denken kann, den hindert vielleicht ein gewisses Ruhebedürfnis, die Eigenschaft, sich mit niemandem anlegen zu wollen, an einer klaren Positionierung. Auf der anderen Seite genügen Mut und ein widerständiger Charakter nicht, wenn die Bereitschaft zum tieferen Denken fehlt. Wieder ein anderer denkt, er hat Mut, sieht die Impfung kritisch, lässt sich aber dann doch darauf ein …
Es sind nicht allein bestimmte Charakterzüge der Menschen, die zur Anpassung neigen, es ist eine kaum zu entwirrende Mischung der verschiedensten Eigenschaften und Einflüsse. Ich denke, die Strategen der Macht, die Profis der Propaganda kennen uns weit besser als wir uns selbst. Das System bietet für jeden Charakter eine ausgeklügelte Strategie, die ihn zum Gehorsam zwingen will.
Offenbar gibt es ja doch ein paar Grunddaten, menschlich-allzumenschliche Eigenschaften, an welche die Propaganda, die es mit Millionen Menschen zu tun hat, anknüpfen kann. Eine dieser Eigenschaften ist die Gutgläubigkeit.
Freiheit beginnt mit der Freiheit von Propaganda …
30. Juni/11. Juli 2022
Nur zu unserem Schutz …
„Um uns vor Putin zu schützen. Biden schickt neue Soldaten nach Deutschland“ (BILD v. 30. Juni 2022 / Titelseite)
Es beginnt mit einem trügerischen Finalsatz, einer antiputinistischen Zweckbe-stimmung: „Um uns vor Putin zu schützen“, damit man nicht erschrickt über die Tatsache: aus den USA kommen Soldaten nach Deutschland. Ist nun Deutschland, dieses Mal ganz Deutschland, ein von den Amerikanern besetztes Land? Mit dem Truppenabzug nach der Wende 1989/90 hat es ja ohnehin nicht so ganz geklappt, da waren die bösen Russen konsequenter … Als ob man uns mit ein paar „neuen“ (das Adjektiv kleingedruckt in BILD) Soldaten wirklich schützen könnte – Deutschland vor einem Großreich wie Russland. Gezielte Torheit provoziert den Russen weiter und legt es auf einen Weltkrieg an.
Mich überkam ein sarkastisches Lachen, als ich im Supermarkt diesen BILD-Titeltext las. Es ist unglaublich, wohin Politik und Medien mit ihrem Kriegsgeschrei, ihrem Waffenlieferdurst geraten sind. So wie sich die USA und die Nato-Staaten verhalten, würde es mich nicht wundern, wenn Putins Truppen plötzlich, über Nacht, in Deutschland stünden. Ich wünsche es mir nicht, keinem von uns. Offensichtlich gibt es Kräfte, die das so wollen: den totalen Krieg – zur Beschleunigung des Great Reset.
30. Juni/16. Juli 2022
Verfahrenstechnik
Begegnung im Zug von Zittau nach Dresden. Mir gegenüber ein junger Mann, der an seinem Laptop arbeitet. – Kurz vor Neukirch (ja, eine aus Gottes Wort erneuerte Kirche wünsche ich mir) frage ich ihn aufs Geradewohl: „Sind Sie Student der Soziologie?“ – „Nein, ich bin sogar Professor.“
Da setze ich, schon im Begriff auszusteigen, mein Sogar hinzu: „Kennen Sie Huxleys ‚Schöne Neue Welt‘, Canettis ‚Masse und Macht‘, Hararis ‚Kurze Geschichte der Menschheit‘ oder, nützlich zu lesen, Steffen Pichlers ‚Goldenen Frühling‘? – „Ich bin Verfahrenstechniker“, sagt er. – „Die Soziologie ist auch so eine Art Ver-fahrenstechnik …“, entgegne ich. Und wir lächeln beide zum Abschied …
15. Juni/01. Juli 2022
Das Prinzip Nichtverstehen
Hermeneutik ist die Lehre vom Verstehen, sie bietet Hilfe zum Verständnis von Texten, Kunstwerken, Individuen, von Handlungen und geschichtlichen Ereignissen, kurzum: von Sinnzusammenhängen – aus sich selbst heraus.
In der Geschichtsbetrachtung unterläuft es uns immer wieder, dass wir – das hermeneutische Grundprinzip, eine Zeit aus sich selbst heraus zu verstehen missachtend – eine zeitgeistige Ideologie darüber legen und das zum Maßstab machen, wie wir heute denken, und so die Geschichte verfälschen. Ideologen der Umerziehung des Menschengeschlechts neigen gar dazu, andere Menschen ihrer Sichtweise (ihren Zwecken) gefügig zu machen: So sollt ihr die Dinge sehen, so sollt ihr denken und urteilen, nicht anders.
Auf Personen bezogen bedeutet Verstehen schlicht, sich in den anderen Menschen, in seine Situation, seine Gedanken hineinzuversetzen, seine Motive zu ergründen, und dies sachlich, mit einem Mindestmaß an Verständnis-Willen, ohne vorschnelle Psychologisierung. Schaut man auf die Situation in unserem Lande, herrscht in der Propaganda – bei welchem Thema auch immer (ob Corona oder die Ukraine) – eher das Prinzip der Anti-Hermeneutik. Man will nicht, dass die Menschen einander verstehen, hält sie mit Schlagworten auseinander, pflegt das Vorurteil, die gegenseitige Verdächtigung, das Schubladendenken, den engen Horizont.
Propaganda sucht eine Gesellschaft zu uniformieren und spaltet sie zugleich. Die einen ziehen sich die Propaganda-Jacke an, andere verweigern sich der Uniformierung, wagen eigenständiges Denken.*
15. Juli 2022
* Warum nicht mal die andere, die der offiziellen Version der Propaganda abgewandte Seite zur Kenntnis nehmen und sich ein eigenes Urteil bilden – zum Beispiel zum Ukrainekonflikt?! Vgl. unter anderem Gabriele Krone-Schmalz: Russland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens, München: Beck, 2015 und Compact, Edition Nr. 10: Putin verstehen. Seine Reden aus der Kriegszeit im Original, Mai 2022.
Impfen und ab in den Urlaub
Schluss jetzt, ich lasse mich impfen. Ich weiß, das ist nichts Gutes. Aber die Kinder müssen mal raus. Also impfen und dann ab in den Urlaub.
Die Nerven verloren oder den gesunden Menschenverstand? Ihr lasst Euch impfen gegen die eigene Überzeugung? Die Kinder müssen mal raus? Dann geht doch einfach hinaus in den Wald mit ihnen, ins nahe Gebirge. Und lasst sie frei atmen. Muss es denn unbedingt Urlaub im Ausland sein?
Das sind doch alles nur Ausreden …
Auf der Brühlschen Terrasse in Dresden
Von der Hofkirche her, eine Laut-Sprecherin in Dresden auf der Brühlschen Terrasse, den Resten der alten Stadtbefestigung. Wortfetzen dringen an mein Ohr: „ … dass diese Menschen nicht die Stadt repräsentieren. – Wir sind tolerant, bejahen die Buntheit und Vielfalt des Lebens.“
Moment mal: „Diese Menschen“, da bin ich ja mitgemeint. Und wenn das Leben bunt und vielfältig ist, gehöre ich bunter Vogel auch dazu. Und möchte nicht schwarz gemalt werden von den Roten, Grünen, Spektralfarbigen.
Keine Farbe ohne das Licht. „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen“ (Joh 1, 5).
18. Juni/01. Juli 2022
Gipfel der Torheit
Da hat doch wirklich ein Ehepaar reifen Alters, vollständig geimpft, in diesen kritischen Monaten (Juni/Juli 2022) die letzte Feuerstelle stillgelegt in ihrem Eigenheim und den Schornstein abgerissen. Nun ist man vollends abhängig von Öl oder Gas. Ich gebe zu, dass ich große Mühe habe, dies zu verstehen …
16. Juli 2022
Tag der Befreiung. Leben und Tod vor dem Krankenhaus
Ich warte, viele Stunden, vor dem Krankenhaus, habe kein Handy, nicht mal ein Buch bei mir, und ich langweile mich nicht im Geringsten. Da ist der alte Mann, er hat Jahrzehnte auf dem Friedhof gearbeitet, wir haben früher nie miteinander gesprochen. Jetzt spreche ich ihn an. Er hat ein schlichtes Gemüt, solche Menschen hat Gott lieb. Wir reden lange miteinander. Über den Friedenhof, über das Leben hier auf Erden und von dem Leben danach, auf das wir – mögen andere den Kopf schütteln und darüber lachen – unsere letzte Hoffnung richten. Ein Schulkamerad, zwölf Jahre lang waren wir in einer Klasse, kommt aus dem Krankenhaus, wo er seine Mutter, die auf dem Sterbebett liegt, besucht hat. Unsere Mütter sind miteinander zur Schule gegangen, in eine Klasse. Meine Mutter ist schon im Jahre 2000 verstorben …
Am Rondell vor dem Krankenhaus sitzt eine Frau, die gewiss älter ist als ich, mit einem jungen Gesicht. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor, schließlich spreche ich sie an. Sie war Lehrerin, erinnert sich an einen meiner Söhne, der vor Jahren die Englisch-prüfung nach der 10. Klasse (1991) mit Bravour bestanden hat. Dann erzählt sie vom Angriff auf Dresden am 13. Febr. 1945. Es war Fasching, wussten Sie das? Ich wusste es nicht. Ihre Mutter war am Tage zuvor nach Sebnitz gefahren zu Verwandten, die Mutter war mit der Enkeltochter (der späteren Lehrerin) in Dresden geblieben und hatte dort den Angriff erlebt. Die Männer im Keller saßen vor Angst und Schreck wie gelähmt. Die Großmutter hatte kurz entschlossen ein Beil genommen und die Wand zum Nachbarkeller durchbrochen, sonst wären alle erstickt. Die Mutter erlebte den Angriff von Sebnitz aus. Glutroter Himmel, angekohltes Papier trieb es bis in die Stadt der künstlichen Blumen. Kurz nach dem Angriff ist sie im Zug nach Dresden aufgebrochen, so weit man noch fahren konnte, hat die Straße gefunden, auch das ausgebrannte Haus. Von Mutter und Tochter keine Spur, also mit allen Ängsten zurück nach Sebnitz, wo sie eine ganze Woche lang in Ungewissheit verbrachte, ob Mutter und Tochter noch leben. Und sie hatten überlebt. Die Familie hat durch den Krieg viel Leid erfahren. Ich bin dann nach dem Kriege ins Pfarramt gegangen, sagt die Lehrerin, und habe meinen Kirchenaustritt erklärt. Ja, sage ich. In den Schützengräben des ersten und zweiten Weltkrieges, in all dem Elend und Verderben, hat der eine seinen Glauben weggeworfen, der andere hat ihn dort erst gefunden. Üblicherweise wirft man Gott vor, warum er nicht handelt, all das zulässt. Aber Kriege werden von Menschen gemacht …
Von Ihrem Standpunkt aus haben sie Recht, sagt die Lehrerin. Dabei habe ich doch gar keinen Standpunkt geäußert, sondern nur – die Realität des Menschlichen beschrieben. Nein, das Gefühl von Langeweile kam nicht auf an diesem Maitag 2022 …
08. Mai/03. Juli 2022
Lange nicht so gelacht … Zum Film „Eingeschlossene Gesellschaft“*
Ein Film (101 Min.) von Sönke Wortmann nach dem gleichnamigen Hörspiel von Jan Weiler, der auch das Drehbuch schrieb. Musik: Martin Todsharow. Erscheinungsdatum:14. April 2022.
Der Film wurde als Kömodie, auch als Satire angekündigt. Das übliche Wort Tragikkomödie, ein Genre, wo man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, träfe hier auch. Es lag eindeutig an mir selbst. Ich hatte da völlig falsche Erwartungen, hätte mir vorab zumindest den Trailer anschauen sollen. Da wäre mir ein Licht aufgegangen. Die gewollte Assoziation ist ja diese: von der „Offenen Gesellschaft“ Poppers (ihr Kennzeichen: Demokratie) springen die Gedanken zur geschlossenen Gesellschaft (einem Synonym für Diktatur). Dass man Menschen auch in Räume einsperren kann, ist bekannt – nach den ersten Minuten des Filmes war mir klar, dass es hier wirklich um Eingeschlossenheit geht. Die ganze Handlung oder Ereignislosigkeit wird sich hier in diesem Raume, in den Dialogen abspielen. Der Sportlehrer hatte da einige treffende Bemerkungen. Der schüchterne Chemielehrer war auch nicht schlecht mit seinem Plädoyer für den Jungen. – Halt, worum ging es überhaupt? Um diesen einen Punkt, der dem Jungen für die Zulassung zum Abitur fehlte. Der Vater drängt sich ins Lehrerzimmer, fordert eine Lehrerkonferenz hier und auf der Stelle, gibt eine Stunde Zeit, eine Entscheidung für den Punkt zu erzielen. Er hält eine Pistole vor, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen. Anrufe bei der Polizei von einem verborgenen Handy aus scheitern, die Polizei nimmt den Anruf nicht ernst.
Zu allem Unglück kramt der Vater im Direktorzimmer die Personalakten hervor. Die ältere Lehrerin, ein Schülerschreck, hat einen George-Moustaki-Fimmel, der prinzipienfeste Lateinlehrer hat bei einer Klassenfahrt Schülergeld veruntreut, der verunsicherte Chemiker ist ein heimlicher Pornokonsument (Schüler haben ihn geoutet), der lockere, überall beliebte Sportlehrer ist in Wahrheit ein Schülerinnen-Liebhaber und hat auch mit der anwesenden, universitätsklugen Referendarin ein Verhältnis. Schließlich ist da noch der Schüleranwalt, der sich als Anschwärzer seiner Kollegen entpuppt. Die Referendarin gibt offen zu: sie liebt Gendersprech und den Gelegenheitssex, besonders mit verheirateten Männern, was im Film quasi unbefragt stehenbleibt. So kommt die Referendarin von allen am besten weg, von ihr gibt es noch keine Akte. Ich habe herzlich gelacht, nicht während, sondern – nach diesem Film. Wie ich auf so etwas hereinfallen konnte. Ich mag keine Kammer-Stücke, die von Anfang bis Ende, von einigen Freiluft-Szenen abgesehen, in einem einzigen Raume spielen. Ich musste mich ausschütten vor Lachen, dass ich da so lange stillgesessen habe. Freilich war auch aus diesem Film etwas zu lernen. Das befreiende Lachen danach …
02./03. Juli 2022
Lebendige und tödliche Gewissheiten
Ein Christ wird ein Christ bleiben, ein Muslime ein Muslime, ein Atheist ein Atheist, ein Corona-Maßnahmengläubiger ein Maßnahmen-Gläubiger, ein Skeptiker ein Skeptiker. Das ist die Regel – Konversionen, Übertritte von einem Bekenntnis zum anderen sind selten. Menschen verharren in ihren Gewissheiten, ändern nur selten grundsätzlich ihren Weg. Die Konfrontation gegensätzlicher Gewissheiten, in die jeder von uns verstrickt ist, wird weiter unser Thema bleiben.
Gewissheit, wo sie Vertrauen, tief innere Gottesgewissheit ist, schenkt Leben. Aber Gewissheit kann auch töten, aus tiefster Überzeugung Leben zerstören.
Letzteres geschieht, sobald Gewissheit den geistigen Raum verlässt und der Charakter des Menschen, sein gespaltenes Wesen ins Spiel kommt, die Neigung Recht haben zu wollen, die Sehnsucht nach etwas fest Gefügten usw. Vielleicht ist es auch das „kollektive Weltbild“ seiner Zeit, das ihn in starre Gewissheit treibt. Da tritt der Mensch aus der inneren Haltung kindlichen Vertrauens heraus und wird – zum Täter.
Wie leicht vergisst ein Mensch, der sich doch tief im Herzen zu dem Gott der Liebe bekennt, im Übereifer der Mission, was Christus gesagt hat: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen … und deinen Mitmenschen wie dich selbst“ (Lk 10, 25). Ein anderer redet von Toleranz und Respekt und merkt gar nicht, wie toleranz- und respektlos er sich gegenüber Andersdenkenden verhält. Am Ende greifen verhärtete Gewissheiten, man mag sie Meinungen oder Ideologien nennen, zu den Waffen, zuerst verbal – „Tod und Leben stehen in der Gewalt der Zunge“ (Spr 18, 21) –, dann buchstäblich durch Anwendung kriegerischer Mittel.
Geschrieben steht (2. Mose 20, 2–3): „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir“, d. h. du sollst auch deine eigene Meinung, dein verfestigtes Gedankengefüge, nicht zum Gott erheben.
* Meinungen sind aus allen möglichen Elementen zusammengeballte Gedanken und Gefühle; werden weite Kreise von ihr erfasst, wird Ideologie daraus. Als Mittel, solche Ideologien zu verbreiten, dienen Agitation und Propaganda. Und Propaganda entfernt sich oft sehr weit von dem ursprünglichen Bekenntnisgrund, auch von ethischen Grundsätzen. Die unerschütterliche Gewissheit, mit der die Propaganda auftritt, berührt unangehnehm, ist geradezu peinlich. In der Propaganda verhärtet sich ein Bekenntnis, wird zum bloßen Machtinstrument. – Zum Begriff des „kollektiven Welt-bildes“ (Synonym für den Geist einer Zeit) vgl. S. Pichler, Der Goldene Frühling, 2019, S. 137.
06. / 16. Juli 2022
Was, wie, wohin mit dem Great Reset?
Great Reset, die große Zurücksetzung, alles Bisherige löschen, globaler Neustart, noch einmal ganz von vorn – wie soll das gehen?* Auch Putin spricht vom Great Reset, gehört zu denen, die sich in Davos treffen, erst kürzlich hat er an einer von Klaus Schwab geleiteten Videokonferenz teilgenommen. Das lässt aufhorchen. Es ist doch klar, so wie bisher: ein Leben aus dem Vollen, ohne Rücksicht auf die Natur und die Armut auf der Erde, kann die westliche Welt nicht weitermachen. Vielleicht brauchen wir ja wirklich einen Great Reset, einen Neuanfang auf allen Gebieten. Aber keinen Neustart, an dem sich ein paar Leute skrupellos bereichern, bei dem sie ihre Macht ausspielen, die Menschheit unterjochen, sie dunklen, satanischen Zwecken gefügig machen.
*Vgl. die Besprechung von Klaus Schwabs Buch „The Great Reset“ in WB Ausg. 20, S. 16–23.
Bei der Frage nach der inneren Substanz des Vorgangs geht es um Dreierlei: um konkrete Inhalte, die Art und Weise und nicht zuletzt um die Zielsetzungen des Great Reset. Was soll von Grund auf neu gestaltet werden, auf welchem Wege und wohin wollen wir steuern, was ist das Ziel, auf welches System läuft es am Ende hinaus?
Um die Wirtschaft geht es nicht allein. Einen Neustart (dies gehört wesenhaft zur inhaltlichen Seite, zur Frage nach der Substanz) braucht es auch auf ethischem Gebiet, einen geistigen Reset gewissermaßen, eine Besinnung auf Grundwerte menschlicher Existenz. Was die Art und Weise des Prozesse betrifft, scheinen Kriege und diktatorische, um nicht zu sagen: faschistische Zwangsmaßnahmen mit im Kalkül zu liegen. Und wohin führt der Weg? Zum globalen Staat. Dieser wird uns als unabwendbare Lösung der Menschheitskrise vor Augen stellt. Wer wird an der Spitze der Pyramide stehen? Ein Senat. Oder am Ende nur Einer. Und wenn dieser eine globale Imperator kein ehrenwerter Mann ist, gar der Böse selbst (vgl. Off., Kap. 12), wie wird es dann in seinem Imperium zugehen? Wird der globale Staat in seiner Totalität die Menschheitskrise lösen?*
* Ob die Reduzierung der Weltbevölkerung auf 500 Millionen, von der die Georgia Guidestones sprechen (vgl. https://www.travelbook.de/mystery/georgia-guidestones) wirklich ein erstrebens-wertes Ziel ist, darüber sollte man die Menschheit selbst befragen.
Wie ist die Situation? Eine Machtclique verkündet selbstherrlich: „Wir machen jetzt den Großen Neustart“, schart ein Corona-Kaffeekränzchen von globalen Führern um sich, inszeniert in immer neuen Varianten eine endlose Pandemie globalen Ausmaßes, mit der sie den „Neustart“ zu erzwingen sucht und seine Hintergründe bemäntelt.
Immer neue Impfstoffe, an Menschen getestet, bringen Milliardenprofite. Schranken-los experimentiert man mit der Grundsubstanz des Lebens, dem menschlichen Genom.
Zugleich werden mit smarter Militärtechnologie Überwachungssysteme installiert, schreitet die Verknüpfung von Computertechnik und menschlichem Gehirn weiter voran. Die Propaganda läuft auf Hochtouren wie noch nie zuvor in der Weltgeschichte, Verfälschung der Tatsachen, Verwirrspiel, dreiste Lüge ihre probaten Mittel.
Auffallend ist, dass die Ideologen des Neustarts über die eigene Ideologie des Globalismus hinaus keinerlei Religion in Erwägung ziehen, der Mensch als ein religiöses Wesen, der Gottesgedanke selbst, in ihrem System völlig außen vor bleibt. Schon allein deshalb muss es scheitern. Globalismus, das ist ein neuer Turmbau zu Babel (vgl. 1. Mose 11); wieder einmal hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Um es in einem Satz zusammenzufassen: Wenn ein Neustart sein muss auf Erden, dann zugunsten der Menschheit, ihrer Rettung, nicht nach Maßgabe einer Clique im Hintergrund, die skrupellos – ein paar Millionen Menschenleben gelten ihr nichts – nur den eigenen Vorteil sucht und ihre Machtgelüste stillen will.*
* Hier äußere ich einen begründeten Verdacht, sollte er sich als gegenstandslos erweisen, wäre ich erleichtert, würde mich freuen; ich will hier nicht Recht behalten. Trifft er aber die Wirklichkeit, worauf nicht wenig Zeichen deuten, dann gilt es auf der Hut zu sein. Um es zu wiederholen: Verschwörungen, geheime Absprachen in der hohen Politik, hat es von allem Anfang an unzweifelhaft gegeben, sie sind geradezu ein Kontinuum der Weltgeschichte – bis ins 20. Jahrhundert hinein und darüber hinaus. Wenn die Corona-Maßnahmen und -Impfpropaganda hierzulande solche Absprachen für die Gegenwart leugnet, ist das höchst verdächtig. Honi soit qui mal y pense. Ein Schelm, der Arges dabei denkt. Oder wer hier überhaupt eigenständig zu denken wagt …
06. Juli 2022
Zitat: „Die Werkzeuge der Vierten industriellen Revolution ermöglichen neue Formen der Überwachung und andere Kontrollmittel, die gesunden, offenen Gesellschaften zuwiderlaufen“ (Klaus Schwab).* Eines dieser „Werkzeuge“ ist die Schnittstelle zwischen Computer und Bewusstsein, der direkte Zugriff auf das menschliche Gehirn. Dass man die dafür nötige Technik, einen Miniaturchip, mittels einer Impfung problemlos einspritzen kann, wird mittlerweile offen zugegeben. Gedanken und Gefühle der Masse sind dann per Knopfdruck steuerbar, wobei die Menschen weiter glauben werden, es seien ihre eigenen Gedanken … * www.kla.tv/KlausSchwab/18851
16. Juli 2022
Von der Gottesfurcht des Flaschenvermessers*
Phobien haben einen negativen Klang, gemeinhin gelten sie als krankheitswertig: Klaustrophobie, Logophobie, Pyrophobie, „Homophobie“ etc., nicht zuletzt gehört auch die gegenwärtige Virusphobie in diese Reihe. – Diese eine Furcht aber ist unumgänglich, irdischen Angstszenarien nicht vergleichbar: die Gottesfurcht. Gott ist kein dummer Junge, den man nach Belieben lästern und zum Nichts machen kann. Er ist barmherzig, hat viel Geduld, aber Er lässt sich nicht ungestraft spotten.
„Die Furcht des Herrn ist der Anfang aller Erkenntnis“ (Spr 1,7; vgl. Spr 14,27, Ps 111,10, Sir 1,12, Apg 9,31 u. ö.). Wer keine Gottesfurcht hat, keinen heiligen Begriff von Gott als dem Höchsten, was ein Mensch überhaupt zu denken vermag, kommt nicht zur Erkenntnis, versperrt sich selbst den Weg, er weiß ja gar nicht, wovon er redet, wenn er „Gott“ sagt. Von den menschlichen Erkenntnisbemühungen just die Theologie, die Beschäftigung mit dem Gotteswort, ausgrenzen zu wollen, in der es doch um die höchste Erkenntnis geht, ist eine große Torheit. Im Grunde zieht der Ehrfurchtslose, der Spötter des Glaubens nur über seine eigene geringe Gottesvorstellung her, bespöttelt sich selbst, sein eigenes Denken.
Auch Kirchenkritik hat ihre Grenzen. Der Hinweis auf das Versagen von Kirche in den verschiedenen Epochen, auf die Verletzung des Heiligen durch die communio sanctorum, die Gemeinschaft der Heiligen selbst, rechtfertigt nicht die Verwerfung des Gottvertrauens, und schon gar nicht die Leug-nung der Existenz Gottes. Da wird, um es mit einem geflügelten Wort zu sagen, das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Wo Menschen versagen, ist Gott nicht der Schuldige. Es ist ein altes Lied, das Menschen ihre eigene Sünde (die Kriege, die Segnung der Waffen, alles, was Menschen einander antun) Gott anlasten und Ihm Unterlassungssünde vorwerfen: Warum handelst Du nicht?!
Mit der Erkenntnis ist es so wie mit einer Flasche, die schlicht Trinkwasser enthält. Kommt einer, ein Experte seines Fachs, sagen wir: ein Flaschenvermesser, und nimmt die äußeren Maße: die Länge, den Umfang, betrachtet die Form, den Bauch der Flasche und ihren Hals. Das heißt dann „Erkenntnis“. Ein anderer, der lange durch die Wüste gelaufen ist, macht sich über Maße und äußere Form keine Gedanken, auch nicht über die Materie der Flasche (das Glas). Ihn interessiert nur der Inhalt, die Substanz. Er trinkt aus der Flasche und erkennt: das Wasser des Lebens.
* Vgl. die Textfassung in der Wochenzeitung „Demokratischer Widerstand“ v. 20.Aug. 2022, S. 14. Die Erinnerung an das bekannte Bibelwort (Sprüche 1,7) und das Gleichnis mit der Flasche verdanke ich dem Pastor einer freikirchlichen Gemeinde. Zum Wasser des Lebens vgl. die Geschichte von Jesus und der Samaritanerin am Brunnen (Johannes 4, 5 ff.).
28. Juni 2022
Staatsbürgerkunde
Ein Busfahrer zitiert aus dem Gedächtnis die marxistische Staatsdefinition: „Der Staat ist das Machtinstrument der ökonomisch herrschenden Klasse zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung seiner Macht und zur konsequenten Unterdrückung seiner Klassengegner.“* Der Busfahrer hat es begriffen und begreift doch nichts. Mehrfachgeimpft, geboostert, wieder geimpft ….
* Noch deutlicher bei Stalin: „Der Staat ist eine Maschine in den Händen der herrschenden Klasse zur Unterdrückung des Widerstands ihrer Klassengegner. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die ,Diktatur des Proletariats‘ im Grunde genommen durch nichts von der Diktatur jeder anderen Klasse, denn der proletarische Staat ist eine Maschine zur Niederhaltung der Bourgeoisie.“ – Josef Stalin, Werke Band 6, Dietz 1952, S. 101.
27. Juni 2022/01. Juli 2022
Gottesfrage
„Life is life“ (in unablässiger Wiederholung) – ein ungeahnt sinnreicher Songtext. Entsprechend dem Jahwe-Namen im Alten Testament (1 Mose 32, 29): Ich bin, der ich bin. Ich werde sein, der ich sein werde. Gott = Gott. Wer die Heiligkeit, die Hoheit Gottes nicht begreift, braucht von Gott nicht zu reden, weiß gar nicht, wovon er spricht.
Im Innern des Menschen: nur Organe, keine Seele?* – Menschen im Kosmos, die einen kehren zurück zur Erde und sagen: Wir haben da oben keinen Gott gefunden, die anderen sprechen im Anblick der Erhabenheit des Alls einen Schöpfungspsalm …
* Vgl die Rezension zu Y. N. Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit in WB Ausg. 40 v. 01. Juli 2022, S. 12.
26. Juni/01. Juli 2022
Menschen werden sich noch dazu versteigen, den lebendigen Gott am Computer zu konstruieren. Was auch immer dabei herauskäme – welches Lebewesen oder welches Abstraktum – es wäre nicht Gott, nur ein Gott-Ersatz, mal wieder ein Goldenes Kalb.
29. Juni 2022/01. Juli 2022
Der Goldene Frühling. Rezension zu einem Roman von Steffen Pichler
* Steffen Pichler: Der Goldene Frühling. Roman, Frankfurt/M.: ZEISS, 2019, 325 S.
Es beginnt mit einer fixen Idee. Ein junger Mann von 24 Jahren, aus höheren Kreisen, mit seiner Verlobten in luxuriösen Verhältnissen lebend, einigermaßen erfolgreich im Boxsport, ansonsten erfolglos, will heraus aus der Leere seiner Existenz, grübelt und sinnt, was ihm „echte Reputation“ verschaffen könnte. Er beschließt, nach Australien zu gehen. um von dort den Schädel des größten der lebenden Salzwasserkrokodile nach London zu bringen (vgl. S. 11).
Kurz entschlossen, man schreibt das Jahr 1888, bricht der junge Albert Huxley nach Australien auf, in die Goldsucherstadt Cooktown. Dort boxt er in Empörung einen Polizisten nieder, der vor seinen Augen einen Eingeborenen misshandelt hat. Daraufhin gerät Huxley ins Gefängnis, muss eine hohe Strafe zahlen, die ihn das Scheitern seiner neuen Existenz vor Augen führt, bevor sie überhaupt angefangen hat. In dieser Situ-ation kommt ihm ein Eingeborener zu Hilfe, der noch in seiner Ursprünglichkeit lebt, ganz anders als jene, die entfremdet in der Umgebung von Cooktown dahinvegitieren, dem Alkohol verfallen sind und in der Wildnis nicht mehr eigenständig leben könnten.
Der Boxschlag gegen die entfremdete Zivilistation hat dem jungen Huxley die Sympathie der Ureinwohner verschafft, der Eingeborene Sebu bietet ihm an, ihn durch den Busch zu dem Großen Krokodil zu führen. Es ist der Beginn eines großen Erkenntnisweges, wahrhaft ein Zurück zur Natur, ein Prozess, der ihn das Perverse der sogenannten Zivilisation Schritt für Schritt klar erkennen lässt. Ein der Zivilisation ergebener deutscher Missionar namens Steiner rät ihm von dieser Expedition, die ja gewissermaßen eine umgekehrte Mission ist (der Wilde missioniert den Zivilisierten), dringend ab: „Wissen Sie Huxley, diese Menschen sind nicht böse. Aber sie leben in einer sehr primitiven Welt. Stellen sie sich vor, es gibt in deren Glauben keinen Gott! Sie sind gottlos! Und dadurch sind sie selbstverständlich auch unberechenbar …“ (S. 21; vgl. S. 24). – Darin wird der Missionar, befangen in seinem abgenutzten, zivilisatorisch angepassten Gottesbegriff wohl irren … Wenn überhaupt jemand die Schöpfung Gottes, die Natur und deren Schöpfer, wertschätzt und achtet, dann sind es diese Eingeborenen, die sich als Teil der Natur empfinden, in ihr geborgen leben.
Für gewöhnlich heißt es, Name sei Schall und Rauch. Nicht so in Steffen Pichlers Buch. Albert Huxley erinnert an Aldous Huxley, den Autor der „Schönen Neuen Welt“,* Cooktown, der Name der Goldgräbersstadt, an den Entdecker James Cook, und der Name des deutschen Missionars an den Anthroposophen Rudolf Steiner, dessen Gedankengut eben jetzt, so scheint mir, eine Renaissance erlebt.
* Vgl. WB, Ausg. 23 v. 17. April 2021, S. 26–32.
Pichlers Buch ist eine fiktive Geschichte, die zum einen „Huxleys Ankunft in der Wirklichkeit“ nach dessen Aufzeichnungen am Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt, zum anderen dystopisch auf Geschehnisse im Jahr 2038 vorgreift. Eine Utopie malt eine schöne Zukunft, eine Dystopie zeigt auf, was geschieht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Oder sie sagt uns schlicht: es ist bereits zu spät. Dies ist dann allerdings ein Realismus, mit dem die wenigsten etwas zu tun haben wollen.
Zu welcher Art von Prophetie Steffen Pichler neigt, mag der denkende Leser entscheiden. Mir selbst hat dieses Buch tiefe Erkenntnis gebracht. Pichler verharrt nicht bei der Analyse, der bloßen Beschreibung des Weltzustands, er deutet auch auf Alternativen. Hierin unterscheidet er sich wesenhaft von Autoren wie Harari, der in seiner „Kurzen Geschichte der Menschheit“* nicht viel weiter kommt als zu der Feststellung: So sind die Dinge nun einmal in der biologischen Revolution, der Mensch forscht, bastelt am Genom auf Teufel komm raus, daran ist nichts zu ändern. Ich denke, dass von einem Schrifsteller wie Pichler weit mehr Erkenntnis und Perspektive zu erwarten ist als von manchem dieser Wissenschafts-Experten.
* Vgl. WB Ausg. 40 v. 01. Juli 2022, S. 4–21.
Wie geht es nun weiter? Huxley setzt mit dem Eingeborenen Sebu über den großen Fluss, begreift nach und nach die Missverständnisse zwischen seiner eigenen Kultur und der Kultur der Eingeborenen und beschreibt in seinen Aufzeichnungen die Entfernung von allem, was er je kannte, die Ankunft in einer ganz anderen Existenzweise. Da kommen „langsam und schemenhaft die Konturen einer Parallelwelt zum Vorschein“, die er vorher nicht wahrgenommen hat, gar nicht wahrnehmen konnte (vgl. S. 25 u. 27). Er erfährt die Entfachung des Feuers, die Kraft des Flusses, das Leben der Schildkröten, Haie und Fische, hört nachts die Krokodile, lernt Essbares zu entdecken, labt sich an den Köstlichkeiten der Natur, erlebt in einem „Feuerwerk der Sinne“ die Kultur der Jäger und Sammler, „einen Zustand der tiefen Begeisterung und Erfüllung“ mitten im Alltag, schließlich findet er sein Nachtlager unter einem uralten Baum, der quasi eine Kultstätte ist (vgl. S. 30–31).
Natur wird in ihrer Harmonie dargestellt, in ihrer Abgestimmtheit, dem aufeinander Angewiesensein der Pflanzen und Lebewesen, nicht als Kampf aller gegen alle. Fast ist es eine Art Naturidealismus. Kurzum: Huxley ist in ein irdisches Paradies geraten. Hier werden Mensch und Natur noch in ihrem innersten Zusammenhang begriffen. Hingegen hatte die Zivilisation „das Wissen über die größten Zusammenhänge des Lebens und der Welt“ verpasst, war einem flachen, technologischen „Halb-wissen“ verfallen, die ganze Menschheit schließlich auf eine „gigantische Katastrophe“ zugeschlittert. „Im Jahre 2038 war es dann soweit.“ – „Und so begann das verzweifelte Streben zur Nachholung der ersten echten Aufklärung“ (vgl. S. 35).
Am 05. Jan. 2038 verkündet der fiktive UNO-Generalsekretär Gamballa vor fast dreitausend Journalisten, dass „die Hintergründe der [globalen] Weizenkrise sowie des Lachssterbens vollständig und restlos” aufgeklärt seien, es gebe “keinerlei offene Fragen mehr” (vgl. S. 40/41). In kurzer Zeit würde die weltweite Hungerkatastrophe überwunden sein. Schließlich tischt er der Weltbevölkerung „die größte Lüge aller Zeiten” auf: den Goldenen Frühling der Menschheit, den Aufbruch in eine strahlende Zukunft. Auch von Großraumschiffen, einem gewaltigen Raketenprojekt redet er, das die Menschen in großer Zahl zu anderen Sternen bringen wird. „Die Zivilisation steht, so schwer dies auch momentan noch zu erkennen ist, vor einem gewaltigen Sprung hinein in eine positive und glückliche Zukunft, wie sie nie zuvor auch nur ansatzweise in Aussicht war” (S. 47). Ziel dieser globalen Pressekonferenz war es, die Menschheit in einen Zustand der Euphorie, einer Begeisterung zu versetzen, um von der Hungerkatastrophe ablenken, die bereits Millionen Menschen getroffen hatte.
In einer Geheimkonferenz der UNO zwei Monate zuvor, am 06. Nov. 2037, zu der die Regierungschefs von neun ausgewählten Staaten geladen waren (USA, China, Indien, Russland, Korea, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Norwegen), hatte man die wahre Situation beschrieben. Der Verlust des durch Genmanipulation und Pestizide in seiner Resistenz schwer geschädigten Weizens war nicht mehr aufzuhalten, die Katastrophe würde sehr wahrscheinlich auch andere Getreidesorten und den Mais treffen. Was das Lachssterben betraf, hatte der Überbesatz in den Zuchtanlagen und der Einsatz von Medikamenten zu einer unumkehrbaren Schädigung des Immunsystems geführt. All das waren nur „die ersten Vorboten eines fast unmittelbar bevorstehenden apokalyptischen Zusammenbruchs” (S. 57).
Wie nun heraus aus dieser Sackgasse, wie den „globalen Kollaps” vermeiden, das von „Krebsmetastasen” durchdrungene Weltsystem retten? Der einzige Ausweg scheint „im sofortigen, massiven Einsatz von starken Pestiziden und Medikamenten” zu liegen, der das bisherige Handeln im Teufelskreis noch forciert, um wenigstens ein paar Monate Zeit zu gewinnnen (vgl. S. 58/59).
2022 war die Menschheit in „das neue Zeitalter der ,Genetischen Moderne’” eingetreten (vgl. S. 64), hatte aber den großen Zusammenhang des Lebens vernach-lässigt, wichtige Naturgesetze nicht beachtet. Diese versäumten Gesetze aufzuspüren, sie in letzter Minute zu erkennen, dazu soll nun ein Großrechner, ein mathematisches Superhirn dienen. Ihm haben alle Spitzen-Experten dieser Welt Zuarbeit zu leisten, um das Menschheitsproblem zu lösen, die geheimen Gesetze aufzuspüren, denen Huxley bei den australischen Ureinwohnern, auf der Suche nach dem Riesenkrokodil, längst auf der Spur ist.
In der Geheimkonferenz ist man sich einig: Die Menschheit darf vom Ernst der Situation nichts erfahren, zur Vermeidung einer Massenpanik und globalen Depression gilt das Prinzip strikter Geheimhaltung. Die Euphorie des Goldenen Frühlings der Menschheit muss als ein „großes Täuschungsprojekt” (S. 131) mit allen Mitteln der Propaganda, auch der platten Lüge, aufrechterhalten werden.
Die Wissenschaft hatte mit ihren „Genscheren” die Genomstränge gezielt manipuliert, am Genom herumgeschneidert, ohne genaueres Wissen, welche Folgen dies haben könnte. Man nimmt einen Strang heraus, setzt ihn irgendwo anders ein. Solche „Verfahren für das … Herumschneidern und Einschleußen ins Genom waren unpräzise und glichen oft eher einem zufälligen Gestocher und Gemansche als einer gezielten Manipulation” (S. 66; vgl. insgesamt S. 64–71). Wie Kinder, die an einer komplizierten Apparatur spielen, mal diesen, mal jenen Hebel betätigen. Der Mensch als Schöpfer ist eben doch nicht so genial, weiß oft erst hinterher, was er mit seinem blinden Kreationismus angerichtet hat …
Die wenigen Zweifel an dem Versprechen des „Goldenen Frühlings” schaffen den Weg in die Öffentlichkeit nicht mehr. „Ein wichtiger Grund dafür, dass besonders die jüngeren Menschen kaum noch die Fähigkeit besaßen, die Wirklichkeit kritisch zu reflektieren, lag in einer Entwicklung, die sich bereits seit Jahrzehnten immer stärker beschleunigend vollzogen hatte: die Verschiebung von Aufmerksamkeit und Konzentration weg von der Realität und hinein in digitale Ersatzwirklichkeiten” (S. 123; zur virtuellen Realität insgesamt vgl. S. 123–127).
Immer wieder geht es in Pichlers großer Erzählung “um die Frage der Intensität und der Qualität von Wahrnehmungen und Empfindungen der Lebewesen im ursprüng-lichen Raum der Natur”, um die “Intensivierung der Sinneseindrücke” als Sinn-erfüllung und Weg zum Glück (vgl. S. 184–190).
Hier verlassen wir Steffen Pichlers Roman und hoffen sehr, dass sein Hauptheld: die Menschheits-familie nicht zu Schaden kommt. Es ist ein unbedingt lesenswertes, lehrreiches Buch, das uns deutlich vor Augen führt, in welcher Situation wir uns heute befinden und darüber hinaus klare Alternativen aufzeigt. Vielleicht ist es ja doch noch nicht zu spät für den rauhen Weg der Erkenntnis …
Sollte man einen Menschen Pessimist nennen, nur weil er Realitätssinn hat? Manchmal scheint’s, als verschlösse der Optimist nur die Augen vor der Wirklichkeit. Augen zu und durch, wird schon gut gehen! Der Optimist will stets Recht behalten, während der geschmähte Pessimist sich freut, wenn seine Prophezeiung wie durch ein Wunder nicht eintritt … Bedingungsloser Optimismus – ist es das, was wir brauchen? Die Hoffnung ist etwas anderes. Sie allein weist nach vorn, hofft immer das Beste im Warteraum der Zukunft …
05. /16. Juli 2022
Singspiel Zukunft
Ein Licht im All wacht und bewahrt
in der Mittsommernacht
die Träume Deines Kinds bringt das Unverborgene*
die Wahrheit an den Tag
keine Heimsuchung kein Gewahrsam kann sie treffen wo
Sie zu Hause ist …
Brütender Nebel unten
gelb und träge über den Tränentälern der Erde
Menschlich – Allzu Viele im Chor der Geduckten
heillos verirrt im Fangnetz der Televisionen
vor Medien-Tempeln singen sie
und jagen von Tümpel zu Tümpel mit ihrer Sehnsucht
nach klarem Wasser
Das Hirn kein Zuhause für Erkennen ein wüster Ort
wo Gedanken Gefühle sich rotten
zu einem Klumpen Stolz, konturlos:
ich meine
Spaziergang in Lautsprecher-Wäldern
ein winzig-Käfer Gewissen nagt an den Membranen
Megaphone tönen und werfen
in kaltem Schalle das Lachen ihrer Wächter
den Millionen Einohrigen zu, die sonst
nichts hören
Hinter den Wäldern nähren sich
Unbehauste an Wort-Deponien
verbotener Sprache
Auf den Hauptwegen überall
Verdächtig Gute
Kühle Staatenlenker die Wehrhaftigkeit fordern
zum Unwohl der Polis Erde.
Und Dunkel die späte Erkenntnis der Eintagsfliege
Mensch im Mittelpunkt
im Zentrum des Spinnennetzes
der verordneten Einfalt
Nach buntem Niederschlag ein schwarzer Regenbogen
über tosenden Blumen
Nun ruhen alle Wälder im Ungewissen
Geschmack der Zukunft
Missverstandenes Gestern lärmendes Heute Verschämtes Morgen
Singspiel Zukunft
Seichtes Sehnen weicht am Ende
tieferer Hoffnung Unaufhaltsam
fließt der Zeitstrom ins Kommende
ins Wahrhaftige das uns schon
erwartet …
Gert Zenker
07. Juli 2022
* Wahrheit ist im Griechischen das Unverborgene (aletheia). Politiker sind dazu da, für das Wohl der Polis, des Stadt- und Weltstaates, der res publica zu sorgen. Manche davon hängen gar Ideologien an, die von sich behaupten, der Mensch stehe im Mittelpunkt ihres Systems … „Nun ruhen alle Wälder“ ist ein bekanntes geistliches Lied von Paul Gerhardt (vgl. Evang. Gesangbuch, Nr. 477).
Heimkehr
Heimkehr aus dem Klange
Jenseits
in die blühende Steppe
Immerschon und
Jetzt
Ein Gedicht heftet sich
an mein Gehen mein Herz
das wehe Alter
verfliegt der Tag
ist jung und die Sonne
Schickt mit ihren Strahlen
die ersten Töne eines Neuen
Lieds und gibt
die Tonart an:
Alles Vergeblich
schweige!
Es gilt: der klare SINN
lichtgeboren
den ein Kinderjauchzen
uns enthüllt.
10. Juli 2022